Wien-Währing: Wo Stadt und Land verschwimmen

Einen lebendigen Markt und eine Einkaufstraße findet man in Währing ebenso wie viel Grün
Bis sie Schatten spenden, wird es noch dauern. Aber immerhin leuchten in der Frühlingssonne bereits junge, gesunde Blätter. Die Rede ist von den dünnen Bäumen, die in den vergangenen Jahren im Zuge der Umgestaltung des Kutschkermarkts in Wien-Währing neu verpflanzt wurden. Bei den Anrainern sorgten die „Stauden“, wie ein Standbetreiber damals wenig liebevoll sagte, zunächst für Häme: „Da hätte ich aus meinem Wald schönere Bäume bringen können. Gratis.“
Mittlerweile sind Standler und Marktgeher mit dem neuen Konzept weitestgehend einverstanden. Die Bäumchen werden langsam, aber sicher zu Bäumen und der vergrößerte Kutschermarkt floriert. Im Kleinen zeigt sich hier dennoch, was den 18. Bezirk ausmacht. „Das Geniale an Währing ist die Mischung aus Urbanität und lokalem Zusammenhalt. Die Leute im Bezirk sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. Gleichzeitig schätzen sie es, wenn die Politik Verantwortung übernimmt“, beschreibt Bezirksvorsteherin Silvia Nossek (Grüne) die Währinger Seele.

Bezirksvorsteherin Silvia Nossek (Grüne)
Sie muss es wissen. Nicht nur hat Nossek seit ihrem Amtsantritt im Jahr 2015 mehr als 200 Bäume gepflanzt, auch mit Gegenwind für ihre Vorhaben kennt sie sich aus. Noch vor ihrer Amtsübernahme wurde wegen der Einführung des Parkpickerls gegen sie demonstriert. Übel nehme sie das niemandem, denn schlussendlich sei das Feedback im persönlichen Gespräch dann stets recht ähnlich: „Die Menschen sind nicht mit allem einverstanden, was wir machen, aber sie merken, wir denken uns was dabei. In Währing überwiegt am Ende des Tages das Miteinander.“
Zusammenhalt im Tschocherl
Dieses „Aufeinanderschauen“ ziehe sich durch alle Milieus, so Nossek. Beispiele gibt es einige. Da wäre etwa das „Espresso Babsi“ in der Kreuzgasse, ein uriges Tschocherl und Kontrastprogramm zum schicken Kutschkermarkt. Im Grätzl gilt das Lokal als „Wohnzimmer“ des angrenzenden Gemeindebaus. Als Betreiberin Barbara Langmaier während Corona beschloss, auszumalen, packten die Stammkunden kurzerhand mit an. Sie sind es auch, die die Essenz des Bezirks ähnlich wie Nossek beschreiben: „Wir schauen aufeinander, wenn einer nicht kommt, macht man sich Sorgen.“
Der Bezirk
Währing wird oft als das bürgerliche Gegenstück zu Hernals und Ottakring bezeichnet. Während im Südosten eher dicht verbaute Wohngebiete dominieren, prägen im Norden elegante Gründerzeitvillen das Bild des noblen Cottageviertels. Fast die Hälfte aller Gebäude stammt noch aus der Zeit vor 1919. In unmittelbarer Nähe des Türkenschanzparks befindet sich außerdem der Campus der Universität für Bodenkultur.
Bevölkerung und wie diese wohnt
Mit Stand 1. 1. 2024 lebten 51.395 Personen in Währing. Der Bezirk ist seit 2014 um 3.030 Personen, sprich 6,3 Prozent, gewachsen. Der Bezirk gehört zu den moderat wachsenden Wiener Gemeindebezirken. 25 Prozent der Bewohner besitzen die Immobilie, die sie bewohnen. Zwölf Prozent leben im Gemeindebau und mehr als 50 Prozent wohnen in frei finanzierten Mietwohnungen.
Bildung
51 Prozent der Währinger haben studiert. Das ist ein relativ hoher Anteil, wenn man bedenkt, dass in ganz Wien 30 Prozent Akademiker sind.
In unmittelbarer Nähe, in der „Markthummel“ am Vogl-Platz, einer Mischung aus Café und Greißlerei, sitzen Jungeltern mit Kinderwägen. Sie präzisieren, was ihren Heimatbezirk so attraktiv macht: „Hier kennt man seine Nachbarn, es ist grün, aber trotzdem ist das Stadtleben nie weit“, erzählt die 34-jährige Amelie. Ein Beispiel dafür ist die wenige Gehminuten entfernte Währinger Straße, die im oberen Teil unlängst einen baulich getrennten – und anfangs erneut von Kritik begleiteten – Zweirichtungsradweg verpasst bekommen hat.
Wie in anderen Wiener Einkaufsstraßen geben der Währinger Bezirksvorstehung Leerstände zu denken. Junge, hippe Geschäfte wie der Vintage- und Buchshop „Kanopi“ oder die vegane Bäckerei „Das Lazy“ würden jedoch für frischen Wind sorgen. „Außerdem profitieren die Geschäftsleute in der Währinger Straße von einer treuen Stammkundschaft. Die Menschen wissen, wenn sie eine lebendige Einkaufsstraße wollen, müssen sie in dieser auch einkaufen“, ist Nossek überzeugt.
Teures Pflaster
Weniger Einfluss haben die Bezirksbewohner hingegen auf den begrenzten und teuren Wohnraum. Dass Familien, die sich vergrößern wollen, viel Geduld und tiefe Taschen mitbringen müssen, erzählt Jungmutter Amelie: „Die Mieten sind mittlerweile nur mehr schwer zu stemmen. Von kaufen red’ ich gar nicht.“ Zahlen belegen das: Beim Quadratmeterpreis sind nur die Innere Stadt und Döbling teurer.
Die Gründe liegen auf der Hand: Berichte wie zuletzt, dass eine Jugendbande ihr Unwesen treibt, sind die Ausnahme. Während in anderen städtischen Parks Drogenhandel zum Problem wird, sorgen im bürgerlichen Pötzleinsdorfer Schloßpark oder Türkenschanzpark eher nicht angeleinte Hunde oder rücksichtslose Radfahrer für Ärger.

