Wien-Alsergrund: Wo die rosaroten Träume blühen

Hier sieht man rosa blühende Zierkirschen.
Besuch in Sprengel 9025 im 9. Bezirk, wo die Neos die Nummer 1 sind: Bildung, Integration und Sicherheit umsorgt hier die pinke Kernklientel.

Ausgerechnet dort, wo sich die seit 1991 durchgehend rot geführte Bezirksvorstehung befindet; ausgerechnet in jenem Bezirk, wo die radikal links denkende Sektion 8 der SPÖ beheimatet ist; ausgerechnet dort leuchtet es im Herzen des Alsergrunds nun nicht mehr rot, sondern pink.

Denn im Wahlsprengel 9025 sind jetzt die Neos die Nummer eins – zumindest bei der Nationalratswahl im Herbst, als man mit mehr als 22 Prozent einen historischen Meilenstein setzte.

Hier – im Grätzl zwischen Sensengasse und Alserbachstraße (wo auch der Autor dieser Zeilen wahlberechtigt ist) – wählten 138 Personen rosa, womit SPÖ, ÖVP und Grüne knapp das Nachsehen hatten. Dabei grundeln die Liberalen hier normal bei nur zehn Prozent herum.

Wien-Alsergrund: Wo die rosaroten Träume blühen

Der Sprengel 9025

Zufall ist das nicht, denn hier ist die pinke Kernwählerschaft zu Hause: Hier wird gut verdient, weil viel geleistet, hier sind die Wohnungspreise hoch, dafür die Zahl der Gemeindebauten niedrig (nämlich bei null), hier wohnen hohe Beamte, Mediziner, Rechtsanwälte, Kreative mit ihren Familien – denen allesamt gute Schulbildung wichtig ist. Hier kennt man die massiven Probleme im Bildungsbereich nur ansatzweise, weshalb die öffentlichen Schulen – von der „Volksschule im Park“ bis zum Gymnasium Wasagasse – auch überbucht sind wie Venedig im Karneval. Hier wird aber offenbar honoriert, dass der neue Bildungsminister Christoph Wiederkehr als Wiener Stadtrat die unzähligen Missstände offen angesprochen hat. „Auch wenn er in Wahrheit nichts ausgerichtet hat. Aber Meinl-Reisinger ist endlich eine, die die Papp’n aufreißt und sagt: ,Hallo, so geht“s nicht weiter!‘“, sagt Stefan*.

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Arne-Karlsson-Park: Hier gefährdet der U5-Bau den alten Baumbestand

Der 50-jährige Familienvater macht jetzt auch sein Kreuz bei den Neos, während die Grünen nicht mehr wählbar sind – und das hat auch mit dem U5-Bau beim Arne-Karlsson-Park zu tun. Ist die türkise Linie in ein paar Jahren da, werden etliche alte Bäume nämlich weg sein – aber beschlossen wurde die U-Bahn einst von der rot-grünen Stadtregierung. „Jetzt dagegen zu sein und zu mobilisieren, ist ein unehrliches Spiel“, sagt Stefan. Und überdies: „Wir haben sieben Straßenbahnlinien, wir brauchen die U5 wie einen Kropf.“

Roman*, Anrainer der stark befahrenen Sensengasse, hat auch genug von grüner Politik: „Die versprochene Verkehrsberuhigung haben sie in zehn Jahren nicht zustande gebracht“, kritisiert er. Stattdessen werde die Belastung durch (Umleitungs)-Schwerverkehr immer mehr. Die Pole Position für die Neos überrascht ihn freilich: „Vielleicht, weil sie am wenigsten negativ aufgefallen sind.“

Grausamer Trafik-Mord

Und dann gab es da noch eine Tat, die hier im Grätzl die Bewohner schockiert und landesweit für Entsetzen gesorgt hat: Im März 2021 übergoss der Ex-Partner die 35-jährige Trafikantin Nadine W. mit Benzin und zündete sie an. Ein bestialischer Mord, den niemand für möglich gehalten hätte. Seit Kurzem gibt es am Tatort einen feministischen Kunstraum, dessen sich insbesondere die SPÖ rühmt. „Eh nett, aber auf den Schildern die Herkunft des Täters (aus Ägypten, Anm.) nicht zu nennen und den Namen des Opfers zu unterschlagen, ist irgendwie typisch“, findet die zweifache Mutter Andrea*.

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Feministischer Kunstraum: In der früheren Trafik in der Nussdorfer Straße 4 fand am hellichten Tag ein grausamer Mord statt.

Sie würde nachts nicht mehr durch den schlecht beleuchteten Park gehen, weil da auch „immer wieder etwas“ passiere; die „Insel der Seligen“ sei auch der Neunte längst nicht mehr. Ist auch das ein Grund, weshalb man Hoffnungen in die Neos setzt, nachdem die anderen Parteien bei der Integration offenkundig versagt haben? „Durchaus möglich“, sagt sie.

Doch noch mangelt es an Strukturen und Personal, um vielleicht einmal einen Bezirk rosa zu färben: Selbst in ihrer Hochburg wurde das neue Spitzenduo Bettina Emmerling/Selma Arapovic beim KURIER-Test von keinem einzigen Passanten auf einem Foto erkannt. Anders als die blühenden Zierkirschen wachsen die pinken Träume nicht in den Himmel.

*Namen auf Wunsch geändert

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