Riechen, Kosten, Lecken: Kochen ist der neue Sex
Kochen ist der neue Sex – noch viel mehr „Food Porn“ auf Instagram, noch mehr Rezepte und noch mehr Menschen, die in ihren Töpfen rühren. „Neues Biedermeier“ hin oder her – das passt schon: Weil’s beruhigt, weil’s ein Lichtblick ist – und weil es Lust ins Leben bringt. Also weitermachen!
Dieses Würzen und Köcheln, dieses Schnipseln und Gustieren, das Spiel mit Aromen und Rezepten verbindet zwei Menschen – und ist im besten Fall eine anregende Angelegenheit. „Ich kann die Erotik nicht vom Essen trennen, und ich sehe auch keinen Grund, weshalb ich es tun sollte, im Gegenteil, ich habe vor, weiterhin beides zu genießen, solange mir Kräfte und gute Laune reichen“, schreibt dazu meine Lieblingsautorin Isabel Allende in meinem Lieblingsbuch „Aphrodite. Eine Feier der Sinne“, das mittlerweile schon total zerfleddert ist, so oft hatte ich es in Händen. Darin geht es natürlich auch um die Geschichte des Liebeszaubers und geheimnisvoller Liebestränke, die meist auf ganz schlichten Rezepturen basieren. Zum Beispiel mit Mehl, von dem wir ja gerade das eine oder andere Sackerl mehr daheim haben. Allende beschreibt in ihrem Buch die Rezeptur eines solchen Zaubers, wie er in ländlichen Gegenden Großbritanniens einst üblich war: „Die Frau knetet Mehl, Wasser und Butter zusammen, würzt den Teig mit Speichel, packt ihn sich zwischen die Beine, um ihm Form und Geschmack ihrer edleren Teile zu geben, bäckt ihn und setzt dieses Brot dem Gegenstand ihrer Wünsche vor.“ Zweck dessen war es, den Mann zu verführen und „die sinnliche Liebe“ anzuheizen. Das muss man sich mal vorstellen – da nascht das Objekt der Begierde an einem Stück Brot mit genitaler Würzung. Bleibt nur noch die Frage nach dem passenden Belag: Schinken, Liptauer oder schlichtes Grammelschmalz?
Der Vorgang, eine gute Suppe zu kochen, durchläuft die gleichen Etappen wie ein guter Liebesakt. in beiden Fällen geht es darum, einzutauchen, in die sinnliche Lust ...
Mit dem doppelbödigen Begriff „anheizen“ wären wir aber nun auch in der Suppenküche gelandet. Heiß, heißer, sehr heiß. „Suppen und Saucen sind wie die Vorspiele zur Liebe. Bei ihrer Zubereitung kommen alle Sinne ins Spiel: Sehen, Riechen, Schmecken, Fühlen und in einigen Fällen auch das Hören“, schreibt Allende. Kann denn Schlürfen Sünde sein? Nein, vorausgesetzt, man entwickelt gewisse Abenteuer im Kopf, passend zum Geräusch.
Sinnliche Parallelen
„Der Vorgang, eine gute Suppe zu kochen, durchläuft die gleichen Etappen wie ein guter Liebesakt, in beiden Fällen geht es darum, einzutauchen, in die sinnliche Lust, zu mischen, zu riechen, zu kosten, zu lecken, hinzuzufügen, zu verzichten, zu zweifeln …“, so Allende. Was für ein schönes Bild. Doch welches Süppchen darf’s denn sein? Karottensuppe, zum Beispiel, die sie als Leibgericht für „Männer, die sich in der Liebe hervortun wollen“ empfiehlt. Oder eine Suppe mit Kichererbsen, weil diese in fast allen Kulturen als aphrodisisch angesehen werden. Und die „Goldene Brühe“, eine Consommé als „leckere Einleitung zu kühneren Liebkosungen“. Bitte sehr, hier das Rezept: Braten Sie die Scheiben zweier Zwiebel und eine Knoblauchzehe in Pflanzenöl goldbraun. Geben Sie eine Gewürznelke, Salz, Pfeffer, die 4 Tassen heiße Fleischbrühe, 4 EL Portwein und ein paar Tropfen Worcestersoße dazu, lassen Sie alles 10 Minuten lang köcheln. Nun den Knoblauch und die Nelke entfernen und die Suppe mit einem Stabmixer pürieren. Bevor sie serviert wird, mit geraspeltem Käse (etwa Gruyère) bestreuen. Statt eines „Bon Appetit“ möchte ich nun gerne mit einem (von mir etwas abgewandelten) Zitat schließen – es ist vom französischen Schriftsteller Comte de Mirabeau: „Möge die Lektüre (und das Schlürfen dieses Süppchens, Anm. der Autorin) das ganze Universum zum Orgasmus bringen.“
Salat, der Lust macht Grün, vegetarisch, gesund – und anregend: Diese aphrodisischen Pflanzen gehören jetzt in Ihren Salat. Gurke (nur wegen der Form). Kresse, weil sie scharf ist und schon von den wilden Römern als Lustmacher geschätzt wurde. Sellerie, weil die Marquise de Pompadour damit die Leidenschaft von Ludwig XV. anfachte. Und natürlich Paradeiser – die vor langer Zeit immerhin „Liebesäpfel“ genannt wurden.
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