Am Kutschermarkt kennt man Bezirksvorsteherin Silvia Nossek. Bei „Weltmeister-Kebap-Tanis“ wird sie mit „Hallo Chefin“ gegrüßt. Viele engagierte Währinger würden sich aber auch mit Kritik nicht zurückhalten, so Nossek
Dass Währing keine Insel der Seligen ist, weiß Bezirksvorsteherin Nossek. Ihr Bezirk sei im Wandel. Der U5-Bau etwa werde eine Herausforderung für die Bewohner. Und dann sei da noch die „größte Herausforderung überhaupt“: die Klimakrise. „Die Konsequenzen sind schon da. Das haben uns die Überschwemmungen im Vorjahr gezeigt. Die Politik ist gefordert und die Bevölkerung ebenso.“ In Währing sei man mit dem Grundverantwortungsgefühl der Bewohner prinzipiell gut aufgestellt. Und auch sie werde dagegenhalten. Gerne mit den nächsten 200 Bäumen.
Klarheit: Die wichtigsten Begriffe
SPÖ steht für Sozialdemokratische Partei Österreichs. Gegründet wurde sie 1889 in Hainfeld (NÖ) als Sozialdemokratische Arbeiterpartei, ihre Wurzeln liegen in der Arbeiterbewegung. Die Parteifarbe ist Rot.
In Österreich zählt die SPÖ zu den sogenannten linken Parteien; im Grundsatzprogramm von 1998 bekennt sie sich zu den Werten Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Vollbeschäftigung. Säulen der Partei sind auch die Vertreter aus Arbeiterkammer (AK) und Gewerkschaftsbund (ÖGB). Seit 1945 stellt die Wiener SPÖ durchgehend den Bürgermeister – aktuell ist das Michael Ludwig.
Im Jahr 1892 wurden die ehemaligen Vororte Währing, Weinhaus, Gersthof, Pötzleinsdorf, Neustift am Walde und Salmannsdorf als Bezirk Währing eingemeindet. 1938 wurde Währing verkleinert, denn Neustift am Walde und Salmannsdorf gingen an den 19. Bezirk Döbling. Dem 18. Bezirk bleibt somit eine Fläche von 6,3 km², auf der 51.395 Personen leben. Etwa die Hälfte des Bezirks ist Gründland, wie beispielsweise der Türkenschanzpark. Nahezu die Hälfte der Währinger Gebäude wurden bereits vor 1919 errichtet. Im Norden des Bezirks gibt es Gründerzeitvillen im Cottageviertel. Bezirksvorsteherin ist Silvia Nossek (Grüne).
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