Eiserner Vorhang mit Rostlöchern
Mutiger Widerstand: Wie Bürger im Ostblock das System von Innen bekämpften.
Die Entwicklung des Sowjetblocks, später des Warschauer Paktes, hat 1948 durch die Machtübernahme der Kommunisten in Ungarn, Polen, Tschechoslowakei, Rumänien und Bulgarien vier Jahrzehnte nicht nur Europa, sondern auch die Beziehungen zwischen „West und Ost“ beherrscht.
Durch die Jahre hat sich eine Co-Existenz herausgebildet, die durch zwei Tatsachen möglich war: Niemand im Westen wollte einen Krieg und spätestens unter Chruschtschow hat man die Überzeugung der Weltherrschaft des Proletariats, also der Partei, de facto aufgegeben.
Schritt um Schritt haben sich Kooperationen, vor allem in der Wirtschaft, gebildet, wobei es natürlich Unterbrechungen durch Konflikte aller Art gab. Die Sensibilität im Ostblock ist durch Ereignisse wie Budapest 1956, Prag 1968 und spätestens durch die Entwicklung in Polen in den 80er-Jahren sehr gestiegen.
Das westliche Europa unter Leitung von Washington ist für den Status quo eingetreten und hat keinerlei nachhaltige Versuche unternommen, die Demokratie auszuweiten. Das Verhalten beim Aufstand in Budapest und beim Prager Frühling sind dafür ein schlagender Beweis. Das führte zu weitergehenden Kooperationen, wie der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit (KSZE), die in den Helsinki Akten ihren Ausdruck fand und die Errichtung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ermöglichte.
Eine besondere „missionarische“ Tätigkeit der westlichen Demokratien war nicht zu verzeichnen, es sei denn, man versteht „Radio Free Europe“ darunter, wobei auch die Auseinandersetzungen über den NATO-Doppelrüstungsbeschluss, in der Bundesrepublik ganz sicher und längst bewiesen auf unterstützende Aktivitäten Moskaus zurückzuführen sind.
Natürlich hat die Wirtschaftsentwicklung des Westens, nicht zuletzt die Ergebnisse der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), einen Eindruck auf der östlichen Seite des Eisernen Vorhangs hinterlassen.
Inzwischen konnte man durch einige Fenster der elektronischen Welt sehen, wie es den Menschen dort ging. Daher war auch die Anstrengung im Ostblock, ein Visum für den Westen zu erhalten oder gar Urlaub dort zu machen, ganz wesentlich. So wurde das „Arbeiterparadies“ mit dem „Konsumparadies“ des Westens konfrontiert.
Die kommunistischen Regime versuchten mitzuhalten, was zu starken Kredit-Schulden und zu gewissen ökonomischen Abhängigkeiten führte. Das war wieder Westeuropa nicht unangenehm, weil es lukrative Investitionsmöglichkeiten gab, die man immer sehr gern nutzte – inklusive Korruption.
Bei dieser Entwicklung haben aber die Regime in Ostmitteleuropa die Wirkung auf die eigenen Bürger übersehen oder unterschätzt. Nach Ungarn oder gar nach Jugoslawien fahren zu können, war etwa in der DDR ein ungeheurer Standard. Auf eine gewisse Zeit nach Deutschland und Österreich arbeiten gehen zu können, war für viele Polen von großem Interesse.
So kamen die Länder des COMECON (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) unter Druck und unter sichtbarem Nachteil gegenüber der EWG.
Daraus entwickelten sich mit der Zeit in den einzelnen Länder Gruppen, die die Analyse der Ursachen vornahmen und Wege nach einer politischen Mitwirkung suchten.
In einzelnen Ländern entwickelten sich unterschiedliche Formen, die auf verschiedenen Situationen beruhten. So war es dem Kommunismus in Polen nie ganz gelungen, die gesamte Gesellschaft zu beherrschen. Die katholische Kirche unter Kardinal Stefan Wyszyński sowie die Universitäten hatten eine Restautonomie.
Die Tschechoslowakei wieder litt unter den Folgen der „Normalisierung“ nach dem Prager Frühling 1968. Selbst Kommunisten der ersten Stunde gingen ins Exil und blieben nicht ohne Rückkoppelungswirkung in ihr ehemaliges Heimatland.
In Ungarn war unter János Kádár eine gewisse Liberalität zu verzeichnen, weil man eine Wiederholung von 1956 vermeiden wollte. Ironischerweise hat man mir immer gesagt, dass es Ungarn deswegen besser ginge, weil die Russen die Sprache dieses Landes nicht beherrschten.
Am 4. 11. ’56 schlugen Sowjet-Truppen den Volksaufstand in Budapest brutal nieder. 180.000 Ungarn flüchteten nach Österreich.
Der Westen, auch Österreich, hat sich herzlich wenig für diese Gruppen engagiert. Ich versuchte es, wobei mir wenige Tage nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes eine Szene in Erinnerung bleibt. Ich verabschiedete mich von meinen Freunden mit der Frage: „Braucht Ihr Geld, Essen Kleidung?“ Die Antwort war: „Nein, du sollst uns nicht vergessen!“
Der Westen hat sie vergessen!
Teil 1: Interview mit Erhard Busek
Teil 2: Wie es zur Wende kam
Teil 3: Glasnost und Perestroika
Teil 4: Das Jahr 1989
Teil 5: Das Wunder von Leipzig
Bonus Material: Erhard Busek und die KURIER-Serie – backstage
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