Wien-Wahl: Hitzige Debatte in der KURIER-Elefantenrunde

Wien-Wahl: Hitzige Debatte in der KURIER-Elefantenrunde
Unter der Moderation von Chefredakteur Martin Gebhart und stv. Chefredakteur Christoph Schwarz stellten sich die Politiker den wichtigsten Fragen vor dem Urnengang am 27. April.

Die Bundeshauptstadt wählt am 27. April. Dabei geht es in erster Linie um den Bürgermeister, der seit bald sieben Jahren Michael Ludwig heißt und von der SPÖ kommt. Daneben geht es um die Mehrheiten in Gemeinderat und Landtag, die auch bestimmen, ob eine Koalition nötig ist und wer dafür überhaupt infrage kommt.

 Der KURIER hat vor dem Urnengang die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten zur TV-Elefantenrunde in die Wiener Urania gebeten. Durch das KURIER live Gespräch führten Chefredakteur Martin Gebhart und der stellvertretende Chefredakteur Christoph Schwarz. Die Aufzeichnung der Live-Diskussionsrunde können Sie hier nachsehen:

Bildung, Bildung, Bildung...

Die KURIER-Elefantenrunde drehte sich zunächst recht emotional um das Thema Bildung.  Vizebürgermeisterin Bettina Emmerling verteidigte die Politik ihres Vorgängers, Christoph Wiederkehr. Man habe nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine „von einem Tag auf den anderen 4.000 Kinder mehr in Wien gehabt. Die Familienzusammenführung habe 400 Kinder im Monat mehr gebracht: Das sind 20 Klassen oder ein Schulbau pro Monat, die wir gebraucht haben, um sie zu integrieren.“

"Wir haben jedes Jahr 120 Schulklassen gebaut"

SPÖ-Klubchef Josef Taucher sprang ihr bei: Die Krise in der Wiener Bildung habe 2015 begonnen: „Wir haben jedes Jahr 120 Schulklassen gebaut, um die Infrastruktur bereitzustellen.“ Man habe rund 100 Ganztagesschulen ausgebaut. Kritik übte er an der Bundesregierung: „Wenn man Deutschförderkräfte kürzt und dann auf Wien zeigt, ist das ein bisschen genant.“

"Die Eltern sind in die Pflicht zu nehmen"

FPÖ-Chef Dominik Nepp verwies auf die zahlreichen außerordentlichen Schüler in den ersten Klassen: “Viele von ihnen sind in Wien geboren, haben den Kindergarten besucht und viele können nicht Deutsch.“ Die FPÖ fordert eine Sprachstandsfeststellung im Alter von drei Jahren. Falls diese nicht ausreichend sei, brauche es einen „verpflichtenden Deutschkurs gemeinsam mit den Eltern – denn es hakt ja im Elternhaus.“ Bei Integrationsverweigerung müsse man auch Sozialleistungen streichen. „Es geht nicht, dass man die Last der Integration in die Schule verlagert. Die Eltern sind in die Pflicht zu nehmen.“  

"Für 1.700 Schüler gibt es eine Schulsozialarbeiterin"

Die Grüne Spitzenkandidatin Judith Pühringer will zwar keine verpflichtenden Deutschkurse, kritisierte aber die Wiener Bildungspolitik hart: „45 Prozent der Volksschülerinnen können nicht ausreichend Deutsch und davon waren 80 Prozent zwei Jahre in Wiener Kindergärten.“ Statt der angekündigten 470 Schulsozialarbeiter gebe es erst 70: „Für 1.700 Schüler gibt es eine Schulsozialarbeiterin.“ Sie forderte für jeden Kindergartenstandort eine Deutschförderkraft.

"...sonst verlieren wir noch eine zweite Generation"

Auch ÖVP-Chef Karl Mahrer sieht das Problem des mangelnden Spracherwerbs „ganz stark im Kindergarten. Acht von zehn Kindern könnten nicht rechnen und schreiben. Das führe zur höchsten Jugendarbeitslosigkeit in Mitteleuropa: „Wir müssen jetzt im Kindergarten ansetzen, sonst verlieren wir noch eine zweite Generation.“

Grätzelpolizei für Orte wie den Yppenplatz

Beim Kapitel Sicherheit ließ die Grüne Spitzenkandidatin aufhorchen: „Es gibt nicht ausreichend Polizisten in Wien", sagte Pühringer. "Wir brauchen sie vor allem deshalb, weil ich mir ein Wien wünsche, wo sich alle Menschen sicher fühlen können, vor allem Mädchen und Frauen." Allerdings brauche es ausgebildete Kräfte, die Communities gut kennen - in Form von Grätzelpolizisten, etwa für den Yppenplatz: "Den kann man nicht sich selbst überlassen."

"...Afghanen- und Syrerclans"

"Wien hat ein enormes Sicherheitsdefizit", befand FPÖ-Mann Nepp: "Jeder, der hier im Raum sitzt, spürt, wie sich Wien seit 2015 verändert hat." Es gebe "Plätze in Wien, wo Afghanen- und Syrerclans herumhängen." - an der Stelle gab es Applaus im Publikum. Dazu seien der Polizei die Überstunden gestrichen worden und viele Polizisten ließen sich ins Umland versetzen, weil die Arbeit so gefährlich geworden sei. 

