Wiener Stadtgartendirektor: "Wir haben 580 Bäume durch das Unwetter verloren"
Die Regenmassen vor zwei Wochen haben bei den Bäumen in Wien große Schäden hinterlassen. Ein Gespräch mit Stadtgartendirektor Rainer Weisgram über die künftige Positionierung.
Seit fast 20 Jahren ist Rainer Weisgram der Chef der Wiener Stadtgärten (MA 42). Ein Unwetter wie Mitte September hat er bisher aber noch nicht erlebt.
KURIER: Das Unwetter hat auch die Wiener Parks stark getroffen. Wie sieht die Schadensbilanz aus?
Also das war schon ein einmaliges Ereignis. Unsere Gärten und unsere Stadt sind relativ sturmerprobt. Aber diesmal haben diese riesigen Regenmengen die Böden aufgeweicht und aufquellen lassen, wodurch die Bäume ihre Statik verloren haben. Am Sonntagnachmittag sind die ersten Meldungen hereingekommen, dass die Bäume komplett umstürzen. In der Nacht auf Montag haben wir dann damit begonnen, die Parkanlagen zu sperren. Am Ende dieser Misere war es dann so, dass wir 580 Bäume in ganz Wien durch Baumstürze verloren haben. Danach waren wir mit Hunderten Mitarbeitern in 1.000 Parkanlagen, um die Baumschäden zu beseitigen. Jeder Baum wurde von einem Sachverständigen kontrolliert. Besonderes Augenmerk wurde auf die Wurzelräume gelegt, weil das die kritische Zone war.
Einige Parkabschnitte sind noch immer gesperrt. Warum?
95 Prozent der Parkanlagen sind wieder sicher im Betrieb. Es gibt aber Bereiche, wo noch nachgearbeitet werden muss. Im Prater zum Beispiel oder entlang des Donaukanals im dritten Bezirk. Bei diesen Bäumen liegt noch etwas vor, das nicht die hundertprozentige Sicherheit gewährleistet. Es kann sein, dass die Baumkontrolleure im Wurzelbereich Risse entdeckt haben, weshalb nicht sicher ist, ob der Baum standfest ist oder nicht. Es kann aber auch sein, dass der Baum noch entfernt werden muss.
Werden die 580 verlorenen Bäume nachgepflanzt?
Natürlich. Die Stadtgärtner und Stadtgärtnerinnen sind nicht die Baummörder, sondern wir sind die Baumerhalter und die Baumpfleger. Auch wenn wir in Wien immer wieder dafür kritisiert werden, wenn wir Baumrodungen genehmigen oder genehmigen müssen, weil es dem Gesetz entspricht. Jeden Baum, den wir wegnehmen müssen, ersetzen wir am gleichen Standort.
Rainer Weisgram
Seit November 2005 ist Rainer Weisgram der Chef des Wiener Stadtgartenamtes (MA 42). Bereits 1979 begann Weisgram beim Stadtgartenamt zu arbeiten, zunächst als Saison-Arbeiter ab 1984 als Referent
Unwetter
Während des Unwetters Mitte September wurden alle Parks in Wien gesperrt. Mittlerweile sind fast alle wieder geöffnet. Einige Ausnahmen gibt es etwa im Prater
187 Bäume
sind bei dem Unwetter teilweise beschädigt worden. Weitere 580 mussten komplett entnommen werden. Sachschäden gab es bei 22 Gebäuden und 27 Fahrzeugen. Personenschäden wurden keine gemeldet
XL-Bäume
XL-Bäume sind bis zu 30 Jahre alt und werden bis zu zehn Mal verschult. Sie haben einen besonders großen Kronenumfang und einen Stammumfang von 40 bis 60 Zentimeter
Die Lösung dieses Problems ist, genug Wurzelraum zu schaffen. Wenn der Baum nämlich in einer engen Baumscheibe steht und der Sturm kommt, ist die Statik anders, als wenn ich dem Baum die Möglichkeit gebe, den Untergrund der neben ihm liegenden Flächen zum Wurzeln zu nutzen. Nur die Stadt ist eben so, wie sie jetzt ist, über Jahrhunderte gewachsen. Und wir haben erst vor zehn Jahren begonnen, dieses Bewusstsein zu schaffen, was der Baum in der Stadt braucht. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, als Straßen gebaut wurden, und das, was übrig war, durften die Stadtgärtner bepflanzen. Jetzt ist es eigentlich genau umgekehrt, dass die Straßenbauer uns fragen, was wir brauchen.
Die Stadtbäume müssen künftig aber nicht nur Unwetter aushalten, sondern auch längere Hitzeperioden. Was braucht es dafür?
