Ich hör' auf zu rauchen: Die erste Woche und das Ende meines Lebens

Ich hör' auf zu rauchen: Die erste Woche und das Ende meines Lebens
Seit einer Woche ist die Autorin nun rauchfrei und fragt sich, ist das Leben, wie sie es kannte und liebte, jetzt vorbei? Spoiler: Ja und Nein.
Diana Dauer

Diana Dauer

Es ist nun eine Woche her. Immer wieder zweifle ich an meiner Entscheidung. Es wäre so einfach, dem Verlangen nachzugeben. Nur ein, zwei geübte Handgriffe und das Ziehen in der Brust hätte ein Ende. Nur ein leises Nachgeben und ich hätte jemanden zurück, den ich aus meinem Leben verbannt habe: Vor sieben Tagen habe ich aufgehört zu rauchen

Und ich habe mich damit von einer Version von mir selbst verabschiedet. Das klingt unheimlich dramatisch - ehemalige Raucher und Raucherinnen aber können mich vielleicht verstehen.  Das Rauchen wird (vermeintlich) Teil der Persönlichkeit. 

Aber jetzt muss ich mich neu definieren und auch die Menschen in meinem Umfeld tun das wohl - nicht ganz freiwillig - auch. Vor allem jene, die mich rauchend kennengelernt haben oder jene, bei denen Rauchen das einzige gemeinsame Interesse war.

"Kommst du mit eine rauchen?", fragen mich Rauch-Gefährten aus vergangenen Tagen jüngst. "Nein, ich hab' aufgehört", sage ich jetzt immer schon fast entschuldigend. 

Manche nicken mir anerkennend zu, klopfen mir kumpelhaft auf die Schulter. Andere schütteln halb im Witz, halb im Ernst den Kopf, denn ich habe sie verlassen. Etliche Zigarettenpausen, intime Gespräche, gegenseitiges Trösten und gemeinsames Lachen ziehen vor meinem inneren Auge vorbei. Nur die Takte von "Time to say Goodbye" von Andrea Bocelli und Sarah Brightman fehlen, um das Drama perfekt zu machen. 

Die Realität ist weniger verkitscht. 

Mein Abnabelungsprozess von der Zigarette zum Nachlesen

Von der letzten Zigarette, dem Entschluss und warum ich mich von mir selbst verabschieden muss

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Die Unterhaltung, aus der der fast unfallartige Entschluss resultierte, mit dem Rauchen aufzuhören, ist jetzt eine Woche her. Sieben Tage ohne Zigarette – mit Aufs und Abs. 

Einige Freunde begegnen mir mit ungläubigem Stolz - das hätten Sie mir nicht zugetraut. Andere halten es für eine kurze Stimmungsveränderung, die bald wieder nachlässt. Aber ich meine es ernst. 

Und wie fürs Kochen oder Dating hab ich mir dafür eine App geholt. Wenig überraschend gibt es etliche Apps, die helfen wollen, mit dem Rauchen aufzuhören. Nach 2-minütiger Recherche habe ich eine gut bewertete Gratis-App gewählt. Die Apps können größtenteils alle dasselbe. 

Das System ist einfach: Man trägt ein,

  • seit wann man raucht
  • wie viele Zigaretten am Tag man raucht, 
  • ob man Tabak zum Selbstdrehen oder Zigaretten raucht 
  • und wie lange man mit einer Packung auskommt.

Und dann gings los mit dem Nicht-Rauchen. 

Erste Phase 

Meine App rechnet mir vor, wie viel Geld ich jeden Tag spare. Im Jahr gebe ich übrigens wohl knapp 400 Euro nur für Tabak aus. Das dürfte eine immense Untertreibung sein, wenn ich bedenke, wie häufig ich in Partynächten zusätzlich zu meinem Tabak noch Zigarettenpackerl gekauft habe, die rund 6 Euro kosten. 

In Tortendiagrammen verbildlicht sie mir, wo sich mein Gesundheitszustand schon verbessert oder genauer ein Krankheitsrisiko minimiert hat. Jeden Tag wird die Atmung und die Durchblutung des Zahnfleisches ein bisschen besser. Es gibt sogar ein Tortendiagramm, wie lange es dauert, bis der Zigaretten-bedingte Mundgeruch verschwindet. Denn der bleibt einem noch ein paar Tage erhalten - auch nach dem Rauch-Stopp. 

