Ich hör' auf zu rauchen: Kuss-Trauma und der Geschmack des Aschenbechers
Sein Atem befeuchtet mein Gesicht. Er ist viel zu nah. Seine heiße, feuchte Luft riecht süßlich nach Alkohol und rauchig abgestanden nach den Zigaretten, die er den ganzen Tag schon inhaliert hat. Es ist kein frischer Zigarettenrauch, der da beim Reden aus seiner Lunge in meine strömt. Der riecht anders. Dieses Kohlendioxid ist mit abgestanden Rauch versetzt.
Es ist ohrenbetäubend laut in diesem Club. Die Lautstärke macht die geografische Nähe unserer Gesichter notwendig, sonst könnte ich ihn nicht verstehen. Der Geruch macht wiederum das Gespräch fast untragbar, obwohl ich mich darauf gefreut habe.
Statt Schmetterlinge im Bauch zu bekommen, wird mir ein bisschen übel. Ich wiege immer wieder ab, ob mir der Inhalt des Gesprächs, die Geruchsbelästigung wert ist, oder ob ich mich aus Geruchsweite nach hinten lehnen und einfach freundlich lächeln soll.
Zum in mir aufsteigenden Ekel gesellt sich aber noch ein egozentrischer Gedanke, der die Situation nur schwer zu ertragen macht: "So hab ich früher gerochen?!" - "Früher" ist eine etwas übertriebene Zeitangabe und meint die Zeit bis vor gut zwei Monaten, als ich nach 15 Jahren aufgehört habe zu rauchen.
Haben sich andere Menschen bei mir auch so gefühlt? War das der Geruch, den Menschen, denen ich nahe war, mit mir in Verbindung gebracht haben?
Manche Menschen haben ein einzigartiges Parfum, das unverwechselbar für sie steht. Und ich? War das mein Odeur, alter Zigarettenrauch und Fisherman's Friend Mint?
"Sabes como un cenicero"
Eine ernüchternde Erkenntnis, die mir unangenehme Erlebnisse ins Gedächtnis bringt. Es gibt Erinnerungen, die so unangenehmem sind, dass ich alleine beim Gedanken daran vor Scham zusammenzucke und erröte. Sachen, die mir so peinlich sind, dass ich laut aufstöhne und die Erinnerung daran wegzuatmen versuche. "Tief einatmen und denk an was anderes", sage ich mir dann immer.
Eine solche Erinnerung trage ich aus meinem vergangenen Raucherinnen-Leben mit. Um ehrlich zu sein, nicht nur eine - viele Erinnerungen treiben mir die Schamesröte ins Gesicht, manche sind gar nicht so alt - aber in diesem Moment musste ich an einen ganz speziellen Abend denken. Ich werde wieder rot, beginne tief zu atmen, aber die Erinnerung daran kommt mit jedem Ausatmen meines zu nahen Gegenübers penetranter zurück.
Außen. Nacht. Ich stand nachts vor einem Lokal mit jemandem, den ich zu dieser Zeit sehr gerne mochte. Einem Nicht-Raucher, den ich im Laufe des Abends öfter alleine sitzen ließ, weil ich rauchen wollte. Schlussendlich hat das Lokal geschlossen und wir standen (endlich) schmusend vor den schon dunklen Fensterläden. Nach dem Kuss wurde ich mit einem schwer zu deutendem Blick angeschaut. "Ja, bitte?", fragte ich den Küsser. "Sabes como un cenicero" (zu Deutsch: Du schmeckst wie ein Aschenbecher Anm.) Autsch. Das war's mit unserer Romanze. Sie war kurz und peinlich.
Augen auf bei der Partnerwahl
Diese Aussage so kurz nach einem intimen Moment hat mich trotz ihres nachhaltigen Trauma-ähnlichen Eindrucks nicht vom Rauchen abgehalten. Damals. Vielmehr habe ich es mir leichter gemacht. Ich muss zugeben, dass ich künftige Zeitgenossen wohl auch nach ihrem Konsumverhalten - oder besser Rauchgewohnheiten ausgewählt habe. Ein Nicht-Raucher musste das Manko des Nicht-Rauchens anderweitig kompensieren und mich durch seine Zigarettentoleranz überzeugen.
