Wiener Innenstadt: "Der Autoverkehr funktioniert nicht mehr gut"
Sein Bezirk zählt nur rund 16.500 Einwohner – langweilig wird Markus Figl dennoch nicht. Der ÖVP-Politiker ist seit 2015 Bezirksvorsteher in der Inneren Stadt, die seit jeher auch im Zentrum politischer Debatten steht.
Der Bezirk lebt von und mit (und leidet unter) den Touristen. Er ist – nicht erst seit Corona – Schauplatz von Demonstrationen. Die geplante Verkehrsberuhigung sorgt für Aufregung unter den Geschäftsleuten. Figl selbst hat der Verhüttelung – der Verbauung des öffentlichen Raums durch Standln und Schanigärten – den Kampf angesagt. Mit dem KURIER spricht er über die aktuellen Herausforderungen.
KURIER: Immer mehr Händler beklagen die schlechten Bedingungen in der Inneren Stadt – sie erzählen von hohen Energiepreisen und Demos, fürchten die Verkehrsberuhigung. Wie schlecht geht es Ihrem Bezirk?
Markus Figl: Wir leben in einer Zeit der multiplen Krisen, das macht auch vor der Inneren Stadt nicht Halt. Hinzu kommt bei uns im Bezirk der hohe Nutzungsdruck. Das fällt nach Corona, wo die Stadt plötzlich gar nicht lebendig war, noch stärker auf. Da sehen wir nun viele Themen, bei denen wir etwas tun müssen. Nicht nur bei den Demonstrationen, die die Innere Stadt abschnüren, sondern auch bei den Touristen. Da müssen wir mit der Stadt Lösungen finden.
Sie haben schon vor Längerem einen Maßnahmenplan zum Tourismus gefordert. Wie könnten denn konkrete Lösungen aussehen?
Wir sind in gutem Austausch mit dem Wien Tourismus. Der ist mit seiner Strategie, den Tourismus stärker aus dem Blickwinkel der Bewohner zu sehen, auch auf dem richtigen Weg. Seit einigen Jahren hat sich eine Form von Massentourismus ausgebreitet, der in der Stadt nichts hinterlässt – außer Problemen.
Aber welche Maßnahmen würden Sie gerne in der Praxis setzen? Was kann man tun, um Gäste von den Sehenswürdigkeiten der Inneren Stadt fernzuhalten?
Fernhalten werden wir niemanden können, das muss man ehrlich sagen. Das wollen wir auch nicht. Einfluss nehmen können wir über die Werbestrategie des Wien Tourismus. Also: Wen sprechen wir überhaupt an? Wer soll überhaupt zu uns nach Wien kommen? Da hat uns der Wien Tourismus zugesagt, stärker auf Qualitätstourismus, also den Kultur- und Konferenztourismus, zu setzen. Und dann muss man stärker aufzeigen, dass Wien auch außerhalb der Inneren Stadt viel Sehenswertes zu bieten hat.
Welche Sehenswürdigkeiten außerhalb der City würden Sie mir als Gast empfehlen?
An der Donau haben wir eine breite Vielfalt an Erholungsmöglichkeiten, Wien hat tolle Parks, den Donauturm, den Zentralfriedhof. Da fällt mir vieles ein.
Sie forcieren gemeinsam mit der Stadtregierung die Verkehrsberuhigung. Viele Geschäftsleute bangen um ihre Kunden. Bereuen Sie es schon, an diesem Projekt so aktiv mitzuwirken?
Ich habe ambivalente Erfahrungen. Da gibt es Personen, die mir E-Mails schicken und schreiben, dass sie sich
die Verkehrsberuhigung wünschen. Wenig später lese ich von ebendiesen Menschen in den Medien, dass sie vehement gegen das Konzept seien. Man muss sich schon entscheiden, was man will. Und: Man kann natürlich jedes Projekt schlechtreden. Ob uns das weiterbringt, sei dahingestellt. Ich erinnere mich, als die Fußgängerzonen in Mode kamen – und alle das Ende des Handels heraufbeschworen haben. Passiert ist nichts davon.
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Sie können den Unternehmen versichern, dass die Ängste unbegründet sind?
Ich nehme die Bedenken ernst. Aber wenn wir alle an einem Strang ziehen, werden wir gute Lösungen finden. Ich will die Innere Stadt so gestalten, dass sie nachhaltig und langfristig funktioniert. Und der Autoverkehr funktioniert schon seit Langem nicht mehr gut. Auf mein Betreiben arbeiten wir mittlerweile mit der Wirtschaftskammer Wien an einem Garagenleitsystem, das Menschen weiterhin ermöglicht, stressfrei in die Innere Stadt zu kommen. Die Wirtschaft wird von der Verkehrsberuhigung auch profitieren. Etwa, weil der Zulieferverkehr besser funktioniert. Oder, weil wir öffentliche Flächen noch attraktiver gestalten können.
Bis zu 100 Dauerbewilligungen für Schanigärten laufen aus, das Traditionslokal „Eisgrotte“ verliert so alle Plätze im Freien.
Die Bewilligung von Schanigärten ist Angelegenheit der Verwaltungsbehörde. Anders als früher gibt es klare Regelungen seitens der Stadt, die entscheiden, wo ein Schanigarten stehen kann. Wenn es da Härtefälle gibt, tut mir das leid. Aber ich sage auch: Man kann nicht zuerst Regeln aufstellen – und dann immer Ausnahmen machen.
Sie sind hörbar ein Freund klarer Regeln.
Schanigärten stehen im öffentlichen Raum. Da müssen für alle die gleichen Spielregeln gelten. Sehr oft kommen Unternehmer zu mir und erklären mir, dass sie gegen eine Entscheidung den Rechtsweg beschreiten – und denken, das sei eine geeignete Drohung. Ich bin selbst Jurist und kann nur sagen: Den Rechtsweg zu beschreiten, steht jedem offen. Trotzdem gibt es klare Regeln.
Wie gefällt Ihnen die Kontextualisierung des Lueger-Denkmals, das künftig leicht schräg gestellt werden soll?
Es wegzuräumen, hätte ich falsch gefunden. Wer Lueger entfernt, entfernt sich von der Geschichte. Ich finde es wichtiger, sich mit ihr auseinanderzusetzen – mit Licht und Schatten. Zu zeigen, dass wir erkannt haben, dass wir das Wirken Luegers kritisch beäugen müssen, finde ich richtig.
Sie sind Präsident der ÖVP-Stadtakademie, gelten als Vordenker und sind firm in ideologischen Belangen. Wie gefällt Ihnen der Kurs der Wiener ÖVP – etwa mit Blick auf das Thema Migration? Hat Ihnen das Brunnenmarkt-Video gefallen?
Ich habe eine klare Verantwortung. Und die ist, Bezirksvorsteher der Inneren Stadt zu sein. Zu Themen, die andere Bezirke betreffen, äußere ich mich nicht. Klar ist, dass die Landespartei gegenüber der SPÖ auf Oppositionskurs ist.
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Und ist der Kurs, den die Wiener ÖVP da eingeschlagen hat, der richtige?
Ich konzentriere mich auf die Innere Stadt.
Sie sitzen in allen wichtigen Gremien der Landespartei. Wenn Ihnen der Oppositionskurs gefällt, könnten Sie auf meine Frage auch einfach „Ja“ sagen.
Ich mache gerne intern meine Anmerkungen, wenn ich gefragt werde.
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