Ich hör' auf zu rauchen: Im Namen der Vergänglichkeit, Amen!

Ich hör' auf zu rauchen: Im Namen der Vergänglichkeit, Amen!
Seit acht Wochen rauche ich nicht mehr. Aber liegt das wirklich an einem individuellen Entschluss oder gibt's da eine höhere Macht?
Diana Dauer

Diana Dauer

And my friends all smell like weed or little babies. Tja. Ja. Jetzt ist es passiert. Nicht nur gefällt mir ein Lied von Taylor Swift, ich kann mich tatsächlich mit einem Verse aus einem ihrer Songs (Florida ft. Florence and the Machine, Anm.) identifizieren. 

Nicht, dass meine Freunde alle illegale Substanzen rauchen. Viel eher ist das Thema, dass mein soziales Umfeld an einer Schwelle steht und einer nach dem anderen darüber springt. Noch aber krampft sich die eine Hälfte mit Müh' aber ohne Not an eine stilisierte Jugendlichkeit, raucht, trinkt, feiert und nervt mit Nachrichten bis 3 Uhr früh, ob man nicht doch noch hinkommt.

Von der anderen Hälfte hingegen bekommt man Ultraschallfotos und Save-the-Date-Karten, hält die Babys und bringt zum Treffen mit den stillenden Müttern entkoffeinierten Cappuccino mit. Statt auf Drinks in einer Bar trifft man sich am Vormittag zum Joggen oder Wandern. Das Wandeln zwischen den Welten kann natürlich fluide sein und nicht wenige springen hin und her. Ich etwa. Aber die zweite Gruppe wird größer. 

Die meisten dieser Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter sind zwischen Ende 20 und Mitte 30. Wobei hier keine Evolution von Feierantin zu "erwachsenen" Familienfrau zu einem konkreten oder kollektiven Zeitpunkt zu beobachten ist (männliche Form mitgemeint). Also nicht alle U-30 trinken und rauchen und mit schlag 30 Jahren kommen sie aus dem Larvenstadium und werden urplötzlich "brav" und "erwachsen". 

Ich kenne genug Menschen über 40 oder über 50, die die Feste feiern, wie sie nun mal fallen, die rauchen und trinken und wenig schlafen und deren innere Essenz das jugendliche Frönen ist - in jedem biologischen Alter - nur die Fältchen werden tiefer und ihr Schwung etwas kraftloser. Die älteren Jugendlichen aber bilden eine Minderheit - Ausnahme dürfte die Phase der Midlife-Crisis sein, in der viele ihre Jugend nachahmen wollen -  zumindest in meinem sozialen Umfeld.

Ungefähr in diesem Jahrzehnt zwischen 25 und 35 dürfte bei vielen eine Lebensstil- oder Fokusveränderung stattfinden. 

Mein Abnabelungsprozess von der Zigarette zum Nachlesen

Ich hör' auf zu rauchen: Aber wirklich?! Der Entschluss Ich hör' auf zu rauchen: Die erste Woche und das Ende meines Lebens Ich hör' auf zu rauchen: Woche zwei ist wie Schluss machen Ich hör' auf zu rauchen: Du gehörst zu uns Ich hör' auf zu rauchen: Wie Ostern, nur ohne Tschick

Und ich? Ich habe mit 30 Jahren aufgehört zu rauchen, ich trinke zeitweise weniger, ich mache Sport, ich esse bewusster. Ja, der ausschlaggebende Punkt für meinen Rauch-Stopp vor 8 Wochen war der Schlaganfall einer Person in meinem Umfeld. 

Aber: Schon früher hatten Leute, die ich kenne oder kannte, gesundheitliche Folgen vom Rauchen: Beinamputationen und COPD zum Beispiel. Das hat mich in meinen 20er aber auch nicht abgehalten, den Schreck durch diese Nachrichten wegzurauchen.

Was also ist passiert? Eine plötzliche Erleuchtung, eine sozial-indoktrinierte oder eine hormonell-bedingte Entwicklung?

Mit Hormonen hat das wenig zu tun. Sehr wohl aber mit Biologie. Konkret mit der Entwicklung des Gehirns. Die Wesensveränderung vieler Menschen in meinem Alter ist keine Eigenheit meiner sozialen Blase. Es lässt sich durchaus entwicklungspsychologisch erklären: "Im Jugendalter geht es um die Suche nach Identität, da wird viel ausprobiert: In Bezug auf Drogen, Sex und Weltanschauungen", erklärt Entwicklungspsychologin Ulrike Sirsch im KURIER-Gespräch. Ihr Forschungsschwerpunkt ist Entwicklung in Jugend- u. jungem Erwachsenenalter und Bewältigung des Übergangs ins Erwachsenenalter. 

Bis Mitte 20 reifen dann gewisse Bereiche im Gehirn heran, die für Selbstkontrolle zuständig sind und die damit stärker werden und ein Gegengewicht bilden zum Bereich, der auf rasche Belohnung aus ist und bereits früh voll entwickelt ist. 

Heißt kurz gesagt: In meinem Alter ist der Gedanke an die Konsequenz durch das Rauchen schlimmer, als mich die rasche Belohnung befriedigt. Als Erwachsene kann ich eher widerstehen. 

Bei mir jedenfalls war es mehr ein langsames Fallen des Groschens, bis mir bewusst wurde: Was ich mit meinem Körper tue, könnte doch Folgen haben. Es gibt einen großen Unterschied zwischen Wissen und sich wirklich über etwas bewusst sein. Ich sehe die feinen Linien um meinen Mund, die vom Ziehen/Saugen an der Zigarette kommen. Ich sehe die vergrößerten Poren in meinem Gesicht. Die sind auch 8 Wochen später nicht wieder unsichtbar. 

Im Namen der Jugend, des Alterns und der Vergänglichkeit

Ein Hoch auf die Kraft der Eitelkeit, die, wenn ich ehrlich bin, dann doch in manchen schwachen Momenten von der Zigarette abhält. Aber bei den Äußerlichkeiten bleibt das Gift nicht. Leider. Diese Erkenntnis, die nie wirklich Neuigkeit war, aber gewinnt erst mit der Zeit an Bedeutung oder Konsequenz.

Das schleichende Begreifen dauert. Wie eine Zellveränderung, die zunächst kaum bemerkbar ist, bis sie nicht mehr zu ignorieren ist. Nicht, dass die Herausentwicklung aus der Adoleszenz mit Krebs vergleichbar wäre. Aber es passiert eben auch einfach. Man kann es kaum beeinflussen. 

Ich habe das Gefühl, dass im Zuge dieses Alterns oder Älterwerdens eine Art Konvertierung stattfindet - von der Religion "Ewige Jugend" mit all ihren Bräuchen und Räucherungen zur Jüngerin der Vergänglichkeit, in der Enthaltsamkeit zum Gebot des Alltags wird, auch wenn die Sünde (alias die Zigarette) noch immer lockt.

Leider oder Gott (?) sei Dank dürften meine neuen Gehirnbereiche herangereift sein und meine Selbstkontrolle wird stärker. Aber mein Verlangen nach Belohnung ist noch nicht überwältigt. 

Also, stark bleiben. 

Weiteratmen. 

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