Ferry Maier: "Wiener ÖVP macht Politik wie in den 70ern"

Ferry Maier
Der ehemalige ÖVP-Nationalratsabgeordnete übt harte Kritik an dem Kurs der Wiener Türkisen und vermisst konstruktive Lösungsvorschläge.

In der Wiener ÖVP rumort es gewaltig. In einem eilig einberufenen Parteipräsidium soll heute ein neuer Landesgeschäftsführer gewählt werden, der KURIER berichtete. Markus Keschmann, der bisher diesen Posten innehatte, ist seinen Job los.

Neu eingesetzt werden soll Peter Sverak. Der bisherige Kommunikationschef der Wiener ÖVP zeichnet unter anderem für die umstrittene Video-Kampagne verantwortlich, in der Parteichef Karl Mahrer massive Kritik am Brunnenmarkt übt.

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Die harte Linie von Mahrer sorgt seit Wochen für Kritik unter den Funktionären, allerdings nur unter der Hand. Einer, der nun offene Worte findet, ist der langjährige ehemalige ÖVP-Abgeordnete und politischer Stratege Ferry Maier. Es ist nicht das erste Mal, dass er mit seiner Partei nicht einer Meinung ist. 2012 trat er als Nationalratsabgeordneter zurück, weil er sich in der "freien Rede im Klub beschränkt" fühlte.

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KURIER: Wie beurteilen Sie den derzeitigen Kurs der Wiener ÖVP?

Ferry Maier: Sie befindet sich auf dem Weg zurück in die Vergangenheit.

Würden Sie das präzisieren?

Es wird nur darüber geredet, was in Wien nicht passt, so wie in den 1970er-Jahren. Damals plakatierte die ÖVP „Diese Stadt ist krank“, heute schickt Wiens Partei-Chef Karl Mahrer seine Funktionäre aus, um Unterschriften „Für ein besseres Wien“ zu sammeln, setzt aber dabei seine ganze politische Kraft nur dafür ein, um zu sagen, was schlecht beziehungsweise nicht normal ist - siehe Brunnenmarkt. Frei nach Bill Clinton: Wenn man einen anderen schlecht macht, wird man selbst um nichts besser.

Kann man damit politisch nicht punkten?

In den 70ern hatte die ÖVP in Wien zwischen 10 und 15 Prozent. Dort ist sie laut Umfragen mittlerweile wieder. Daher empfehle ich einen Kurswechsel.

Was sollte man anders machen?

Ich habe von der Gruppe rund um Karl Mahrer noch nie einen konstruktiven Lösungsvorschlag gehört oder was man sich für eine Stadt in 20 Jahren wünscht. Wo soll man sich sozial- oder kulturpolitisch hin entwickeln? Anstatt die regierende SPÖ herauszufordern, macht man die gleiche Politik wie Herbert Kickl oder Dominik Nepp. Wien ist eine Weltstadt, da kann man nicht immer nur über Sicherheit und Kopftuch reden.

Worüber sollte man stattdessen sprechen?

Etwa über den Stillstand in der Wohnbauarchitektur. Unter Bürgermeister Helmut Zilk gab es noch Impulse, Stichwort Hundertwasserhaus. Hier vermisse ich Innovation. Betriebsansiedlung wäre ebenfalls ein Thema, mit dem man sich mehr beschäftigen sollte. Wien als Universitätsstadt hätte die Chance, Silicon City zu werden, daher sollte es eine stärkere Verknüpfung zwischen Wirtschaft, Politik und Wissenschaft geben.

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