Wien-Simmering: Warum die FPÖ im Wahlkampf auf grüne Themen setzt

Paul Stadler war der erste und bisher einzige Bezirksvorsteher der FPÖ in Wien
Klimaschutz ist das Kernthema der FPÖ. Das kennt man normalerweise anders, das ist klar. Aber bei der Simmeringer FPÖ ist das nun einmal so. Die Bezirkspartei zieht heuer mit klassischen grünen Themen in die Wien-Wahl am 27. April. Und hat damit gar keine schlechten Chancen, den Bezirk zurückzuerobern.
Simmering war nämlich schon einmal blau. 2015 landete die FPÖ mit 41,76 Prozent ganz knapp vor der SPÖ (40,83 Prozent) und stellte mit Paul Stadler den ersten und bisher einzigen blauen Bezirksvorsteher der Stadt. In den Wirren nach dem Ibiza-Video und der Spesenaffäre ging diese Bastion 2020 zwar wieder an die SPÖ verloren. An die Zeiten, als er „Geschichte geschrieben“ hat, will Stadler heuer aber wieder anknüpfen.
Bodenversiegelung
Es handelt sich also um ein Duell um Simmering.
Und Stadler steigt mit dem eigentlich FPÖ-fremden Thema Bodenversiegelung in den Ring. Konkret geht es um das Stadtteil-Entwicklungsprojekt Kaiserebersdorf. Am südöstlichen Stadtrand sollen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten unter anderem Wohnungen gebaut werden. Schließlich ist die Bevölkerung allein in Simmering seit 2002 um 33.358 Menschen angewachsen.

Das Projekt "Kaiserebersdorf" soll auf dieser Wiese im Weichseltalweg starten - allerdings frühestens in drei Jahren
Paul Stadler ist das Projekt dennoch ein Dorn im Auge: „Ich bin nicht gegen das Bauen oder dagegen, Platz für Wohnraum schaffen. Ich bin aber ein Gegner des zusätzlichen Flächenverbrauchs, solange es bereits versiegelte Flächen gibt, die man bebauen könnte.“ Konkret stößt er sich also daran, dass grüne Wiese zu Wohnbauten werden soll. „Wir haben ja noch viel Grün, jetzt geht es darum, das zu schützen. Sonst wird es irgendwann wie in den Innenbezirken, wo sie um jeden Baum kämpfen.“
5.000 Wohnungen geplant
Bei der Stadt sieht man das ähnlich. Allerdings sei in Simmering „eine gewisse Dynamik erkennbar“, heißt es bei der MA 21 (Stadtteilplanung und Flächennutzung). „Kaiserebersdorf ist im Übergang von Wien zu Niederösterreich ein wichtiges Bindeglied“, sagt Bernhard Steger, der Leiter der Magistratsabteilung. Geplant sei deshalb, innerhalb der kommenden zehn bis fünfzehn Jahre 5.000 Wohnungen – aufgeteilt auf vier Bereiche – zu bauen. „Dieses Potenzial sehen wir hier, das ist gut verträglich. Mehr ist aber auch nicht notwendig“, sagt Steger. Begonnen werden soll mit dem Bau frühestens in drei Jahren am Weichseltalweg. „Alles andere sind nachgelagerte Bereiche. Wir werden eines nach dem anderen machen“, so Steger.
Dass aber nicht zuerst an die Öffi-Anbindung der zu erschließenden Gebiete gedacht wurde, ist für Stadler der zweite Kritikpunkt an dem Projekt. „Die U-Bahn endet im ersten Drittel des Bezirks. Bevor ich hier Wohnungen baue, müsste ich eigentlich nachdenken, wohin ich die U-Bahn verlängern könnte“, sagt Stadler.
Die Stadt hat sich erst kürzlich damit beschäftigt: Wie der KURIER berichtete, sieht der Stadtentwicklungsplan 2035 vor, eine mögliche U3-Verlängerung Richtung Kaiserebersdorf zu prüfen – allerdings erst innerhalb der nächsten zehn Jahre. Paul Stadler, 68, fasst das zusammen: „Eine U3-Verlängerung erlebe ich nicht mehr.“
Weniger Straftaten als im Wien-Schnitt
Doch weg von Bodenschutz und Öffi-Ausbau. Wie sieht es in Simmering mit Migration und Sicherheit aus? Den eigentlich klassischen FPÖ-Themen?
Darauf angesprochen erklärt Stadler, dass Gewalt nicht das primäre Thema in Simmering sei. Es gebe zwar „Rivalitäten zwischen Migranten in Parks“. Aber erstens „gehen die Österreicher da sowieso nicht mehr hin“ und zweitens sei die Polizei in Simmering gut aufgestellt. Ein Blick in die Statistik offenbart: Die Straftaten pro 1.000 Einwohner liegen in Simmering mit 70,53 tatsächlich unter dem Wien-Schnitt (83,91).

