Beim Lokalaugenschein fährt auf dem Radweg bei der Krottenbachstraße kein einziger Radler. Ob das wirklich repräsentativ ist, ist unklar. Es ist eiskalt und es regnet.
„Sonst fahren hier auch nur hauptsächlich Essenslieferanten“, sagt jedenfalls Bezirksvorsteher Daniel Resch (ÖVP), bekannter Kritiker des Projekts. „Im Bezirk nennen wir ihn darum Foodora-Highway. Das einzig Positive ist, dass die Pizza nun ein bisschen heißer ist, wenn sie zu Hause ankommt.“
Die Realisierung des Radwegs hatte zu mehreren Schlagabtauschen zwischen Bezirk und Stadt geführt.
Ersterer fühlte sich – im wahrsten Sinne des Wortes – überfahren. „Es ist immer leicht, an einem Tisch im Rathaus einen Plan zu machen“, meint Resch, der sich gewünscht hätte, dass die örtlichen Befindlichkeiten mehr einbezogen worden wären. „Früher hat man sich zusammengesetzt, vielleicht beim Heurigen, und sich überlegt, wie könnte man etwas so gestalten, dass alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt sind.“
Hauptkritikpunkte aus Döbling: Zu viele Parkplätze sind weggefallen, es gibt teilweise keinen Platz für Wartehäuschen, es wurde ein Nadelöhr für den motorisierten Verkehr geschaffen und die hohen Kosten.
Im Büro der zuständigen Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) sieht man das anders. Die gewählte Route sei sicherer und bedeute laut Stadt kaum mehr Parkplatzverlust als die vom Bezirk vorgeschlagene Alternative. Außerdem: Die Stadt übernimmt die Kosten – der Bezirk muss nichts zahlen.
Bezirkschef Resch ärgert sich beim Lokalaugenschein über den laut ihm überdimensionierten Radweg bei der Krottenbachstraße.
Erhalt der Heurigenkultur
Ist ein Radweg das größte Problem im als Schnöselbezirk verschrienen Döbling? Zunächst ist Döbling viel mehr als das, erklärt Resch. „Wir haben über 90 Gemeindebauten, ein riesiges Naherholungsgebiet und die berühmte Heurigenkultur, für die wir nicht nur in Wien, sondern auch außerhalb der Grenzen sehr beneidet werden.“
Der Erhalt dieser Heurigenkultur sei eines der wichtigsten Dinge im Bezirk: „Die Weinberge sind unverhandelbar.“
Und die befinden sich zum Großteil eben in Döbling. 48 Prozent der 2.905.623 Quadratmeter Rebflächen, die es insgesamt in Wien gibt, sind hier zu finden. Und wie schaut es mit deren Erhaltung aus?
Klären lässt sich das wohl nur in Grinzing, einem der bekanntesten Weinbauorte Wiens. Aber auch hier hängt die Einschätzung eben von denjenigen ab, die man fragt. Laut Anrainerin Inessa ist Grinzing noch immer ein beliebtes Ausflugsziel. „Seit der Monarchie.“ Den guten Wein gebe es noch dazu.
Aschaa betreibt einen kleinen Coffee-to-go-Stand in Grinzing. Er befürchtet das Aussterben des Ortes.
Heurigen-Sterben?
Deutlich düsterer – ja, fast schwarz – wird das Bild von Aschaa gezeichnet, der hier einen Coffee-to-go-Stand betreibt „Grinzing ist tot“, sagt er. „Früher gab es viel mehr Heurige. Jetzt ist fast alles zu.“ Schuld daran seien die Gesetze, etwa das Rauchverbot, das viele Betriebe vertrieben hätte.
Vom oft zitierten „Heurigen-Sterben“ möchte Martin Obermann aber nicht sprechen. In fünfter Generation betreibt er die Buschenschank „Obermann“. Einfach sei es nicht immer, sagt der Betreiber. Vor allem für kleinere Betriebe rentiere sich der hauseigene Weinanbau finanziell nicht mehr. Nicht selten würden deshalb Rebflächen abgegeben werden, sagt Obermann.