Die ÖVP will eine Stadtwache einführen

Ex-Polizist Mahrer konterte, die FPÖ sei "keine Sicherheitspartei, sie glaubt es nur". Natürlich brauche es mehr Kräfte: "Ich fordere auch 1.500 Polizisten mehr. Aber ich fordere auch eine Stadtwache: Die kontrollieren Alkoholverbot und kümmern sich um die Parks."

Emmerling plädierte für "Lichtpfade, wo subjektives Sicherheitsempfinden betroffen ist". Die Kriminalstatistik sinke zwar, aber das subjektive Sicherheitsempfinden sinke in Wien ebenfalls. 

Die City mit weniger Verkehr, aber mehr Kameras?

Und das Thema Verkehr? Hier drehte sich viel um die videoüberwachte, verkehrsberuhigte Innenstadt. „Das ist ein Schritt für mehr Lebensqualität in der Stadt“, so Taucher, der sich von der ehemaligen Grünen Verkehrsministerin Leonore Gewessler im Stich gelassen fühlt, die dies gesetzlich nicht ermöglicht habe. Aus „Datenschutzbedenken“, konterte Pühringer, die den Ball weiterspielte: “Die STVO-Novelle wurde von der ÖVP blockiert.“

Emmerling will ebenfalls die Innenstadt verkehrsberuhigen – mit Kameraüberwachung: „Wir wollen vor allem den Lieferverkehr, den Handwerkerverkehr nicht belasten.“

"Die Wirtschaft ist echt am Krachen"

Nepp sieht in den Plänen vor allem eine Schikane: „Die Wiener Wirtschaft ist echt am Krachen. Und jetzt will man durch eine einzelne Maßnahme die Wiener Innenstadt weiter drangsalieren.“ Und wenn man die Innenstadt verkehrsberuhigen wolle: „Warum nicht Fahrverbotstafeln? Ihnen geht es um die Überwachung“, behauptet er. „Jetzt geht es darum, dass jeder fotografiert wird beim Rein- und Rausfahren.“ (Zwischenruf aus dem Publikum: „In London funktioniert das sehr gut!“). Er ortet im Übrigen auch ein Milliardengrad im öffentlichen Verkehr. 

Taucher, der Nepp konstant duzte, erklärte daraufhin: „Du wirkst wie ein Gruftie. Siehst nur Tote und Gräber.“

Das Pferd Lobautunnel

Apropos Tote: Den Lobautunnel sieht die Grüne Pühringer als "totes Pferd" und "völlig aus der Zeit gefallen". SPÖ-Mann Taucher verwies darauf, dass man nicht alle Lücken mit Öffis schließen könne. "24 Prozent der Menschen, die motorisiert sind, haben kein Ziel und keine Quelle – die fahren durch." 

Mahrer betonte: "Die Nordostumfahrung wird kommen." Und an Pühringer: "Tun Sie nicht immer Straßenbahnen als Lückenschluss für den Straßenverkehr ausgeben.“

Am Gespräch nehmen teil:

  • Josef Taucher  (SPÖ) (der Klubchef im Gemeinderat vertritt den SPÖ-Spitzenkandidaten, Bürgermeister Michael Ludwig)
  • Karl Mahrer (ÖVP)
  • Judith Pühringer (Die Grünen)
  • Bettina Emmerling (NEOS)
  • Dominik Nepp (FPÖ)

Worum geht es bei der Wien-Wahl?

Die Abkürzung „Wien-Wahl“ steht für die Wiener Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen. Gewählt wird also sowohl der Wiener Gemeinderat als auch die 23 Bezirksvertretungen – und zwar beides am selben Termin. Da die Bundeshauptstadt Wien auch ein eigenes Bundesland ist, üben ihre Organe auch gesetzgeberische und Verwaltungsfunktionen auf Landesebene aus. Der Gemeinderat ist also zugleich auch Landtag, der Stadtsenat übt auch die Funktionen der Landesregierung aus, der Bürgermeister ist zugleich auch der Landeshauptmann. Der Gemeinderat setzt sich aus 100 Personen zusammen und ist fünf Jahre im Amt.

Der Wiener Bürgermeister sowie der Stadtsenat, also die Stadtregierung werden anschließend vom Gemeinderat – in der ersten Sitzung der Funktionsperiode  – gewählt.

Die Wiener Bezirke im Porträt

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Was sagen die Umfragen?

Laut Analyse von PolitPro schneiden die Parteien nach der Sonntagsumfrage am 06. April 2025 wie folgt ab:

  • SPÖ: 39,0 Prozent
  • FPÖ: 22,7 Prozent
  • Grüne: 11,9 Prozent
  • ÖVP: 10,4 Prozent
  • NEOS: 9,0 Prozent
  • KPÖ: 4 Prozent
  • Team HC Strache: 1,8 Prozent

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