Rockerboss der Hells Angels mit Panzerwagen abgeholt

Polizei vor einem Vereinslokal der Hells Angels in Wien-Margareten
Großeinsatz mit 100 Polizisten: Nach Mord wurde deutscher Verdächtiger in Wien festgenommen.

10.000 Euro Belohnung hatten die Ermittler aus Deutschland erst am Dienstag zur Ergreifung von Marcus M. ausgesetzt. Gestern, Mittwochmittag, wurde der 34-Jährige in Wien-Margareten fest- genommen. Und zwar im Chapter (Niederlassung, Anm.) der Hells Angels Wien in der Siebenbrunnengasse.

100 Polizisten, darunter Beamte des Bundeskriminalamts, der Wiener Polizei und der Spezialeinheit Cobra, waren mit Panzerwagen angerückt. Marcus M. bekam von all dem nichts mit: Denn der wegen Mordverdachts international gesuchte ehemalige Chef der Hells Angels Leipzig schlief. Er wurde mittels Megafon geweckt.

"Es gab einen Tipp, dass er sich derzeit in Wien aufhält", erklärt Cobra-Chef Walter Weninger. Da man von den Polizei-Kollegen in Deutschland gewarnt war, dass Mitglieder der Hells Angels auch nicht vor Waffengewalt gegen die Polizei zurückschrecken, habe man nichts dem Zufall überlassen und dementsprechend Stärke demonstriert.

Rockerboss der Hells Angels mit Panzerwagen abgeholt
ABD0031_20170104 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA0259 VOM 4.1.2017 - Ein Polizeifahrzeug vor einem Vereinslokal der Hells Angels in Wien-Margareten am Mittwoch 04. Jänner 2017 in Wien. In einem Einsatz wurde von einem Großaufgebot der Polizei ein deutscher Mordverdächtiger festgenommen. - FOTO: APA/HANS PUNZ

Marcus M. öffnete, geweckt durch die Ansage aus dem Megafon, tatsächlich ein Fenster und sah heraus. "Angesichts des Aufgebotes hat er wohl die Aussichtslosigkeit erkannt", sagt Weninger. Kurz darauf sei der Mordverdächtige herausgekommen und habe sich widerstandslos festnehmen lassen.

Bei der Durchsuchung der Räumlichkeiten wurde eine Faustfeuerwaffe sichergestellt. Es wird nun überprüft, ob die Waffe in Zusammenhang mit Straftaten steht.

Sieben Schüsse

Marcus M. sitzt nun in der Justizanstalt Josefstadt und wartet auf seine Auslieferung nach Deutschland. Er soll im Juni 2016 in Leipzig mit drei Mittätern Rivalen des Rockerclubs "United Tribuns" attackiert haben. Zwei Männer wurden schwer verletzt, Tribuns-Anwärter Veysel A. wurde mit sieben Schüssen aus einer Pistole getötet.

Rockerboss M. soll diese Schüsse zwar nicht abgegeben haben – aber er soll auf den angeschossenen Rivalen in Tötungsabsicht eingetreten haben.

Zwei Rocker der Hells Angels wurden damals festgenommen, darunter eben auch Marcus M. Doch der dringende Tatverdacht konnte sich vorerst nicht bestätigen, er kam wieder auf freien Fuß. Wenig später allerdings erhärtete sich der Verdacht wieder – da war der 34-Jährige allerdings schon längst abgetaucht. In ganz Europa wurde daraufhin nach ihm gefahndet.

Rockerboss der Hells Angels mit Panzerwagen abgeholt

Einsatz Hells Angels
Rockerboss der Hells Angels mit Panzerwagen abgeholt

Einsatz Hells Angels
Rockerboss der Hells Angels mit Panzerwagen abgeholt

Einsatz Hells Angels
Rockerboss der Hells Angels mit Panzerwagen abgeholt

Einsatz Hells Angels
Rockerboss der Hells Angels mit Panzerwagen abgeholt

Einsatz Hells Angels
Rockerboss der Hells Angels mit Panzerwagen abgeholt

Einsatz Hells Angels

Am Mittwoch wurde er schließlich in der Siebenbrunnengasse festgenommen. Bis etwa 13 Uhr dauerte der spektakuläre Einsatz. In einem Kaffeehaus nahe des Chapters wird Mittwochnachmittag geraucht, Spritzer getrunken und – vor allem – geschwiegen. Man habe kaum etwas gesehen, beteuern die Anwesenden, man habe das Lokal während des Einsatzes ja gar nicht verlassen dürfen. Mit den Nachbarn, scheint es, will man es sich eben nicht verscherzen.

Ein paar Häuser weiter, in einem Fachgeschäft für Bodenbeläge, wurde Verkäufer Gerhard R. Augenzeuge des Einsatzes: "Ich wollte gerade Pause machen und mir eine Jause kaufen", erzählt er. Da sah er Blaulicht, jede Menge Einsatzfahrzeuge und Polizisten. "Ich bin zur Sicherheit von der Auslagenscheibe weggegangen. Immerhin trugen die Polizisten Schutzbekleidung – und ich nur dieses dünne Hemd", sagt er und lacht. Eine halbe Stunde habe er gewartet, bis er es schließlich wagte, das Geschäft über den Hintereingang zu verlassen, um Essen zu kaufen. "Danach bin ich hinten im Büro geblieben, bis alles vorbei war. Einen derartigen Großeinsatz habe ich jedenfalls noch nie gesehen", sagt Gerhard R.

Immer mehr Rockergruppierungen wollen sich in Österreich niederlassen. In der Szene haben zwar nach wie vor die Hells Angels das Sagen, doch sie werden von der Konkurrenz zunehmend unter Druck gesetzt.

Seit 2014 versuchen die United Tribuns, in Österreich Strukturen aufzubauen. Sie sind vor allem in Villach, Vorarlberg und Wien aktiv. Der Club war zuletzt in Deutschland in Auseinandersetzungen mit anderen Gruppierungen verwickelt, in Kärnten wurden vier Mitglieder wegen Erpressungsverdachts festgenommen. Außerdem soll es Verbindungen zur tschetschenischen Mafia geben. Eigentlich hatten die United Tribuns mit den Hells Angels Frieden geschlossen. Als Mitglieder der Tribuns jedoch einen mutmaßlichen Geschäftspartner der Hells Angels zu erpressen versuchten, wurde dieser brüchig. Das birgt laut Kennern Potenzial für Auseinandersetzungen.

Mit den Osmanen Germania drängt ein türkisch-nationalistischer Club nach Österreich. 2016 haben sie ihr erstes Chapter in Wien gegründet. Sie fielen ebenfalls in Deutschland im Sommer wegen blutiger Auseinandersetzungen auf. Auch die berüchtigten Hells-Angels-Konkurrenten Bandidos versuchen in Österreich Fuß zu fassen. In den vergangenen Jahren waren sie damit aber gescheitert.

Kommentare