Sie selbst aber produzieren nach wie vor ihren eigenen Wein: „Es ist sehr schön, wenn man etwas produziert, und die Leute sagen dann: Der Wein schmeckt heuer wieder gut.“
Und Sorgen über eine mögliche Übernahme muss sich Martin Obermann auch keine machen: Seine 25-jährige Tochter Johanna zeigt Interesse. Und hegt auch selbst schon Hoffnungen: „Wir wünschen uns, dass die Heurigenkultur bestehen bleibt und dass auch weiterhin viele junge Menschen davon angesprochen werden.“
Sonst noch etwas? „Der Heurige ist eine Schönwetter-Aktivität“, sagt Johanna. Ist schlechtes Wetter angesagt, bleibt der Heurige leer, auch wenn das Wetter dann doch schön wird. „Wenn wir den Wetterbericht abschaffen könnten, wär’s also gut“, fügt ihr Vater hinzu.
Ein Wunsch, den Bezirksvorsteher Resch trotz Bemühungen für die Heurigen, wohl kaum erfüllen kann.
Der Gemeindebau Karl-Marx-Hof wurde zwischen 1927 und 1933 errichtet. Er bietet Platz für 1.270 Wohnungen.
Bruderduell
Döbling ist übrigens auch Schauplatz eines politischen Brüderduells: Klemens Resch, der Bruder des Bezirksvorstehers, ist Klubobmann der FPÖ Döbling.
Resch, also jener der ÖVP, wird angesichts der schlechten Umfragewerte seiner Stadtpartei als möglicher neuer Parteichef nach Karl Mahrer gehandelt. Er selbst gibt sich bescheiden: „Es ist eine Ehre, wenn an mich gedacht wird. Aber ich habe eine schöne Aufgabe im Bezirk, ich fühle mich hier sehr, sehr wohl und ich habe noch einiges vor.“
Klarheit: Die wichtigsten Begriffe
Der Bezirk Döbling entstand 1892 aus den ehemaligen Vororten Unterdöbling, Oberdöbling, Grinzing, Heiligenstadt, Nussdorf, Josefsdorf, Sievering und dem Kahlenbergerdorf. Erweitert wurde Döbling 1938 um Neustift am Walde und Salmannsdorf, die davor zum Bezirk Währing gehörten. Der 19. Bezirk umfasst 24,9 km² - über die Hälfte davon sind Gründland. Döbling ist außerdem für Weinanbau, Heurigen und das Villenviertel bekannt. Der Bezirk zählt zu den wohlhabendsten Bezierken, ist aber auch Heimat des bekannten Gemeindebaus „Karl-Marx-Hof“. Im Bezirk leben über 75.000 Menschen. Bezirksvorsteher ist Daniel Resch (ÖVP).
ÖVP steht für Österreichische Volkspartei. Gegründet wurde sie 1945 in Wien als Nachfolgepartei der Christlichsozialen Partei. Die Parteifarbe der ÖVP ist Türkis (das frühere Schwarz wird aber auch noch verwendet). Sie vertritt das bürgerliche, konservative Spektrum und gilt traditionell als der Wirtschaft, den Bauern und der römisch-katholischen Kirche nahestehend – sie wird daher als Mitte-rechts-Partei eingeordnet. Von 1996 bis 2001 war die Wiener ÖVP Teil der Stadtregierung, stellte bisher aber nie den Bürgermeister. Parteichef in Wien ist aktuell Karl Mahrer.
Die Daten der aktuellesten Modal Split Erhebung zeigen: Das mit 34 Prozent meist genutzte Verkehrsmittel der Wiener und Wienerinnen sind die Öffis, sie bilden das Rückgrat des Wiener Mobilitätssystem.
Im „Trend“ ist weiterhin das Zu-Fuß-Gehen: 30 Prozent aller Wege werden zu Fuß zurückgelegt, noch immer liegt dieser Wert über dem Anteil aus Zeiten vor Corona und damit auf einem hohen Niveau. Noch nie seit der ersten Erhebung des Modal Split im Jahr 1993 wurde ein so geringer Anteil an PKW-Nutzung in Wien gemessen. Nur mehr 25 Prozent aller täglichen Wege werden mit dem PKW zurückgelegt.
Kommentare