Ich beobachte, dass ich Ähnliches auch jetzt anfange - aber eben in umgekehrter Manier. Während früher (fast) kein Nicht-Raucher infrage kam - ich wollte nicht ständig zum Nicht-Rauchen ermahnt werden oder gesagt bekommen, dass ich stinke - würde ich jetzt wohl starke Raucher ausschließen. Nicht nur, weil ich es mittlerweile grausig finde, wenn ich mit abgestandenem Rauch angehaucht werde, sondern aus gleich mehreren Gründen:
- Ich wäre verführt, rückfällig zu werden. Die Gefahr wieder anzufangen ist ungleich höher, wenn der Partner oder die Partnerin regelmäßig raucht. (Das Thema Selbstkontrolle und Verlockung habe ich wohl ausreichend behandelt.)
- Nun bin ich es, die keinen Aschenbecher küssen will. Ich finde schon den Atem meines Bekannten aus dem Club ekelerregend. Wie soll ich dann "mehr" genießen, wenn es schmeckt, wie es riecht?
- Außerdem bin ich 30 Jahre alt. Auch eine andere Kleinigkeit könnte mehr oder weniger bewusst zum Thema bei der Partnerwahl werden - auch wenn das kein akutes Thema für mich ist. Ob Männer rauchen, dürfte für viele Personen, die schwanger werden können, in meinem Alter ein Thema sein: Stichwort Fortpflanzung.
Kein Raucher wird mein Kindsvater ... vielleicht
Denn liebe Raucher mit Fortpflanzungswunsch: Ihr habt größere Schwierigkeiten bei der Zeugung und könntet kranke Babys zeugen. Das Rauchen verschlechtert eure Spermaqualität. Die Spermien von Rauchern sind kleiner und häufig weniger agil. "Außerdem enthalten sie mehr Schwermetalle und aggressive Sauerstoffverbindungen und gleichzeitig weniger Antioxidantien wie Vitamin C, die die aggressiven Sauerstoffverbindungen neutralisieren können. Das Erbgut kann durch diesen oxidativen Stress beschädigt werden", heißt es etwa auf der Website der deutschen Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
Das Sperma von Rauchern kann häufiger mit Erbgutschäden belastet sein als das von Nicht-Rauchern. "Befruchtet ein Spermium mit schadhaftem Erbgut eine Eizelle, kann in der Folge ein krankes Kind heranwachsen oder der Embryo absterben", heißt es ebenda.
Zudem deuten Studien darauf hin, dass Menschen, die unter Erektionsstörungen leiden, von einem Rauch-Stopp profitieren. Denn Nikotin beeinflusst bekanntlich die Blutgefäße und somit auch potenziell die Durchblutung des Penis.
Aber wer entscheidet dabei schon wirklich nach Vernunft? Offenbar richtig viele. Nicht ohne Grund, ist die Angabe, ob man raucht oder nicht, eine eigene Kategorie bei Dating-Plattformen. Ob nach rechts oder links gewischt wird, könnte also auch daran liegen, ob zu erwarten ist, dass man ab und an nach Aschenbecher schmeckt oder riecht und das Sperma schlechteres Material ist.
Eine Studie der Dating-App dua.com (Sample über 400.000 Menschen) hat ergeben, dass Raucher und Raucherinnen 52,7 Prozent weniger Matches erhalten als Nicht-Raucherinnen und -Raucher.
Bei der reinen Vernunft zu bleiben, ist durch die App natürlich deutlich leichter. So fallen Vernunft-trübende Faktoren wie die Chemie weg, die halt auch zwischen Nicht-Raucher:in und Raucher: in stimmen kann.
Also, auch im echten Leben stark bleiben.
Weiteratmen - und in lauten Clubs nicht mehr so viel mit Rauchern reden.
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