Bezirksporträt: Daheim in "Rudolfscrime"

Bezirksporträt: Daheim in "Rudolfscrime"
Hitze, Grünflächen, Sicherheit – und Parkplätze. All das beschäftigt die Menschen in 1150 Wien. Es zeigt sich ein buntes Miteinander, das von engagierten Bürgern und Bürgerinnen lebt.

Am Sonntag öffnen und schließen sich die Tore der Rudolfsheimer Kirche im stündlichen Takt. Seit 8.30 Uhr in der Früh werden heute Messen abgehalten. In kroatischer, deutscher, albanischer und englischer Sprache. Gerade ist die deutsche Heilige Messe zu Ende und Pfarrer Martin Rupprecht bedankt sich bei allen, die da waren. Vor allem freut er sich über das bunt gemischte Publikum, das unterschiedlichen kulturellen Hintergrund hat. “Es ist sehr schön, dass Sie da waren”, versichert er jedem und jeder einzelnen mittels Handschlag bei der Verabschiedung.

Einer von ihnen ist Guntbert Bodmann. Ihn verbindet etwas Besonderes mit diesem Ort. “Ich habe meine Frau hier auf dem Platz vor der Rudolfsheimer Kirche kennengelernt, wir haben erste Worte miteinander gewechselt und am gleichen Abend sind wir ins Kino gegangen.” Das war vor 56 Jahren, beide wohnen nahezu ihr ganzes Leben im 15. Bezirk. Im oberen Teil, genauer gesagt: im Nibelungenviertel. “Ich mag Rudolfsheim-Fünfhaus sehr gerne, vor allem die Nähe zur äußeren Mariahilfer Straße und das dort jetzt wieder auflebende Geschäftstreiben. Und ich finde es schön, dass in diesem Bezirk so viele junge Menschen leben”, sagt Guntbert Bodmann, der neben seiner Wohnung auch einen Kleingarten auf der Schmelz hat. Die Bezeichnung "Schmelz" erinnert an ein Schmelzhaus, das sich bis zur zweiten Türkenbelagerung im Jahre 1683 an dieser Stelle befand. 

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Blick von oben

Heute handelt es sich um die größte Kleingartenanlage im verbauten Stadtgebiet in Mitteleuropa. Zudem bietet die Schmelz neben einem Gymnasium, der Sportuniversität und dem Schutzhaus auch Areale zur Erholung an, durch Sitzgelegenheiten und einen Spielplatz. Außerdem soll dort auf 2.000 Quadratmetern noch dieses Jahr ein Park mit Sportnutzung fertiggestellt werden. 

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Guntbert Bodmann 

Fragt man den 75-Jährigen Guntbert Bodmann nach den Herausforderungen von “Rudolfscrime”, wie der 15. Hieb spaßhalber oft bezeichnet wird, dann spricht er von einer "Multikulti-Vielfalt, die natürlich sehr auffallend sei.” Aber Bodmann möchte dazu eher Besonderheit – und nicht Herausforderung – sagen. Er versucht, auf unterschiedlichen Wegen mit anderen Bevölkerungskreisen in Kontakt zu treten. 

Probleme und schönes Grün

Einerseits tut er das durch die Veranstaltungen der Rudolfsheimer Kirche. “Und im letzten Oktober war ich im Rahmen des Tages der offenen Moschee bei einer somalischen Gemeinde zu Besuch. Ich bin dort hereinspaziert und zu Beginn hat mich kaum jemand beachtet. Dann habe ich aktiv Fragen gestellt und schließlich wurde mir von einem Mann sehr stolz alles gezeigt. Von den Waschräumen über die besonderen Teppiche bis hin zu den Räumlichkeiten für die Frauen. Das war sehr interessant.” Müsste Bodmann ein Problem benennen, dann wäre es "schwindende Parkplätze". So schön und wichtig die Grünflächen und der Radweg auf der Hütteldorfer Straße auch seien, man dürfe nicht auf die Autofahrer vergessen. 

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Bürger und Bürgerinnen fordern den Westbahnpark

Dem kann der 58-jährige Martin, der gerade durch die Wiener Wasserwelt vor dem Meiselmarkt spaziert, nur zustimmen. “Es wird immer schlimmer mit den Parkplätzen”. Er findet es außerdem schade, “dass es hier kaum noch klassische Würstelstände und originale Wirtshäuser gibt.” Multikulti bedeutet für ihn nicht, “dass österreichische Traditionen ausradiert werden müssen und Kebab und Co das Essensangebot dominieren”. Ansonsten fühle er sich in Rudolfsheim-Fünfhaus aber sehr wohl, er lebt seit seiner Geburt in diesem Bezirk und hat auch nicht vor, ihn zu verlassen. Seine Begleiterin stimmt zu, dass sie gerne im 15. Bezirk lebt, aber dennoch nicht abends alleine durch einen der Parks gehen würde. “Da fürchte ich mich.”

