Berlin Tegel wird zur Smart City

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Wo bislang Flugzeuge abhoben und landeten, wird künftig daran gearbeitet, die Welt zu retten. Berlin Tegel wird zum Forschungspark für die Klimawende und zur smarten Mustersiedlung der Zukunft.

Du warst klein und hast Großes geleistet. Du warst unser Tor zur Welt. Mit diesen Botschaften haben sich die Berliner am 8. November nach 72 Jahren von ihrem Flughafen Berlin Tegel verabschiedet. Manche sind extra noch einmal angereist, um wehmütig dem allerletzten Abflug nach Paris beizuwohnen und den zum Anlass rot beleuchteten Tower zu fotografieren. Die sozialen Medien waren voll von großen Gefühlen für den zu klein gewordenen Flughafen, begleitet vom zigfachen „Danke TXL“-Hashtag, der sogar auf der digitalen Anzeige des Shuttlebusses prangte. Der Flughafen im Retro-Design war für viele ein Sehnsuchtsort geworden, an dem die Zeit still zu stehen schien. Doch jetzt stehen die Zeichen auf Neuerung. Auf dem Areal soll das Tegel Projekt entstehen – ein Forschungszentrum für nachhaltige Technologien und ein Wohnquartier, das als Modell für die Stadt von morgen antritt.

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Mehr als 10.000 Menschen sollen künftig in der smarten Mustersiedlung der Zukunft wohnen.

Protzsymbol der Zukunft

The Urban Tech Republic nennt sich der neue Industriepark, der in seiner Ausrichtung weltweit einzigartig ist. Große und kleine Unternehmen werden hier gemeinsam mit Studierenden daran forschen, wie die Welt zu retten ist. Denn die wachsenden Metropolen des 21. Jahrhunderts brauchen innovative Modelle und Ansätze, wenn sie auch in Zukunft bestehen wollen, sagt der wissenschaftliche Think Tank des Projektes, das vom Land Berlin in Auftrag gegeben wurde.

„In den nächsten 40 Jahren werden wir mehr Stadt bauen als in den letzten 4.000 Jahren. 70 Prozent der Weltbevölkerung werden dann auf 3 Prozent der Erdoberfläche leben. Das zu organisieren, ist eine echte Herausforderung“, heißt es in der Broschüre der Tegel Projekt GmbH. Dafür brauche es neue Lösungen für Mobilität, für Energie und für Ressourcen sowie intelligente Systeme, die diese Lösungen möglich machen. Urban Technologies lautet der Oberbegriff für all diese Forschungsgebiete, in die hier künftig investiert wird.

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Das Energiesystem der Smart City basiert auf einem Marktplatz für thermische Energie.

In den nächsten 40 Jahren werden wir mehr Stadt bauen als in den letzten 4.000 Jahren. 70 Prozent der Weltbevölkerung werden dann auf 3 Prozent der Erdoberfläche leben.

von Tegel Projekt GmbH, Stadtentwickler

Angewendet werden die im Forschungspark gewonnenen Erkenntnisse gleich direkt in der Nachbarschaft. Das Schumacher Quartier, das ebenfalls auf dem Areal Berlin Tegel entsteht, soll zur smarten Mustersiedlung der Zukunft werden. Mehr als 10.000 Menschen leben hier künftig in ressourcenschonend erbauten Wohnungen und werden mit klimaneutraler Energie versorgt. Die hier wohnenden Fortschrittsberliner werden neue Modelle der Mobilität erproben, das Internet der Dinge im Alltag testen und sich im biodiversen Landschaftspark naherholen. Ihre beneidenswert gute CO₂-Bilanz könnte das Zeug zum Protzsymbol der Zukunft haben.

Partizipative Stadtentwicklung

In den wabenförmigen Terminal, der für viele Berliner als erweitertes Wohnzimmer galt, ziehen künftig die Studierenden der Beuth Hochschule ein. Insgesamt soll es am Campus TXL bis zu 5.000 Studienplätze geben. In den rund 1.000 Unternehmen des Innovationsparks werden an die 20.000 Menschen beschäftigt sein und in den Wohnquartieren sollen über 9.000 Wohnungen entstehen.

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Am Campus TXL soll es bis zu 5.000 Studienplätze geben.

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An die 20.000 Menschen werden in den Unternehmen des Forschungsparks beschäftigt sein.

Das Ausmaß des neuen Stadtentwicklungsgebietes in zentraler Lage ist enorm. Es umfasst eine Fläche von fünf Quadratkilometern, was in etwa fünf Prozent des Stadtgebietes von Paris entspricht.

Das Megaprojekt mit dem Zukunftsanspruch entstand in einem partizipativen Planungsprozess. In die Diskussion um die Zukunft des Flughafengeländes war die Öffentlichkeit von Anfang an miteinbezogen und konnte sich in Standortkonferenzen konstruktiv einbringen.

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Berlins neuem Megaprojekt ging ein partizipativer Planungsprozess voraus.

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Auf fünf Quadratkilometern soll die Stadt der Zukunft entstehen.

In einem Werkstattverfahren mit sechs international besetzten Teams aus Architekten, Stadt- und Landschaftsplanern entstand die Idee für den Innovationspark. Es wurden Vorschläge erarbeitet, die anschließend mit Experten, Verwaltung und Vertretern der Öffentlichkeit weiterentwickelt wurden.

Vom Konsumenten zum Prosumenten

Bislang existiert das Zukunftsprojekt Tegel lediglich am Papier, doch der Campus im Herzen des Innovationsparks wurde bereits 2016 mit einem Platin-Vorzertifikat der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) ausgezeichnet. Der klimafreundliche Holzbau soll in einem Innovationscluster auf industrielles Niveau gebracht werden. Damit sollen die Kosten gesenkt und das konventionelle Bauen endgültig abgelöst werden. 

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Nachhaltiges Bauen wird einer der zentralen Forschungsbereiche in Berlin TXL sein.

Das LowExergy-Netz, auf dem das Energiekonzept der Smart City basiert, wird in der geplanten Größenordnung weltweit einzigartig sein. Es basiert auf einem digitalisierten Marktplatz für thermische Energie, der je nach Bedarf Räume mit Wärme oder Kälte versorgt. Der passive Energiekonsument hat damit ausgedient. In der Stadt von morgen wird er zum Prosumenten, der sowohl Energie verbraucht als auch erzeugt.

Die Entwicklung des Gesamtprojekts erfolgt in vier Bauabschnitten und soll bis 2040 abgeschlossen sein.

Mit diesem hoffnungsvollen Zukunftsprojekt dürften die Berliner den wehmütigen Abschied von ihrem geliebten Tegel gut verkraften. Wen dennoch die Sehnsucht plagt, der kann sich zum Beispiel bei Cramer Design Loft in Charlottenburg Original-Inventar des Flughafens aus den 1970er-Jahren besorgen. Eine Sitzgruppe aus dem Terminal in knalligem Gelb-Orange bringt das nötige Flughafen-Flair nachhause.

Text: Gertraud Gerst Bilder: Tegel Projekt GmbH

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