Nichts erfrischt bei einem Sommerspaziergang in der Stadt mehr als ein Päuschen unter einem schattigen Baum. Diejenigen, die am Neuen Markt unterwegs sind, müssen sich heuer aber etwas anderes überlegen. Denn mitten im August kann man sich hier nur unter kahle Platanen stellen.
Erst vergangenes Jahr pflanzte die Stadt am Neuen Markt die sechs 25 Jahre alten XL-Bäume, wie sie von der Stadt selbst genannt werden. Dabei handelt es sich um großkronige Bäume mit bis zu 60 Zentimeter Stammumfang. Echte Schattenspender eben – wenn sie Blätter tragen würden.
Denn bereits vergangenen August warfen die neu gepflanzten Platanen zum ersten Mal ihr Laub ab. Damals hieß es von den Wiener Stadtgärten (MA 42), dass es sich um eine natürliche Reaktion auf die Hitze handeln würde. Die Bäume hätten noch kein ausreichendes Wurzelsystem ausgebildet, um sich mit genügend Wasser zu versorgen. „Ab dem zweiten Standjahr sollte es keinen Blattabwurf mehr geben“, so eine Sprecherin damals.
Grünanteile
49 Prozent der Gesamtfläche Wiens sind Grünland und Gewässer. Der Bezirk mit dem kleinsten Grünanteil ist mit 1,9 Prozent die Josefstadt. Der Bezirk mit dem größten Grünanteil ist mit 70,7 Prozent Hietzing
4.500 neue Bäume
pflanzen die Wiener Stadtgärten jährlich. Insgesamt gibt es eine halbe Million Bäume in Wien
Prater
Der Prater ist die größte Anlage der Wiener Stadtgärten. Rund 75.000 Bäume stehen hier – viele davon sind Rosskastanien. In anderen Gebieten der Stadt werden keine Kastanien mehr gepflanzt
XL-Bäume
Das sind großkronige Bäume mit einem Stammumfang von bis zu 60 Zentimeter. Rund 8.000 Euro netto kostet ein Baum. Die Einbauarbeiten sind darin nicht enthalten
Neuer Markt
Sechs dieser 25 Jahre alten XL-Bäume wurden vergangenes Jahr im Rahmen der Neugestaltung des Neuen Marktes gepflanzt. Mitten im August sind diese nun kahl
Der Blick in die Gegenwart zeigt aber ein gänzlich anderes Bild. Schon zum zweiten Mal seit der Pflanzung fehlen den Bäumen die Blätter.
Bewässerungspanne
Zurückzuführen sei das heuer auf eine Bewässerungspanne: „Aufgrund von Wassereintritt in der Tiefgarage wurde leider die gesamte Wasserversorgung für ein paar Tage außer Betrieb genommen, wodurch auch die Bewässerungsanlage der Bäume am Neuen Markt betroffen war“, so die Stadtgärten.
Nachdem das bekannt geworden ist, habe man sofort begonnen, mit Gießfahrzeugen zu bewässern. „Trotzdem haben die Bäume aufgrund des exponierten Standortes und der Hitze sofort mit Laubfall reagiert“, so eine Sprecherin.
Dass die Bäume in der Stadt – auch abseits von Bewässerungspannen – durchaus ihre Probleme haben, ist längst kein Geheimnis mehr. Vor allem die Klimaveränderung stellt eine Bedrohung dar.
„Die Kombination aus Hitze und Trockenheit, die für die Bäume teilweise stressigen Standorte und verschiedene Krankheiten führen zu einer erhöhten Sterblichkeit“, bestätigen die Österreichischen Bundesgärten.
Pilz befällt Ahornbäume
Erst Anfang Juli mussten in Hietzing 30 Ahornbäume aufgrund der – auch für den Menschen schädlichen – Rußrindenkrankheit gefällt werden. 15 im „Stadtwäldchen“ in der Gallgasse Ecke Bergheidengasse und weitere 15 in der Nähe des Hietzinger Bades. Etwas gänzlich Neues ist diese Baumkrankheit nicht. In Floridsdorf oder der Donaustadt habe man das schon öfter beobachtet. „Dass der Pilz jetzt aber in der Nähe des Wienerwaldes auftritt, ist neu“, so Alexander Mrkvicka, Experte von der MA 49 (Klima-, Forst- und Landwirtschaftsbetrieb).
Die Rußrindenkrankheit wird durch Hitze und Trockenheit in Kombination mit feuchten Wetterperioden begünstigt. Sprich: Jahrelange Hitze und Trockenheit stressen die Ahornbäume. Kommen dann – so wie heuer – nasse Perioden dazu, können sich die Pilze entwickeln. „Das ist eine klassische Klimawandelgeschichte. Und ich fürchte, dass es weitergehen wird“, sagt Mrkvicka. Bestimmte Ahorn-Sorten werden in der Stadt deshalb kaum Zukunft haben, so die Prognose.
Hitzetolerante Bäume
Nicht umsonst haben die Wiener Stadtgärten in den vergangenen Jahren ein „Straßenbaumsortiment“ erarbeitet. Darin enthalten sind Bäume, die den Stressfaktoren Hitze, Verkehr oder Bodenversiegelung gewachsen sind. Das Sortiment besteht aus 25 Baumsorten, von denen 19 besonders hitzetolerant sind. Als Beispiele genannt sind der „Lederhülsenbaum“, der „Blasenbaum“ oder die „Orientalisch Kegelförmige Platane“.
Um aber zu vermeiden, dass schon gepflanzte Bäume ihre Blätter abwerfen, ergreift die Stadt auch hier Maßnahmen. Zum einen sorgt ein weißer Stammanstrich bei Jungbäumen für Schutz vor Sonne und Frost. Zudem werden die Bäume drei Jahre lang mindestens einmal – während Hitzeperioden zweimal – wöchentlich händisch gegossen.
Und das scheint nicht ohne Wirkung zu bleiben. In der Zollergasse zum Beispiel sind die im November 2021 gepflanzten XL-Bäume gut angewachsen – und halten ihre Blätter. Ebenso im Prater. Auch wenn Kastanien – wie sie in der Hauptallee stehen – an anderen Standorten nicht mehr angepflanzt werden. Ihre Hitzeresistenz sei zu niedrig, so die Stadtgärten. Zu schnell würden sie ihre Blätter verlieren.
Ähnlich wie die Platanen am Neuen Markt. Ganz verloren ist die Hoffnung hier aber noch nicht. Noch heuer sollen sie wieder ergrünen. Zumindest wenn es nach den Wiener Stadtgärten geht.
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