Die Stadtregierung schmückt sich gern mit dem Agrarstandort Wien. Nun gibt es sogar eine eigene Wiener Bio-Marke. Die Realität der städtischen Landwirtschaft ist aber nicht allzu rosig
Das noble Schwarz erinnert ein wenig an eine Kaffeepackung. Tatsächlich handelt es sich aber um Bio-Weizenmehl Typ 700 (glatt) von „Wiener Gusto“. So heißt die neue Marke, unter der künftig Bio-Produkte aus den stadteigenen landwirtschaftlichen Betrieben verkauft werden.
Mit ihren rund 2.000 Hektar Acker- und Weinflächen gehört die Stadt Wien zu den größten Bio-Betrieben Österreichs. „Bis dato wurde die Ernte jedoch immer an den Großhandel verkauft“, sagt Umweltstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ). Ab Sommer werden die Bio-Produkte mit dem Wiener Stadtwappen auch für die Endkunden vertrieben (Details dazu siehe unten).
Das neue Projekt passt nur zu gut in die Strategie, die die Stadtregierung seit einigen Jahren verfolgt: Gerne weist allen voran Bürgermeister Michael Ludwig bei jeder Gelegenheit auf die Leistungsfähigkeit der Wiener Landwirtschaft hin. Etwa, dass die „Gurken-Hauptstadt“ Wien 65 Prozent des österreichischen Gurkenbedarfs produziert. Das kommt gut an in Zeiten, in denen Klimaschutz und kurze Transportwege oberstes Gebot sind.
Ziemlich einzigartig
Insgesamt werden in Wien 5.700 Hektar Fläche landwirtschaftlich genutzt. Damit steht Wien im Vergleich zu anderen Metropolen tatsächlich ziemlich einzigartig da. Das gilt insbesondere für die Weinproduktion – mit ihrem internationalen Aushängeschild, dem „Wiener Gemischten Satz“.
Die beeindruckenden Eckdaten können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch in Wien die Landwirtschaft massiv unter Druck steht. Verfügten im Jahr 2007 die landwirtschaftlichen Betriebe in Wien (inklusive Forstbetriebe) noch über knapp 26.000 Hektar, ist die Fläche bis 2016 auf 18.200 geschrumpft, geht aus den Daten der Statistik Austria hervor.
Etwas besser ist die Lage beim Weinbau, wo die Fläche mit 637 Hektar in den vergangenen Jahren relativ konstant geblieben ist. Insgesamt ist aber die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe deutlich zurückgegangen und liegt derzeit bei 577.
Wohnbau vs. Anbau
Zu dem Strukturwandel, der auch in anderen Bundesländern die Landwirtschaft betrifft, kommt in Wien noch dazu: Das enorme Wachstum der Stadt (auf die die Stadtpolitik nicht weniger stolz ist) geht auch auf Kosten der bisherigen Anbauflächen am Stadtrand.
Eine Entwicklung, auch vor Traditionsbetrieben nicht Halt macht. Das prominenteste Beispiel: Die Gärtnerei Ganger in der Donaustadt, die – neben ihren eigenen – auch Flächen im Besitz der Stadt Wien bewirtschaftet. Die Stadt will sie aber lieber für Wohnbau nutzen, was das Aus für den Traditionsbetrieb bedeuten würde. (Der KURIER hat berichtet)
Entwicklungsplan
Während allen voran die Wiener ÖVP gebetsmühlenartig vor der weiteren Vernichtung landwirtschaftlicher Flächen (auch im Sinne des Klimaschutzes) warnt, beschwichtigt man im Rathaus: „Der Rückgang der Agrarflächen ist in Wien geringer als in anderen Regionen Österreichs“, sagt Ludwig.
Czernohorszky verweist wiederum auf den sogenannten Agrarstrukturellen Entwicklungsplan der Stadt, der seit dem Jahr 2004 im Einsatz ist. Darin sind 81 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Wiens als „Vorranggebiet Landwirtschaft“ definiert, das zu erhalten ist. Es handelt sich vor allem um großflächige Gebiete. Nächstes Jahr soll eine aktualisierte Version des Plans kommen.
Für Franz Windisch, Präsident der Wiener Landwirtschaftskammer, ist der Plan durchaus ein probates Instrument, den Bodenverlust einigermaßen zu bremsen. Er ortet aber zahlreiche „Friktionen“, die sich im engen Nebeneinander von Landwirtschaft und Wohngebieten ergeben. „Werden am Stadtrand die typischen Wohnsilos errichtet, fehlt es meist an genügend Grünraum für die Bewohner. Als Erholungsgebiet dienen dann landwirtschaftliche Flächen“, schildert Windisch. Dagegen sei an sich nichts einzuwenden, wenn die Benutzung mit Maß und Ziel erfolge.
Das sei aber nicht immer der Fall. Deshalb musste man zuletzt auf Tafeln darauf hinweisen, dass Hunde anzuleinen und Weinberge keine Picknick-Plätze seien.
Trotz aller Bemühungen rechnet aber auch Windisch mit einem weiteren Rückgang der Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Wien. Zu schaffen würden den Wiener Bauern auch die Auswirkungen des Klimawandels machen. „Es fehlt an Niederschlag und die Hitze sorgt sogar beim Anbau in den Glashäusern für Probleme.“
Nicht gerade die besten Voraussetzungen also für die städtischen Landwirte. Die gute Nachricht: In den vergangenen Jahren sind neue Betriebe dazu gekommen, wie der oberste Standesvertreter berichtet. Mutige Jungunternehmer vor allem, die sich in Nischen wie Imkerei oder Pilzzucht breitmachen. Praktischerweise ist in diesen Fällen auch der Bodenbedarf gering.
Kommentare