„Am Ende des Tages wird es darauf hinauslaufen müssen“, sagt ein Sprecher des Stadtrats zum KURIER. Andernfalls sei eine vierte Welle mit Einschränkungen bis hin zu neuerlichen Lockdowns nicht zu verhindern.
60 Prozent sind zu wenig
Das würden Modellrechnungen zeigen: Bei einer Impfquote von 60 Prozent sei mit einer „ordentlichen Welle“ zu rechnen. 80 Prozent hingegen würden ausreichen, um eine Delta-Welle zu verhindern. Ziel müsse daher sein, „so nah wie möglich an die 80 Prozent heranzukommen“. In Wien sind aktuell 53,5 Prozent der Gesamtbevölkerung vollimmunisiert. Bundesweit sind es derzeit knapp 56 Prozent.
Der Wunsch nach der 1G-Pflicht in Gastronomie, Kultur und Sport sei übrigens aus den betroffenen Branchen selbst an Hacker herangetragen worden, heißt es. Die Unternehmer hätten schlicht „Angst vorm Zusperren“ und hätten sich darum gemeldet. „Und wir würden das unterstützen“, sagt der Sprecher.
Zu den Gastronomen, die Hackers Vorstoß unterstützen, zählen große Namen wie Martin Ho und Hans Figlmüller, Chef des gleichnamigen Schnitzel-Imperiums: „Die 1G-Regel kann zwar zu einer noch größeren Spaltung der Gesellschaft führen, aber es wird leider darauf hinauslaufen“, sagt Figlmüller. Auch aus der Nachtgastronomie wurde der Wunsch nach einer Verschärfung an Hacker herangetragen.
Nur geimpfte Skilehrer
Nicht nur in Wien melden sich Unternehmer zu Wort: Die Angst vor dem Ausfall einer weiteren Wintersaison hat zuletzt, wie berichtet, Tiroler Hoteliers darüber nachdenken lassen, ab Herbst nur noch geimpfte (bzw. genesene) Gäste aufzunehmen.
Der Österreichische Skischullehrerverband kündigte am Montag an, nur geimpfte Teilnehmer für Skilehrerausbildungen zuzulassen. Man empfiehlt zudem „allen Skischulen, nur geimpfte Schneesportlehrer einzustellen, um den Gästen größtmögliche Sicherheit zu gewähren“.
Ähnlich sehen das Thermenbetreiber: „Die Stimmung der geimpften Gäste geht in die Richtung, dass sie es positiv sehen, wenn sie unter ihresgleichen sind“, sagt Gernot Deutsch, Sprecher der steirischen Therme. Schon jetzt weisen 95 Prozent der Gäste einen Impfnachweis vor. „Für mich ist so eine Regelung vorstellbar, aber es braucht dazu gesetzliche Maßnahmen.“
Hier kommt die Landespolitik ins Spiel: Die steirische Landesregierung schloss sich am Montag dem Vorstoß Hackers an: Für Sport- oder Kulturveranstaltungen, Kinobesuche oder in der Nachtgastronomie müsste künftig die Impfung Voraussetzung sein. „Nur die Impfung schützt. Wer sie nicht hat, kann nicht mehr auf den Sportplatz gehen, nicht in die Oper, nicht in die Disco“, sagt Landeschef Hermann Schützenhöfer (ÖVP). Außerdem sollten Corona-Tests für jene, die als impffähig gelten, nicht länger gratis sein: Schützenhöfer stellt sich einen Kostenbeitrag in der Höhe der Rezeptgebühr – 6,50 Euro – vor.
Ähnliche Stimmen kommen aus Kärnten: „Maßnahmen für Nicht-Geimpfte werden unumgänglich sein“, sagt Gesundheitsreferentin Beate Prettner (SPÖ). Einen Alleingang wollen die Steiermark und Kärnten allerdings keinen, die Maßnahmen müssten bundesweit akkordiert sein. In Tirol, Vorarlberg, Niederösterreich und Oberösterreich sieht man das ähnlich. Im Burgenland hält man Verschärfungen nicht für nötig.
Mückstein zögert
Auch Hacker will mit einem Alleingang (noch) abwarten. Bis 31. August – da läuft die aktuelle Verordnung aus – hätte der grüne Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein Zeit, bundesweit strengere Regeln zu erlassen.
Dafür sieht es aber eher schlecht aus. Die neue Verordnung solle „in den kommenden Tagen“ vorgelegt werden, heißt es. Und Mückstein betonte bereits, dass es ihm „zu früh“ sei, um über den Hacker-Vorstoß zu diskutieren. Auf Nachfrage erklärte er am Montag, dass die epidemiologische Lage laufend evaluiert werde. Man schärfe nach, wenn es notwendig sei.
Seit Montag gilt die neue Regel, dass man das „G“ für „geimpft“ erst ab Vollimmunisierung erfüllt (siehe Infobox). Das trifft auf fünf Millionen Menschen in Österreich zu, 400.000 fehlt der zweite Stich. Weitere 2,5 Millionen theoretisch „impfbare“ über 12-Jährige (ausgenommen jene, die aus gesundheitlichen Gründen nicht können) hatten noch gar keinen Stich.
Und was, wenn das von Hacker (und vielen Experten) befürchtete Szenario der vierten Welle eintritt? Ist es da noch vertretbar, Geimpfte mit einem Lockdown gleichermaßen einzuschränken wie Ungeimpfte? Verfassungsexperten halten eine Differenzierung für zulässig: Jede Einschränkung durch den Staat muss gut begründet werden. Bei Geimpften fällt der Grund (bis auf ein Rest-Risiko) weg.
Mückstein: „Derzeit ist es für mich zu früh, auf breiter Basis zwischen Ungeimpften und Geimpften zu unterscheiden.“ Nachsatz: „Wir müssen aber anfangen, eine Diskussion darüber zu führen.“
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