Wiener Innenstadt: Ein Bezirk, vier Probleme

Die Bevölkerungszahlen in Wiens erstem Bezirk schrumpfen. Mittlerweile könnten alle rund 16.500 Bewohner ein Austria-Heimspiel in der Generali-Arena besuchen und würden das vergleichsweise kleine Stadion nicht einmal mehr komplett füllen. Sogar die 531 offiziell in der Inneren Stadt gemeldeten Hunde würden noch einen Sitzplatz finden.
Im Jahr 1880 lebten einst knapp 73.000 Menschen (unter teils prekären Verhältnissen) im Zentrum, genügend, um das Praterstadion zu füllen. Doch seither geht es Jahr für Jahr bergab. Daran wird sich auch so bald nichts ändern, denn der Bezirk ist nicht nur jener mit der höchsten Akademikerquote (53 Prozent), sondern besitzt auch überdurchschnittlich viele ältere Bewohner.
Wie auch in vielen anderen Städten der Welt zu sehen, hat sich die City über die vergangenen Jahrzehnte stark verändert. War die Kärntnerstraße nach dem Krieg noch ein Anziehungspunkt für Prostituierte, die (wie auch am Graben) offen ihre Dienste aboten, erlebte sie durch den Umbau zur damals heftig umstrittenen Fußgängerzone in den 60ern eine gewaltige Aufwertung.
Von Wiener Spezialitäten bis zu teuren Flugtickets waren hier vor allem hochpreisige Waren zu kaufen, dazu traten Werkelmann-Spieler in der Fußgängerzone auf. Jedes Unternehmen wollte hier einen Flagshipstore haben, wie man heute sagen würde. Legendär war hier auch der KURIER-Corner oder die legendäre Filiale der Fluggesellschaft Air France.
Als 1978 die U1 vom Stephansplatz zum Reumannplatz eröffnet wurde, fürchteten die feinen Innenstadtbewohner, von den Favoritner Proleten überrannt zu werden. Dennoch blühte die City weiter auf, obwohl an Sonn- und Feiertagen praktisch kein Speiselokal (außer einem Chinesen) offen hatte. Auch dass es in den 90ern mehrere Mafiamorde in der City gab, änderte nichts an der Transformation - große internationale Modeketten von Benetton bis H&M übernahmen nach und nach die besten Standorte einstiger Wiener Traditionsbetriebe.
Heute gibt es allein in den 11.825 Gästebetten im ersten Bezirk rund 2,7 Millionen Nächtigungen pro Jahr, Tendenz steigend. Geht es so weiter, werden bald mehr Touristen als Wiener in der City nächtigen. Auch prägen Geschäfte für Touristen-Nippes zunehmend die City.
Der Bezirk Innere Stadt ist jedenfalls auch der gefährlichste des Landes. Nirgendwo sonst in Österreich gibt es mehr Verbrechen pro Kopf. Der Grund dafür sind vor allem Taschen- und Ladendiebstähle sowie Delikte im Umfeld der Nachtlokale. Der Bezirk ist auch jener mit den meisten Polizeiinspektionen - neun von 81 Wiener Wachimmern befinden sich hier.
Nach den Wünschen der Stadt soll die City nun attraktiviert und vor allem auch der Verkehr reduziert werden. Aktuell besitzen die 16.500 Innenstadtbewohner immerhin rund 16.200 Autos. Sowohl die rot dominierte Stadtregierung, als auch der türkis geführte Bezirk wollen deshalb seit Jahren eine verkehrsberuhigte Zone nach italienischem Vorbild. Verhindert wurde dies bisher ausgerehnet durch die Grüne Verkersministerin Leonore Gewessler. Die Begründung: Bei den Einfahrten könnten die Überwachungskameras irrtümlich auch Demonstranten filmen.

Sima und Figl
Bezirksvorsteher Figl will Touristengruppen beschränken
So rot Wien ist, so schwarz ist der Bezirk. Seit 1945 stellt die ÖVP den Bezirksvorsteher, ohne Unterbrechung. Auf Platz zwei liegt derzeit die SPÖ vor den Grünen, Neos und der FPÖ.
Aktuelle Probleme sind der Massentourismus, die Bezirksflucht, der Verkehr und die höchste Kriminalitätsrate. „Wir sind natürlich dafür, dass es Tourismus gibt. Auf der anderen Seite sagen wir: Wir wollen die Authentizität und den Charakter der Inneren Stadt auch für kommende Generationen erhalten", sagt Bezirksvorsteher Markus Figl zum KURIER. "In der Inneren Stadt setzen wir uns dafür ein, dass die Gruppengrößen beschränkt werden sollen, illegale Kurzzeitvermietungen strenger kontrolliert werden und der Bezirk durch den Erhalt der Wohnzone als Wohnbezirk erhalten bleiben soll."
Für Ärger sorgt in Wien auch, dass es noch immer keine Möglichkeiten für eine verkehrsberuhigte Zone gibt. "Die verkehrsberuhigte Innere Stadt steht weiterhin an oberster Stelle. Vier von fünf Parteien im Bezirk sind dafür. Das Projekt ist fixfertig ausgearbeitet, könnte morgen ausgeschrieben werden. Das tut weh und ist eine vergebene Chance, frei werdende Flächen für Begrünung und Aufenthalt zu gestalten", meint Figl.
"Wien hat seine Hausaufgaben gemacht, wir wären längst startbereit. Die Grüne Verkehrsministerin Gewessler hat damit die historische Chance zur größten Verkehrsberuhigungsmaßnahme Österreichs schlichtweg vertan, was völlig unverständlich ist", kritisiert die Sprecherin von Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ). "Kurzum: Wien steht bereit, wir würden das gerne umgehend umsetzen und die dann frei werdenden Flächen gestalten mit Bäumen, Grünflächen und Sitzflächen – für noch mehr Lebensqualität im Herzen der Stadt. "
Zur hohen Kriminalitätsrate, sie ist viermal so hoch wie im zweitgefährlichsten Bezirk Neubau, heißt es in der Bezirksvorstehung: "Wir können dazu keine Stellungnahme geben, da wir nicht wissen, von welcher Zahlenbasis die Rede ist. Aus der Erfahrung wissen wir, dass viele dieser Anzeigen sich auf Delikte beziehen, die nicht in der Inneren Stadt verübt wurden. Dazu kommt, dass viele Zahlen an der tatsächlichen Anzahl der täglich im Bezirk befindlichen 250.000 Menschen gemessen werden müssen."
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