Jeden Tag reduziert sich mein Herzinfarkt-Risiko und mein Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken. Ernüchternd: Erst in knapp 10 Jahren ist mein Lungenkrebs-Risiko auf das einer Nicht-Raucherin gesunken. Erst in knapp 15 Jahren entspricht mein Herzinfarkt-Risiko dem einer Nicht-Raucherin. 

Und mein ganz persönliche, für viele andere fast unsichtbarerer Fortschritts-Messer: Der leichte Dippel an der linken Mittelfinger-Seite, an die meine Zigaretten vom Zeigefinger gedrückt wurden, verschwindet stetig etwas mehr. Zur Erklärung: Viele Raucher und Raucherinnen - vor allem die sogenannten Leistungsraucher, also starke Raucher und jene, die selbstgedrehte Zigaretten rauchen - entwickeln an Zeige- und Mittelfinger gelbe Nikotinreste, die sich auch durch Händewaschen nicht entfernen lassen. Manche haben sogar verfärbte Nägel. Bei mir war das nicht der Fall, ich hatte eher eine Druckstelle. 

Das Anfängerinnenglück hält nur die erste Phase

Die ersten Tage sind fast einfach, weil der frische Vorsatz mit fast abenteuerlicher Motivation daher kommt. Aber ich stoße schnell an meine eigenen Muster. Schon am ersten Tag fällt auf, wo sich der Tabak in die Tagesroutine eingeschlichen hat und jetzt fehlt: Nach dem Essen, nach der Arbeit, bei einem Drink mit Freunden, wenn ich einen Text fertig habe, oder einfach: Wenn ich dafür Zeit habe. Am Anfang kann man das bewusst wegschieben. Aber schon beim vierten Mal bröckelte meine Willensstärke.

Als ich kurz nach dem Ende meiner Raucherkarriere nach einer mehrstündigen Zugreise am Bahnhof ankomme, geht in mir ein automatisierter Prozess los: Wo hab ich den Tabak eingesteckt, wo ist mein Feuerzeug? Ich erinnere mich: Ich rauche nicht mehr. Das nervt mich. So gerne hätte ich bei der 9-minütigen Wartezeit auf die Straßenbahn eine geraucht. Ich überlege, was ich mir stattdessen gönnen kann - Hunger habe ich keinen. Aber ich will Etwas

Mir fällt ein Slogan der Anonymen Alkoholiker ein, den ich irgendwo aufgeschnappt hatte. Betroffene sagen sich: "Heute trinke ich nicht." Ich dichte es um: "Heute rauche ich nicht."

Die ersten Tage sind deswegen ertragbar, weil ich mich von Trigger-Situationen fernhalte. Ich gehe in der Arbeit bewusst nicht mit den rauchenden Kollegen vor die Türe. Ich gehe in keine Bars, trinke keinen Alkohol. 

Aber dann kommt der Geburtstag eines guten Freundes. Er wird gebührend im Wirtshaus bei Hausmannskost und Bier gefeiert – in einer illustren Rund, die mehrheitlich aus Rauchern besteht. Zu keinem Zeitpunkt des Abends sind alle am Tisch, weil ständig jemand mit dem Feuerzeug in der Hand vor die Türe huscht. Ich bestelle ein alkoholisches Getränk zum Essen und merke schon bei den ersten Schlucken: Das war ein Fehler

Um mich herum werden die Zigaretten gedreht und mit jedem Schluck steigt mein Verlangen. Zum Selbstschutz habe ich schon bei meiner Ankunft allen auf die Nase gebunden, dass ich aufgehört habe. Die Schmach, vor meinen Freunden schwach zu werden, gebe ich mir nicht. Ich bin stark und bleibe den restlichen Abend bei Wasser. Ziehe erstmals nicht mit ins nächste Lokal. Sondern gehe mit Gute-Nacht-Tee ins Bett. 

Eine Woche ist vorbei

Ist mein Leben, wie ich es kannte, nun vorbei? 

Es ist Wochenende und ich halte mich bewusst zurück, halte mich von Bars und Alkohol fern, weil ich weiß: Nichts lässt mich so gerne und so viel rauchen, wie der Konsum von Alkohol.

Ich lese diesen Text und reflektiere über meine erste Woche. Und wieder der Impuls: Ziehen in der Brust. Verlangen. Und der automatische Gedanke: : Jetzt klicke ich auf speichern und gehe eine rauchen. Dann vibriert mein Handy. Meine App sagt mir, ich habe einen neuen Meilenstein erreicht: "Gratuliere zu 100 nicht-gerauchten-Zigaretten". Heute rauche ich nicht. 

Der nächste Teil der Serie Ich hör' auf zu rauchen erscheint am 25. März auf Kurier.at.

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