Ich hör' auf zu rauchen: Leichte Beute für die Industrie

Ich hör' auf zu rauchen: Leichte Beute für die Industrie
Die Tabak-Industrie will Jugendliche zu lebenslangen Süchtigen machen und ich war und bin für sie ein leichtes Opfer. Kann das Vapen eine Alternative für mich sein?
Diana Dauer

Diana Dauer

Ich bin leichte Beute. Das weiß ich. Ich lasse mich beeinflussen - nicht in Bezug auf Moral, Haltung oder Soziales. Ich denke, diesbezüglich bin ich recht gefestigt. 

Mein problematisches Thema ist eher: Ich bin ein leichtes Werbeopfer. Ob mir eine vermeintlich 45-Jährige, die in Wirklichkeit wahrscheinlich Anfang 20 ist, erklärt, welche Tagespflege mit Sonnenschutz ich für faltenfreie Haut nutzen solle, oder ob ich mit einer App für Pilates endlich die Figur bekommen dürfte, die ich immer haben wollte. Ich bin manchmal leicht zu verführen. Selektive Naivität, nenne ich das. 

Aus Selbstschutz versuche ich über eindeutige Werbung hinwegzuscrollen, halte mich auch größtenteils von Social Media fern. (Zum klaren Nachteil meiner popkulturellen Allgemeinbildung und zum Schock meiner jüngeren und gleichaltrigen KollegInnen). Aber das gelingt natürlich nicht immer. 

Tatsächlich erwische mich dabei, wie ich mich von bestimmten Werbungen einlullen lasse. Das gelingt besonders in Momenten, in denen ich unaufmerksam bin. Etwa, wenn ich müde doch mal durch Social Media scrolle und beim körperformenden Body, dann doch auf "Mehr erfahren" klicke (ich konnte mich vom Kaufen abhalten) oder eben, wenn ich als trockene Nikotin-Süchtige (ja, ich habe vor 12 Wochen mit dem Rauchen aufgehört und bin bisher nicht ganz über den Berg), vermeintlich "coole" Menschen beim vapen sehe. Ist das Vapen etwa eine Option für mich?

Als aktive Raucherin habe ich E-Zigaretten aus Prinzip abgelehnt. "Wenn ich rauche, dann richtig", dachte ich völlig idiotisch. So als würde ich mir etwas auf Teer, Tabak und Schadstoffe - und das Feuer natürlich -  einbilden. Als wäre das Toxische und die Glut, etwas, dass mich "härter" macht. 

Und E-Zigaretten/Vapes mit ihren Wassermelonen- oder Zuckerwatte-Geschmack sind quasi die "lächerliche" Alternative zur "echten" Zigarette für "un-echte" RaucherInnen. Das ist natürlich völliger Blödsinn, aber: E-Zigaretten waren eben einfach nicht "cool". Denn an einem Elektrogerät mit Lithium-Ionen-Akku zu nuckeln, das mehr aussieht, wie ein Reise-Fieberthermometer und dann feuchten, nach chemischer Wassermelone oder Strawberry-Cheesecake riechenden Dampf auszuatmen, war nicht "cool". 

Mein Abnabelungsprozess von der Zigarette

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Wassermelone und Gangster-Rap

So habe nicht nur ich gedacht. Deswegen hat wohl die Tabak-Industrie auf Influencer und ach so harte und männliche Gangster-Rapper, wie Haftbefehl und 187 Straßenbande und wie sie alle heißen gesetzt.  Wenn die Symbole des Regelbruchs und dem vermeintlichen Straßenkind-Image (Streetcredability) White Peach vapen, dann wäre ich beim vapen doch auch nicht weniger "cool"... 

Den Gedanken bestätigt mir auch die Wirtschaftspsychologin Julia Pitters im Gespräch. "Die Werbeträger müssen zum Produkt passen. Und Rapper stehen gegen den Mainstream. Sie haben das wilde Image, etwas anders zu machen", sagt Pitters, deshalb seien sie für Rauch-Produkte gute Werbeträger. Die Strategie stünden in alter Werbetradition: Nur sei es nicht mehr die stinkende Zigarette, die cool ist, sondern die nach Kaugummi riechende, vermeintlich gesündere Alternative zu herkömmlichen Tabakprodukten. Sie stehen für einen Lifestyle, in dem man sich was gönnt. 

