Favoriten: Wie gefährlich ist der angebliche Problembezirk?
Favoriten steht im Fokus der politischen Auseinandersetzung. Bezirksvorsteher Marcus Franz (SPÖ) fordert eine Verdreifachung der Zahl an Polizisten, Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) besuchte am Montag den Reumannplatz und versprach Abhilfe, etwa in Form einer weiteren Einheit gegen Jugendkriminalität. Und die FPÖ rief zur Demo "Favoriten hat genug" auf.
Ist der zehnte Hieb, wie man in Wien sagt, also bereits ein Problembezirk wie Molenbeek in Brüssel oder Neukölln in Berlin?
Oder anders gesagt: Wie böse ist Favoriten tatsächlich?
Bisher gibt es jedenfalls valide Kriminalitätszahlen auf Bezirksebene nur bis zum Jahr 2021. Das Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie (IRKS) analysierte 2017 die Sicherheitslage in den einzelnen Wiener Bezirken. Aktuellere Untersuchungen gibt es nicht, allerdings gibt es keine Hinweise, dass sich das Geschehen seither stark verändert hat. Die Kriminalität in ganz Österreich ist rückläufig, in Wien sogar etwas mehr als im Landesschnitt.
City oder Mariahilf gefährlicher
Die harte Währung ist dabei die so genannte Häufigkeitszahl. Diese gibt die Zahl der Verbrechen pro 100.000 Bewohnern an. Der mit Abstand gefährlichste Bezirk ist demnach die Innere Stadt, die die rund dreifache Kriminalitätsbelastung wie andere Bezirke hat. Der Grund dafür sind viele Touristen und Nachtschwärmer bei vergleichsweise wenig Bevölkerung.
Doch auch ohne die City ist Favoriten nicht der gefährlichste Bezirk als der er nun dargestellt wird. Bezogen auf die Bevölkerung liegt hier Mariahilf (Häufigkeitszahl 825) stabil vorne, gefolgt vom Alsergrund (763). Favoriten liegt hier auf Platz 5 mit einer Häufigkeitszahl von 585, etwas vor Rudolfsheim-Fünfhaus (575). Doch selbst gutbürgerliche Bezirke wie Wieden (569) oder der Botschaftsbezirk Landstraße (566) sind nicht so viel besser.
In der Öffentlichkeit präsent sind vor allem die absoluten Zahlen, bei denen Favoriten tatsächlich schlecht liegt. "Solche Darstellungen finden sich gelegentlich in den Chronikseiten von Boulevardzeitungen. Für sich genommen sind sie wenig aussagekräftig: Die Verteilung der absoluten Zahlen an angezeigten Straftaten spiegelt immer auch die Größe der jeweiligen Bezirksbevölkerung wider. So wird etwa am häufigsten Favoriten als Tatort registriert. In diesem Bezirk wohnen jedoch auch am meisten Menschen", urteilt das IRKS in seiner Analyse.
Doch sind vielleicht einzelne Delikte auffällig?
Hier weist der Sicherheitsbericht zwar nur absolute Zahlen auf, aber bei Gewaltdelikten steht der 220.000-Einwohner-Bezirk vor allem wegen seiner Bevölkerung mit 2306 Delikten auf Platz eins in der Hauptstadt. Doch selbst das liegt im Bereich von Landeshauptstädten wie Linz (200.000 Einwohner, 2225 Gewalttaten) oder Salzburg (150.000/2243). Erneut wäre Favoriten bei der wichtigen Häufungszahl weder in der Bundeshauptstadt, noch in Österreich führend. In Wien stechen hier eher Ottakring oder die Leopoldstadt heraus.
Sexualdelikte wie in Graz oder Linz
Bei den Sexualdelikten ist die Analyse deutlich schwieriger, da die Fallzahlen niedrig sind und sich innerhalb eines Jahres innerhalb eines Bezirks auch mal vervierfachen können. Außerdem ist hier die Anzeigebereitschaft ein wichtiger Faktor, dazu kommt, dass die Opfer bei migrantischen Tätern doppelt so oft die Polizei alarmieren wie bei Inländern, ergab ein Faktencheck der APA. Für Favoriten etwa werden 2020 genau 103 Sexualdelikte ausgewiesen, im Jahr darauf 153. Man könnte dies als dramatischen Anstieg um 50 Prozent bezeichnen, doch auch hier wären andere Bezirke weit voraus. Selbst bei den absoluten Zahlen liegen Linz, Graz oder Innsbruck gleichauf mit dem zehnten Bezirk.
In einer polizeilichen Statistik ist Favoriten bei den Wiener Bezirken aber tatsächlich vorne dabei - bei der Klärungsquote liegt man auf Platz drei, nur hinter der Brigittenau und Rudolfsheim-Fünfhaus.
Die Politik - auch im Bund - nahm den Bezirk dennoch auch in der Vergangenheit ins Visier. FP-Chef Herbert Kickl verbreitete das Video einer Satireplattform mit dem Titel „Der gefährlichste Ort in Wien“. Und Wiens VP-Chef Karl Mahrer äußerte sich besorgt über ein „alarmierendes Ausmaß“ der Sicherheitsbedenken von Anwohnern.
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