Ein Teil der Simmeringer Hauptstraße soll umgestaltet werden
Bezirksfläche
Der 11. Bezirk ist 23,3 groß. Davon sind 43 Prozent Grünland, 28 Prozent Verkehrsflächen, 23 Prozent verbaute Flächen und 6 Prozent Landwirtschaft
Bezirksvertretungswahl 2020
Die SPÖ landete im Jahr 2020 mit 41,49 % vor der FPÖ (28,44 %)
8 Parteien treten heuer an
Die SPÖ, die FPÖ, ÖVP, Grüne Neos, KPÖ, Team HC Strache, SÖZ
Viel schwerwiegender ist laut Stadler die Thematik, dass Simmering unattraktiv werde. „Ich höre oft, dass Leute sagen, dass sie nicht mehr in Simmering leben wollen.“ Früher habe es auf der Simmeringer Hauptstraße zahlreiche Boutiquen gegeben, heute sind es Dönerbuden.
Kein Platz zum Verweilen
Sieht man sich die wahlberechtigte Bevölkerung im Bezirk aber an, liegt Simmering im Wien-Durchschnitt. 36 Prozent der Menschen sind hier bei den anstehenden Gemeinderatswahlen nicht wahlberechtigt, Wien-weit sind es 35 Prozent. Und ein Blick auf die Simmeringer Hauptstraße offenbart auch, was sie tatsächlich ist: eine Durchzugsstraße, die nicht wirklich zum Verweilen einlädt.
Das soll sich künftig aber ändern. Der Abschnitt zwischen Litfaßstraße und Zippererstraße soll künftig umgestaltet werden, eine Anrainerbefragung hat bereits stattgefunden. Das allein werde aber nicht reichen, sagt der amtierende Bezirksvorsteher Thomas Steinhart (SPÖ). „Wenn die Nachfrage nicht da ist, dann wird niemand eine Boutique eröffnen wollen.“ Der Onlinehandel sei einfach zu stark.

Bezirksvorsteher Thomas Steinhart (SPÖ)
Das Hauptproblem in Simmering sieht Steinhart derzeit aber sowieso ganz wo anders als sein Konkurrent von der FPÖ – einen grünen Touch haben aber beide Themen. Bei Steinhart geht es um die Müllverschmutzung: „Sehr viele Bewohner schmeißen ihren Müll auf die Straße statt in den Mülleimer. Der öffentliche Raum ist für viele selbstverständlich, aber nichts wert.“ Um das Problem in den Griff zu bekommen, sind die Waste Watcher in Simmering kürzlich aufgestockt worden.
Politiker oder Opa?
Und welche Chancen rechnet sich Steinhart für die Wien-Wahl aus? „Wir haben gute Arbeit geleistet. In den vergangenen viereinhalb Jahren hat sich viel mehr getan als in der Zeit davor.“ Ob die Wähler das ähnlich sehen, wird sich zeigen. Um die Stimmen, die 2020 an die Bierpartei gegangen sind (2,31 Prozent), können die acht in Simmering antretenden Parteien (siehe Infobox oben) heuer ebenfalls buhlen. Wie berichtet, tritt die Partei nicht mehr an.
Sollte es Paul Stadler aber nicht gelingen, das Bezirksamt für die FPÖ zurückzuerobern, dann „bin ich halt weiter Opa“, sagt er selbst. Jetzt kämpfe er aber erst einmal um den Bezirksvorsteherposten. Und damit um ein lebenswertes Simmering für seinen Enkel – ohne Hitze und mit viel Grün. Klassische FPÖ-Themen eben.
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