Rechtsruck am Dr.-Karl-Lueger-Platz: Denkmal wird um 3,5 Grad gekippt

Rechtsruck am Dr.-Karl-Lueger-Platz: Denkmal wird um 3,5 Grad gekippt
Nach anhaltenden Protesten steht nun fest, wie das Lueger-Denkmal am Stubenring dauerhaft kontextualisiert wird: Lueger wird um 3,5 Grad nach rechts gekippt. Der Entwurf ist aus 2010.

3,5 Grad. Das ist, wenn man kurz hinschaut, vielleicht am ehesten so zu erklären: ein bisserl schief.

Um diese 3,5 Grad wird das Denkmal des einstigen Wiener Bürgermeisters Karl Lueger am Stubenring demnächst nach rechts gekippt. Der Entwurf für diese dauerhafte künstlerische Kontextualisierung stammt von Klemens Wihlidal. Er hat sich mit dem Projekt – Titel: „Schieflage (Karl Luger 3,5°)–  gegen zwölf andere Künstlerinnen und Künstler in einem Wettbewerb durchgesetzt.

➤ Mehr dazu lesen Sie hier: Lueger-Denkmal in Wien wurde mit schwarzer Farbe beschüttet

Mit der Kür von Wihlidals Projekt ist fürs Erste ein Schlussstrich gezogen unter eine Debatte, die sich seit 14 Jahren zieht (siehe Chronologie rechts). Erste Proteste gegen das Lueger-Denkmal gab es im Jahr 2009. Die Universität für angewandte Kunst schrieb damals einen internen Wettbewerb für die künstlerische Kontextualisierung des Denkmals aus. Lueger, der nicht nur Modernisierer der Stadt war – Stichwort: Hochquellleitung – sondern auch glühender Antisemit, sollte ein Gegengewicht bekommen. Wihlidals Entwurf ging damals als Sieger hervor.

Rechtsruck am Dr.-Karl-Lueger-Platz: Denkmal wird um 3,5 Grad gekippt

Die Bronze-Figur Luegers stammt von Nazi-Künstler Josef Müllner. Bald wird sie gekippt

Für die Jury des aktuellen internationalen Wettbewerbs habe der Entwurf von damals „nichts an Aktualität eingebüßt“, heißt es im Medienstatement der Stadt. „Die minimale formale Irritation erweist sich in der Stadt als starkes Zeichen“, argumentiert die  Jury konkret. Die „visuelle Pointe“ erschließe sich auch ohne Vorinformation.

2009

Open Call zur Kontextualisierung des Lueger-Denkmals  der Universität für angewandte Kunst. Der Entwurf von Klemens  Wihlidal, der  Lueger  um 3,5 Grad nach rechts neigt, setzt sich im März 2010 durch

2019, 2020, 2021

Immer wieder wird gegen das Denkmal protestiert. Es wird beschüttet, mit dem Wort „Schande“ besprüht, Kloschüsseln werden darauf montiert

Juni 2022

Holocaust-Überlebe verfassen einen offenen Brief an Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und  fordern die Entfernung des Denkmals. Unter ihnen Nobelpreisträger Eric Kandel

Oktober 2022

Gemeinsam mit KÖR (Kunst im öffentlichen Raum) lädt die MA 7 (Kultur) 15 Künstlerinnen und Künstler zum Wettbewerb ein. 13 Projekte werden eingereicht.   Und: Die temporäre Kontextualisierung „Lueger temporär“ von Nicole Six und Paul Petritsch wird präsentiert

Mai 2023

Die Jury  wählt Klemens Wihlidals „Schieflage (Karl Lueger 3,5°)“ für die permanente Kontextualisierung aus

19. bis 23. Juni 2023

Ausstellung aller eingereichten Entwürfe in der Wiener Planungswerkstatt (1., Friedrich-Schmidt-Platz 9)

Herbst 2023

Abbau von „Lueger temporär“

Die Kontextualisierung  ist das, was Kultur-Stadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) haben wollte. Sie sprach sich stets – gegen die Stimmen von Expertinnen und Experten – gegen die Entfernung des Denkmals aus.  Genauso wie der Bezirksvorsteher der Inneren Stadt Markus Figl (ÖVP), der es für ein „falsches Signal“ hielte, „diesen Teil der Geschichte zu entfernen.“

Wunsch nach Entfernung

Damit steht die Argumentation  Kaup-Haslers und Figls diametral zu den Wünschen der jüdischen Bevölkerung Wiens: Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) hat sich wie die jüdische Hochschülerschaft stets gegen eine Kontextualisierung und für eine Entfernung  des Denkmals ausgesprochen. IKG-Präsident  Oskar Deutsch sprach sogar von „Entsorgung.“ Für Victoria Borochov, Präsidentin der jüdischen österreichischen Hochschüler:innen, ist der Entwurf „ein Schlag ins Gesicht für die Betroffenen von Antisemitismus“.

Der schiefe Lueger soll ab 2024 auf dem Lueger-Platz stehen. Bis dahin wird das Denkmal abgebaut, von den Protestschriftzügen gereinigt und saniert. Dann, sagt Künstler Klemens Wihlidal, „steht es wieder zur Verfügung“. Wohl auch für Protestaktionen aller Art.

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