Von oben nach unten

Begeht man Rudolfsheim-Fünfhaus von oben nach unten, dann kommt man von der Schmelz über den Meiselmarkt und die Rudolfsheimer Kirche zur Lugner City und zur Wiener Stadthalle. Etwas weiter südlich liegt der Westbahnhof. Über den Rustensteg gelangt man zur äußeren Mariahilferstraße, zum Schwendermarkt und in die Reindorfgasse mit dem urigen Gasthaus Quell und dem bekannten Straßenfest. Schließlich endet man im Auer-Welsbach-Park, dem größten Park des Bezirks. 

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So soll der Park am Westbahnareal aussehen

Das Büro von Bezirksvorsteher Dietmar Baurecht, der diesen Job nun seit 2022 innehat, befindet sich im unteren Teil des Bezirks. Er wohnt auch hier und das “leidenschaftlich gerne”. Es sei ein “bunter, diverser und lebendiger Ort”. Die Zahlen zeigen: Rund 76.000 Menschen leben in diesem Bezirk, die Hälfte davon ist nicht wahlberechtigt. Außerdem: niedriges Durchschnittseinkommen, viele Arbeitslose. 

Innere und äußere Wahrnehmung

Der Bezirk mit den sechs Nachbarn gilt aber als einer der Jüngsten Wiens. “Zu den Top-5 der ausländischen Staatsangehörigkeiten in Rudolfsheim-Fünfhaus gehört Deutschland auf Platz 3”, sagt Baurecht. “In fünf Bezirken hatten 2024 mehr als die Hälfte der Bevölkerung eine ausländische Herkunft - in Rudolfsheim-Fünfhaus zeigt sich dieses Bild bereits seit dem Jahr 2015”, heißt es zudem auf der Website der Stadt Wien. 

Dass 1150 auch immer wieder als Problembezirk bezeichnet wird, findet Baurecht schade. “Die Wahrnehmung von außen ist immer anders als die eigene Wahrnehmung, wenn man hier lebt. Die Gespräche mit den Menschen zeigen mir, dass sie sich im Bezirk sehr wohl fühlen. Aber ich glaube auch, dass man das Thema Sicherheit immer im Fokus haben muss.” So stehe man von Seiten der Bezirksvertretung in ständigem Austausch mit unterschiedlichen Stellen, sehr intensiv auch mit der Polizei. 

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Neben der Sicherheit im Bezirk seien „Hitze und Grünflächen“ die dominanten Themen in 1150. Cooling-Spots, Wasserspiele, Beschattungen und Verweilplätze sollen verstärkt integriert werden. Natürlich müsse man bei solchen Neugestaltungen aber immer wieder alle Bedürfnisse abwägen. So etwa bei der Hütteldorferstraße, bei der im letzten Jahr viele Parkplätze gewichen sind, dafür entstand dort ein breiter Radweg und mehr Grünflächen. Auch die Äußere Mariahilfer Straße werde weiterhin klimafit gestaltet. 

“Und das große Entwicklungsprojekt ist natürlich der Westbahnpark. Fünf Hektar sollen als zusammenhängender Park gestaltet werden. Das ist für Rudolfsheim-Fünfhaus ein ganz wichtiger Schritt, der neben seinem Beitrag zur Klimawandelanpassung auch die Barriere des Westbahnareals im Bezirk überwinden soll und den Mobilitätsstandort Westbahnhof weiterentwickelt.”

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Sylvia Hibler vor "HuglWood"

Baurecht sagt, der Bezirk lebt von engagierten Menschen, die ihn zu schätzen wissen und pflegen. Eine von ihnen ist Sylvia Hibler, Gruppensprecherin der Agenda-Gruppe „Grau wird Grün“. Der Verein Lokale Agenda 21 steht für Bürgerbeteiligung und nachhaltige Entwicklung. Hibler kommt gerade aus einem Hauseingang in der Huglgasse und zeigt stolz die “HuglWood”, eine neue Grätzloase, die sie initiiert hat. Engagement im Bezirk ist ihr tatsächlich sehr wichtig. Als sie am Boden einen Zigarettenstummel entdeckt, stülpt sie sich prompt einen Plastikhandschuh über und hebt ihn auf. “Bald starten wir übrigens mit einer großen Aktion, wo Tschickstummel mit Kreidespray bunt gekennzeichnet werden, um auf das Problem aufmerksam zu machen.” Dann düst sie grinsend auf ihrem Roller davon. 

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Dass man den Bezirk pflegen soll, das findet auch Madona Sadojan. Sie ist gelernte Floristin und stammt ursprünglich aus Georgien. Seit 20 Jahren lebt sie mit ihrem Mann in Rudolfsheim-Fünfhaus. Die beiden haben drei Kinder und betreiben ein Blumengeschäft auf der Schweglerstraße. Sie wohnen auch gleich ums Eck. “Ich liebe Blumen und mein Beruf macht mich glücklich”, sagt sie. Jeden Tag stehen die beiden im Shop, immer wieder ärgern sie sich allerdings darüber, dass Pflanzen gestohlen werden, die vor dem Geschäft ausgestellt sind. “Das passiert leider öfter.” Der Verkauf laufe manchmal besser und manchmal schlechter. “Aber insgesamt beschwere ich mich nicht, uns geht es gut.” 

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