An dieser Stelle fällt mir sofort Betty Dodson ein, die Hohepriesterin der Selbstbefriedigung und Befreierin weiblicher Lust. Seit den 1970er-Jahren predigt sie das Prinzip „Sex for One. Die Lust am eigenen Körper“ – auch im gleichnamigen Buch, das sich über eine Million Mal verkaufte (ich hab’s daheim, daher kann ich daraus zitieren). Das alles in einer Zeit, in der – trotz sexueller Revolution – das Masturbieren immer noch als schmutzig und unanständig galt. Nur die Pionierin Betty Dodson war schon damals überzeugt, dass „Masturbation die ursprünglichste Form sexueller Erfahrung“ ist – mehr noch: Wer weiß, wie er sich selbst zum Höhepunkt beamen kann, steht an einem zentralen Ausgangspunkt sexueller Erfahrung. Damit fängt vieles an. „Wenn ich mich selbst liebe, kann ich dich lieben, wenn du dich liebst“, lautete das Mantra der mittlerweile 90-Jährigen mit der kessen Kurzhaarfrisur.
Dabei räumte Betty Dodson auch radikal mit den Ideen sexueller Romantik auf, in deren Rahmen Frauen vor allem „passiv, schön und verführerisch“ sind, während sie auf die „unglaubliche Erfahrung warten, die wir Orgasmus nennen …“. So schaut’s wirklich aus: Laut Kinsey-Institut wird nach dem Eindringen meist nur „zweieinhalb Minuten gebumst“, was genau gar nicht reicht, um auch nur ansatzweise Spaß zu haben. Betty Dodson ging es folglich auch darum, das sexuelle Vergnügen freier auszulegen, und das Repertoire der „Köstlichkeiten“ zu erweitern. „Wir müssen den Gedanken fallenlassen, es gäbe nur einen richtigen Sex, um reichlich Liebe und Orgasmen zu erleben“, schrieb sie. Sie wollte damit einfach nur sagen, dass Frauen nicht zwingend einen Mann für ihr genitales Glück brauchen. Daher ermutigte sie, sich mit Hilfe von Selbstbefriedigung zu emanzipieren – um handgemachte „Orgasmen am laufenden Band“ zu erleben: mit dem Duschstrahl, einem Teddybären, Vibrator oder Finger.
Auf der Kommandobrücke
Nach wie vor hält Dodson „Bodysex“-Workshops in ihrem Apartment in Manhattan (aktuell natürlich nicht) – die Idee: Frauen lernen ihren Körper kennen, leben und erleben das genitale Holladero solo mit sich selbst. Ein wichtiger Gedanke dabei gilt der Selbstverantwortung: Wer weiß, welche Körperknöpfe super funktionieren, damit der Lustturbo zündet, emanzipiert sich so vom Wohlwollen des Sex-Partners. Niemand muss mehr verzweifelt herumturnen oder an sich herumfummeln lassen, um heimlich darauf zu hoffen, dass der Partner endlich mit seinen Griffeln im Lust-Epizentrum landet. Man steht stattdessen selbst auf der Kommandobrücke und bestimmt den Kurs: „So geht das, Baby!“
Das Tröstliche: Die meisten Frauen wissen das mittlerweile und haben viel dazugelernt. Auch, dass es nicht immer ein Gegenüber braucht, um beglückende Sex-Momente zu erleben. Das aus meiner Sicht Allerbeste daran: die daraus resultierende Achtsamkeit und Selbstliebe für den eigenen Körper und das eigene So-Sein. Denn, so Dodson in „Sex for One“: „Ich kann keine guten Orgasmen haben und gleichzeitig voll von Kritik, Wut, Ablehnung oder Schuldgefühlen sein. All diese negativen Gefühle verschwinden mit der Selbstliebe, dem bewussten Annehmen meiner selbst und meiner selbst willen.“
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