Wir bedienen ein Straßenbaumsortiment. Das sind etwa 30 Bäume, die gut mit Stadtsituationen wie großer Hitze, Abstrahlung, Abgase usw. umgehen können. Dieser Katalog ist ein dynamisches Werk. Das heißt, wir arbeiten nicht zwanzig Jahre mit den gleichen Bäumen, sondern es werden immer wieder neue Baumarten, die sich geeignet zeigen, in das Sortiment aufgenommen. In den vergangenen zwei Jahren haben wir zum Beispiel die Ulmen und die Erlen aufgenommen. Den Ginkgo und die Hainbuche haben wir hingegen herausgenommen. Wenn wir im Jahr etwa 4.000 bis 4.500 dieser Bäume aus dem Katalog pflanzen, dann schaffen wir einen schönen Austausch. Von herkömmlichen Baumarten auf stadtresiliente Baumarten.
Der Kastanie geht es in der Stadt nicht gut. Dennoch wird es laut Ihnen immer Kastanien im Prater geben. Kann man das in Zeiten wie diesen noch sagen?
Es ist unser absolutes Ziel. Weil die Kastanie im Prater ist etwas Traditionelles, Historisches. Auch wenn wir dort Bäume austauschen, werden immer wieder weiße Kastanien gesetzt. Und auf die muss man dann auch schauen. Das Problem der Kastanie ist bekanntlich die Miniermotte, die die weiße Kastanie angreift, aber nicht die rote. Das heißt, der Plan B ist, dass wir rote Kastanie, also eine andere Art setzen. Aber selbst das wollen wir nicht, weil die weiße Kastanie einfach Tradition hat.
Auch der Klimawandel macht der Kastanie zu schaffen. Ist die Pflege nicht aufwendig? Die Kombination der Miniermotte mit dem Klimawandel ist eine sehr, sehr schwierige. Aufwendig ist die Pflege ebenfalls, weil dieses Mittel gegen die Miniermotte viermal jährlich ausgebracht wird. Aber für so traditionelle Örtlichkeiten muss man den Aufwand auf sich nehmen. Und man darf nicht immer und überall alles über das Ökonomische rechnen.
Des Öfteren wird Kritik laut, dass es nach einer Begrünung nicht grün genug ist. Was sagen Sie dazu?
Geduld ist eine Tugend. Auch ein Mensch, der auf die Welt kommt, ist erst einmal klein. Und so muss man das auch bei den Pflanzen sehen. Der Vorteil ist, dass die Natur schneller wächst. Wenn ich einen Baum setze, braucht er vier Jahre, bis er sich etabliert. Von da an geht es aber schnell.
Um das Wachstum zu beschleunigen, wird in den vergangenen Jahren immer wieder auf XL-Bäume gesetzt. Was bringen die?
Diese Bäume sind nicht nur bei uns in der Stadt und von der Politik ein sehr, sehr gefragtes Mittel, weil sie sehr schnell Effekte erzielen. Unsere Erfahrung ist allerdings, dass ein kleinerer Baum einen größeren innerhalb von fünf Jahren einholt und dann in der weiteren Entwicklung stabiler und verlässlicher ist. Die XL-Bäume brauchen sehr lange, bis sie sich etablieren. Das ist natürlich das, was Auftraggeber nicht so gerne hören. Und auch der Preis potenziert sich. Der Baum selbst, die Logistik, die Lieferung, die Geräte, die man braucht, um einen XL-Baum zu pflanzen, all das ist kostspieliger. Vorsichtig würde ich sagen, das Fünffache von einem kleineren Baum. Der Vorteil des XL-Baumes ist aber natürlich der schnelle Effekt.
Woher kommen die Bäume, die in Wien gepflanzt werden?
Wir betreiben eine städtische Baumschule in Mauerbach. Dort ziehen wir 18.000 Bäume heran. In Wien pflanzen wir jährlich etwa 4.000 Bäume aus. Davon sind zwei Drittel aus der eigenen Baumschule, und ein Drittel wird über Ausschreibungen erwirkt. Zugekauft wird dann, wenn bestimmte Baumarten in einer größeren Zahl benötigt werden oder wenn es ganz besondere, ausgefallene Bäume sein sollen. Die kommen dann aus Baumschulen aus Deutschland, Belgien oder Italien.
Palmen wollen Sie in Wien aber keine haben?
Zumindest solange ich in Wien etwas sagen darf, wird es das nicht geben, obwohl es aufgrund des Klimawandels wahrscheinlich schon möglich wäre. Im öffentlichen Raum sehe ich aber unsere Aufgabe als Stadtgärtner, authentisch zu bleiben. Ich werde so lange wie möglich im auf Laubgehölze setzen.
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