"Zudem kann man aus allem einen Trend machen und man kann jedes Produkt aufladen. Das sieht man auch daran, dass plötzlich Socken in Sandalen ein Hype sind", sagt die Expertin. 

Kurz zusammen gefasst: Ein vapender Rapper wie Haftbefehl, ist auch nichts anderes als der altbekannte Marlboro Man.

Es haben sich nur die Methoden verändert. 

Im Übrigen ist es ebenfalls Blödsinn, dass E-Zigaretten nicht gesundheitsschädigend seien. Ja, liebe VaperInnen, auch Vapes sind Organ-schädigend. 

Aber die Werbung funktioniert. Wenn ich mich in den typischen leichtsinnigen Rauch-Situationen (mit Alkohol, in Gesellschaft ...), wiederfinde, dann fällt mir der Vape (egal welcher Geschmack) ein. Wäre das nicht eine gute Alternative? Das ist doch weniger schädlich ... Dann könnte ich doch zumindest, zum After-Work-Drink und auf Feiern ... zumindest "inhalieren"? Und so uncool ist es doch auch nicht mehr, schließlich vapen doch jetzt auch alle Deutschrapper, wie Haftbefehl und 187 Straßenbande ..., denke ich dann stupide, wohl einfach, weil ich irgendetwas rauchen will. Ich kenne nicht mal einen Track der vapenden, werbenden Rapper. 

Aber wieso bin ich so ein Opfer für Produkte der Tabak-Industrie? Ich frage nicht nach der Sucht-Komponente. Über meinen Süchtigen-Status bin ich mir bewusst. 

Die Antwort ist einfach und birgt doch das pure Böse: Die Tabak-Industrie versucht einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge alle möglichen Tricks, um Teenager so jung wie möglich süchtig zu machen. Dazu gehöre vor allem E-Zigaretten in bunten Farben fast wie Spielzeug zu vermarkten, berichtete die WHO am Donnerstag in Genf.  

Das traf auch auf mich zu: Als ich als Teenagerin mit dem Rauchen begonnen habe, griff ich nicht gleich zu den Zigaretten, die ich danach jahrelang geraucht habe. Auch nicht zum parfümfreien Tabak für meine Selbstgedrehten, der über weitere Raucherjahre Teil meiner Fixausstattung wurde. Ich habe Pink Elephant und Black Devil geraucht. Das waren, wie der Name erahnen lässt, pinke und schwarze Vanille-Zigaretten, deren Filter auch noch mit einer Schicht überzogen waren, sodass meine Lippen nach dem Rauchen pick-süß schmeckten. Noch eine Vanilla-Coke dazu und der verbotene Zuckerschock in der Freistunde war perfekt. 

Teenager sind leichte Opfer, ich bin es noch heute

Damals waren es süße, pinke Zigaretten mit harmlosen Elefanten auf der Verpackung, heute sind es Vapes, die nach Obst und Süßigkeiten schmecken. "Kinder sind eine heikle Zielgruppe, weil sie noch keine gefestigte Meinung zur Gefahr von Nikotin haben, und die Geschmacksrichtungen ganz klar Kinder ansprechen wollen", sagt Pitters. Vergleichbar sei das mit den klebrigen Alcopops, die wohl jede und jeder von uns (ab einem gewissen Jahrgang) aus seiner Jugend kenne. 

Zugespitzt gesagt: Ich bin also (auch) durch klebrige, nach Zuckerl-schmeckende Zigaretten zur hoffentlich-nicht-lebenslangen-, aber-zumindest-Jahrzehnte-langen Süchtigen geworden. 

Die Skrupellosigkeit der Tabak-Industrie und meine jugendliche Dummheit, die sich bis in meine 30er gezogen hat, macht mich so wütend, ich würde am liebsten eine rauchen gehen.  

Aber das gönne ich den Bösen nicht. 

Also stark bleiben. 

Weiteratmen.

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