Das ist die neue Wiener Tourismus-Strategie

Vor dem Schloss Schönbrunn werden die Pferde springen.
Es ist ein Drahtseilakt, der Tourismusdirektor Norbert Kettner in den kommenden Jahren in Wien bevorsteht. Auf der einen Seite sollen immer mehr Reisende in die Bundeshauptstadt kommen, auf der anderen soll die Lebensqualität der Einwohner darunter nicht leiden – Stichwort „Overtourism“. Bisher gelingt dieser Balanceakt, wie Kettner am Dienstag bei der Präsentation der neuen Tourismusstrategie betonte: „Unsere Marktforschung zeigt, dass neun von zehn Wienern den Tourismus positiv sehen. Genauso hoch ist der Anteil jener Gäste, die Wien weiterempfehlen.“
Damit Letztere mehr werden und gleichzeitig Konflikte mit der Bevölkerung ausbleiben, will man noch mehr auf kaufkräftige Gäste setzen. Konkret sieht der „Wunschurlauber“ dabei so aus: Kulturaffine Freizeit- und Luxusgäste auf der einen Seite. Geschäftsreisende sowie Besucher von Kongressen und Tagungen auf der anderen. „Jeder bekommt den Gast, den er verdient“, lautete einer der präsentierten Leitsätze. Und: „Wir tun alles, um unsere Wunschzielgruppe anzuziehen“, führte Kettner weiter aus.
Rekord nach „Nahtod“
Der leicht snobistisch anmutende Ansatz soll jedoch niemanden diskriminieren, wird betont. Jeder sei in Wien willkommen. Zugrundeliegen dürften diesem strategischen Schwerpunkt schlichtweg ökonomische Überlegungen: Laut Wien Tourismus geben Städteurlauber in der Bundeshauptstadt durchschnittlich 360 Euro pro Tag aus. Geschäftsleute, die beruflich in Wien zu tun haben, essen, shoppen und nächtigen täglich um 560 Euro. Bei Kongressgästen steigt dieser Wert sogar auf mehr 700 Euro.
Dass Wien international als einer der wichtigsten Kongress- und Diplomatie-Standorte gilt, soll künftig zu noch mehr Wertschöpfung führen. Bei aktuell 250 Anfragen in diesem Segment, die bis ins Jahr 2038 reichen, scheinen die heimischen Touristiker dahin gehend auf einem guten Weg zu sein.

Tourismusdirektor Norbert Kettner und Dirk Glaeßer von den United Nations
Bei solchen Zahlen überrascht es nicht, dass sich der städtische Tourismus auf Rekordkurs befindet. 2024 wurden in Wien knapp 18,9 Mio. Nächtigungen registriert. Das war ein neuer Höchstwert, der bisherige Rekord aus dem Jahr 2019 (17,6 Mio.) wurde damit deutlich übertroffen.
Wien-Tourismus verweist auch gern auf weitere Zahlen, die in Zusammenhang mit dem Wachstum stehen: nämlich 5,6 Milliarden Euro an jährlicher Wertschöpfung und mehr als 100.000 Arbeitsplätze, die durch den Fremdenverkehr gesichert werden. Trotz anhaltender „Polykrise“ habe sich Wien als Tourismusstandort von der „Nahtoderfahrung Pandemie“ erholt, ist Kettner überzeugt.
Transparent und nachhaltig
Eng abgestimmt ist die Wiener Tourismus-Vision mit Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), der nach dem „eindrucksvollen Comeback des Städtetourismus“ den eingeschlagenen Weg „mutig weitergehen“ will: „Um eine Zukunft zu gestalten, in der Gäste uns weiter lieben und die hier lebenden und arbeitenden Menschen profitieren. An ihnen misst sich unser Erfolg.“
Nächtigungen
2024 wurden in Wien knapp 18,9 Mio. Nächtigungen registriert. Das war ein neuer Höchstwert, der bisherige Rekord aus dem Jahr 2019 (17,6 Mio.) wurde damit deutlich übertroffen
Wertschöpfung
5,6 Mrd. Euro an jährlicher Wertschöpfung werden durch den Tourismus in Wien generiert. 4,7 Mrd. Euro für den Standort Wien, 900 Mio. Euro für Restösterreich. Zudem sichert der Fremdenverkehr mehr als 100.000 Arbeitsplätze in der Bundeshauptstadt
700 Euro und mehr
geben Kongressgäste in Wien pro Tag aus. Geschäftsreisende bzw. Meetingteilnehmer lassen sich einen Tag in der Bundeshauptstadt immerhin 560 Euro kosten. Der Freizeittourist gibt „nur“ 360 Euro täglich aus. Der Fokus von Wien Tourismus richtet sich daher künftig noch stärker auf die kaufstarken erstgenannten Zielgruppen
Dafür, dass die Ausgewogenheit zwischen Gästezustrom und lebenswerter Stadt weiterhin sichergestellt ist, sollen der neuen Strategie zufolge nicht nur die idealen Reisenden sorgen. Wien ist seit Kurzem auch Mitglied eines Netzwerks der Vereinten Nationen (UN), das sich dem nachhaltigen Tourismus verschreibt. In dem Netzwerk sind Destinationen versammelt, die ökologische und soziale Auswirkungen der Tourismusentwicklung analysieren und sich gemeinsamen Zielen verschreiben, die online für jeden einsehbar sind. „Wien orientiert sich an internationalen Standards“, so Kettner.
Die Themen, die dabei angegangen werden bzw. auch schon wurden, sind vielfältig: Von den bereits geltenden strengeren Regeln für die Kurzzeitvermietung von Wohnungen über das Verbot von Souvenirständen auf Lebensmittelmärkten bis hin zum Einsatz für eine verkehrsberuhigte Innenstadt reicht das Spektrum. Weitere Daueraufreger wie „Mozartverkäufer“ oder E-Scooter will man künftig ebenfalls verstärkt in den Fokus rücken.
Zurückhaltender gibt sich Wien Tourismus hingegen hinsichtlich kurzfristiger Prognosen. Die aktuelle geopolitische Lage samt Rezessionsängsten mache sich zwar noch nicht bemerkbar – in diesem Klima Vorhersagen zu treffen, sei allerdings schwierig.
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