Mord an Trafikantin: Ashraf A. und die Schuld der anderen

Mord an Trafikantin: Ashraf A. und die Schuld der anderen
Die 35-jährige Nadine W. wurde mit Benzin überschüttet und angezündet. Die Videokamera filmte mit. Trotzdem bezeichnet sich der Angeklagte Ashraf A. als „nicht schuldig“.

30 Tage lang hat die 35-jährige Nadine W. gekämpft. 75 Prozent ihres Körpers waren verbrannt, erst musste ihr der linke Oberarm amputiert werden, später auch noch das rechte Bein. Dann starb sie an einem Multiorganversagen. Die Minuten, in denen Nadine W. am 5. März in ihrer Trafik in der Nussdorfer Straße in Wien-Alsergrund angezündet wurde, hat eine Videokamera dokumentiert. Dennoch erklärt der Angeklagte Ashraf A. Donnerstagfrüh im Landesgericht für Strafsachen in Wien: „Nicht schuldig“.

Das Wort „Schuld“ kommt im Sprachschatz des 47-jährigen Ägypters gar nicht erst vor. Als die Staatsanwältin davon erzählt, dass er auch schon seine Ex-Frau geschlagen und mit dem Umbringen bedroht hat (dafür wurde er verurteilt, Anm.), fällt er ihr ins Wort: „Das stimmt nicht!“ Wenn er über Nadine spricht, wird er schnell aufbrausend: „Alle erzählen, dass sie lieb und nett war! Aber sie hatte ein anderes Gesicht!“ Er wird so laut, dass sich die Tonanlage im großen Schwurgerichtssaal überschlägt.

Mord an Trafikantin: Ashraf A. und die Schuld der anderen

Ashraf A. präsentierte sich vor Gericht laut und weinerlich

Was der Mann gerne erzählt, ist, was für ein netter und zuverlässiger Kerl er selbst sei. Ein engagierter Mitarbeiter in einem Weltcafé. „Warum wurden Sie dann gekündigt“, wundert sich die Vorsitzende Richterin Sonja Weis. „Weil sich der Stress mit Nadine auf die Arbeit ausgewirkt hat.“ Er schildert, wie er seiner On-off-Beziehung im Lager geholfen habe.

Er hörte täglich mit

Dass er rasend eifersüchtig war, das stellt er als normal hin, ebenso die vulgären Beschimpfungen. Er kontrollierte regelmäßig ihr Handy. Schon 1,5 Jahre vor der Tat hatte er eine Abhöranlage in der Trafik installiert. Richterin: „Wie viel Zeit haben Sie mit dem Abhören verbracht?“ – „Ganz selten.“ – „Wie oft in der Woche?“ – „Fünf, sechs Mal.“

Und er habe gehört, wie sich Nadine mit Kunden über ihr Sexualleben unterhalten habe. „Mit einem hat sie über seine Penisgröße gesprochen.“ Da kichert er kurz. Es soll das Kichern von Nadine sein. „Ist das normal?“, schreit er wieder.

In den letzten Wochen habe sich Nadine verändert. Sie wollte nicht mehr mit ihm kuscheln. Hatte gemeinsame Facebook-Fotos gelöscht. Und schließlich hörte er mit, als Nadine einen Privatdetektiv engagierte, weil sie sich vor Ashraf A. fürchtete.

Da ging er zu einer Tankstelle, kaufte Benzin, füllte es in eine Soßenflasche. Er ging in die Trafik, zog die Rollläden hinunter, sperrte zu – all das gibt er zu. Die Frau drückte den Alarmknopf – doch der funktionierte nicht. Er versetzte ihr einen Schlag „mit der flachen Hand“, wie er betont. Danach drosselte er sie mit einem Kabel „zwei Sekunden, zum Schrecken“. Am Video dauert das 1:45 Minuten. Schließlich schüttete er Benzin über sie, zündete sie an und versperrte von außen die Tür.

„Ich wollte sie nur zur Rede stellen“, erklärt er und schiebt die Schuld wieder auf das Opfer. Dieses sei schuld gewesen, dass er alles verloren habe. „Meine Familie, mein Leben. Sie war meine große Liebe.“

„Verdient“

Einem Sachverständigen erklärte er: „Sie hat das zu einem gewissen Grad verdient.“ „Täter-Opfer-Umkehr“, nennt das die Staatsanwältin.

Selbst als es um die Todesursache geht, erzählt Ashraf A. davon, dass die Frau ja schon vorher gesundheitliche Probleme hatte. „Hören Sie auf, Nadine die Schuld zu geben“, bringt es Anwalt Rainer Rienmüller schließlich auf den Punkt – er vertritt Nadines Familie. „Die Wunde, die Sie der Familie zugefügt haben, wird nie wieder heilen.“

Die Staatsanwältin gibt zu, dass sie es nicht schafft, Worte für die Brutalität zu finden. Das muss sie nicht. Am Freitag werden die Geschworenen das Video sehen, auf dem Nadines verzweifelter Kampf zu sehen ist.

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