Erholungsforscher: "Wir brauchen täglich eine Dosis Freizeit"

Geistiger Abstand zu Stressoren fördert die Entspannung.
Körper und Geist aufatmen zu lassen, war noch nie so schwierig. Wie man in fordernden Zeiten Ruhe findet.

Die Seele baumeln lassen, die Füße hochlegen, den Kopf freibekommen, neuen Atem schöpfen: Kaum eine andere Tätigkeit wird derart mannigfaltig im Körper verortet wie die Erholung. Das Sammelsurium an Redensarten versinnbildlicht, wie bedeutend regenerative Prozesse für das menschliche Wohlbefinden sind.

Wieso vor allem die Kraft der Gedanken laut moderner Forschung beim Abschalten hilft, warum alltägliche Atempausen psychisch gesund halten und wann sich die Welt von der Corona-Pandemie erholt haben wird, erklärt Psychologe und Erholungsforscher Gerhard Blasche.

KURIER: Ihr neues Buch heißt "Erholung 4.0". Bekommt das menschliche Erholungsgefühl regelmäßig Updates?

Gerhard Blasche: 4.0 bezieht sich auf das digitale Zeitalter und auf die Veränderungen, die sich für unsere Erholung ergeben haben. Der Hauptunterschied zu früher ist, dass Erholung anno dazumal eher einfach nebenbei passiert ist. Heute erfordert Erholung Planung, weil sich die Berufsrealität verdichtet hat und die Freizeit facettenreicher geworden ist. Es braucht bewussteres Augenmerk auf Erholung, sonst kommt sie zu kurz.

In welcher Form ist Freizeit vielfältiger geworden?

Ein Beispiel ist die Anzahl der Fernsehsender, die inzwischen zur Verfügung steht. Bis in die 70er-Jahre wurden in vielen Haushalten nur zwei Sender empfangen. Danach hat sich diese Zahl vervielfacht. Auch abseits vom Fernsehen gibt es immer mehr Unterhaltungsmöglichkeiten und Freizeitangebote, die zur Zerstreuung konsumiert werden können. Das Überangebot erfordert, dass wir uns entscheiden müssen. Das erzeugt erst recht Stress.

Sie schreiben, dass Erholung nie so wichtig war. Warum?

Die Arbeit hat sich in den vergangenen 30 Jahren beschleunigt, die Grenzen zwischen Job und Freizeit verschwimmen zusehends, man ist fast permanent digital verfügbar. Zunehmend mehr Arbeitnehmer leiden unter Zeitnot und Überforderung durch die Arbeitsmenge. Dadurch sind wir gestresster und brauchen im Grunde mehr Zeit zum Abschalten.

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