Wien-Brigittenau: Ganz Wien in einem Bezirk

Der Wallensteinplatz lockt mit Kultur und Kulinarik. Die vorbeiführende Wallensteinstraße wird umgestaltet
Wenige Wiener Bezirke sind so vielfältig wie die Brigittenau. Das bringt Probleme, aber auch Chancen mit sich. Zu Letzteren gehört das Großprojekt Nordwestbahnhof.

Der Geruch des luftig-duftigen Tandoori-Brots, das am Hannovermarkt im Minutentakt aus dem Ofen kommt, könnte einen in den Bann ziehen. Könnte. Nur wenige Stände weiter hängt ein ganzes Schaf am Haken. Dessen Anblick lässt selbst Nicht-Vegetarier schlucken. Spätestens die Marktschreier bringen einen aber auf andere Gedanken: „Billiger, billiger, billiger. Alles eine [sic] Euro“, brüllen sie in unnachahmlicher Tonlage.

Wer vom wenige Hundert Meter entfernten Donaukanal kommt, wo in der ersten Frühlingssonne Studenten am Wasser sitzen; durch die Wallensteinstraße und damit den historischen Kern des Bezirks spaziert; um schließlich zwischen hoch in den Himmel ragenden Gemeindebauten am Markt anzukommen, hat unweigerlich das Gefühl, gerade drei Bezirke innerhalb weniger Minuten durchquert zu haben.

Wien-Brigittenau: Ganz Wien in einem Bezirk

Der multikulturelle Hannovermarkt als Kontrast zum gediegenen Wallensteinplatz

„Die Mischung ist es, die den 20. Bezirk einzigartig macht. Sowohl, was die Bevölkerung angeht, als auch der Mix aus innerstädtischer Lage, dichtem Verbau, und viel Freiraum mit Wasser rundherum“, fasst Bezirksvorsteherin Christine Dubravac-Widholm (SPÖ) zusammen, was die Brigittenau für sie ganz besonders macht.

Wien-Brigittenau: Ganz Wien in einem Bezirk

Bezirksvorsteherin Christine Dubravac-Widholm (SPÖ)

Die Vielfalt der Bezirksbewohner spiegelt sich in der Statistik wider. Bei den Migranten liegt die Brigittenau mit mehr als 40 Prozent im Spitzenfeld. Gleichzeitig drängen junge Familien, Studenten und Kreative in den Bezirk. Speziell die Nähe zu Donaukanal, Donauinsel und Augarten wird von ihnen geschätzt – was in vergangenen Jahren dazu geführt hat, dass sich um Wallenstein- oder Allerheiligenplatz hippe Grätzel gebildet haben.

Problemfälle

Die Veränderung im Bezirk bringt Herausforderungen. Ältere Bewohner erzählen, „man habe sich früher sicherer gefühlt“. Dubravac-Widholm kennt die Schlagzeilen von Machetenmorden und Straßenschlachten, die im Vorjahr die Bevölkerung in Atem hielten. „Ich nehme das ernst und gebe die Sorgen der Bürger an die zuständigen Stellen weiter.“ Mit Schwerpunkten sowie Zusammenarbeit von Polizei und Sozialarbeit reagiere man, wo nötig.

Jedenfalls eine Notwendigkeit zum Handeln sehen manche Eltern und Lehrer im Bezirk. 45 Prozent der Wiener Schüler beherrschen Deutsch zu schlecht, um dem Unterricht zu folgen. Ein Problem, das auch die Brigittenau betrifft. „Meine Erfahrung zeigt aber, dass es sich eher um Einzelfälle handelt. Ich bin mit Lehrern im Austausch, die ihre Schüler bis aufs Blut verteidigen“, argumentiert die Bezirksvorsteherin.

Prestigeprojekte

In Schulen soll 2025 dennoch viel investiert werden. Nach den Unwettern im Vorjahr vor allem in den Hochwasserschutz. Nicht das einzige Bauvorhaben, das auf der Agenda steht. Ein Jahr nach der Bürgerbefragung zur Wallensteinstraße sind die Ergebnisse – nach viel Kritik über mangelnde Kommunikation – seit dieser Woche einsehbar.

Wien-Brigittenau: Ganz Wien in einem Bezirk

Durch die Nähe zum Donaukanal ist Hochwasserschutz im Bezirk besonders wichtig

Diese zeigen, viele Menschen im Bezirk wünschen sich Begrünung, Sitzmöglichkeiten, breitere Gehsteige und Radwege. Angegangen soll die Planung der Neugestaltung nach der Wien-Wahl werden.

Ebenfalls nicht mehr lang ist es bis zum Baubeginn am Nordwestbahnhof – einem der größten Stadtentwicklungsprojekte Wiens und für die Bezirksvorsteherin das „Sahnehäubchen“ für die Brigittenau: „Neben Wohnraum, Grünflächen, einem Bildungscampus und einem Primärversorgungszentrum ist der verbindende Charakter des Projekts besonders wichtig.“ Gemeint ist, dass die lange bestehende Barriere zwischen dem nördlichen und südlichen Bezirksteil verschwindet – und ein vielfältiger Bezirk ein Stück näher zusammenwächst.

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