Klima-Proteste in Wien: Vom Rathaus auf die Straße
„Gewisse Teile des Gebäudes sind vorerst nicht mehr öffentlich“. Mit diesen Worten endete der Versuch eines KURIER-Besuchs bei den sieben Greenpeace-Aktivisten, die Donnerstagfrüh den Gang vor dem Büro von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) besetzten, vor eben diesem Korridor. Dort, wo man üblicherweise einfach hineinspazieren kann, versperrte am Freitagvormittag plötzlich ein Mitglied der Rathauswache den Weg.
Die Ankündigung Ludwigs, die Sicherheitsmaßnahmen im Rathaus verstärken zu lassen, wurde also offenbar rasch umgesetzt (siehe auch Kommentar unten).
Die als „Open End“-Besetzung angekündigte Aktion fand wenig später – konkret nach 28 Stunden – ohnehin ein Ende. Zur symbolträchtigen Uhrzeit „5 vor 12“ verließen die Aktivisten freiwillig das Rathaus. Allerdings ohne, wie angestrebt, mit Ludwig über die umstrittene Nordostumfahrung samt Lobautunnel gesprochen zu haben.
"Erster Warnschuss“
Für Klara Maria Schenk, Verkehrssprecherin von Greenpeace, ist die Aktion trotzdem ein Erfolg: „Wir haben gezeigt, dass wir es ins Zentrum der Macht schaffen können“, sagt sie nach Verlassen des Rathauses. Ein „erster Warnschuss“ sei die Aktion gewesen, und „es war sicher nicht das letzte Mal, dass der Bürgermeister von uns gehört hat“. Man werde den harten Widerstand gegen das – nicht zuletzt von zahlreichen Verkehrsexperten abgelehnte – Bauprojekt aufrechterhalten.
Doch jetzt sei es Zeit, die jungen Menschen beim achten, weltweiten Klimastreik von Fridays for Future zu unterstützen. Dessen Beginn war für 13 Uhr am Praterstern angesetzt. Und auch dort waren der Lobautunnel und der ebenso umstrittene Autobahnzubringer „Stadtstraße Aspern“ allgegenwärtiges Thema. „Die Lobau wird bleiben, so wie die Hainburger Au“, schallte es schon vor Demo-Start von einer Bühne.
Unter den Teilnehmern waren die Verkehrsprojekte das Top-Gesprächsthema. „Es wird immer mehr verbaut, das gehört gestoppt. Und wir brauchen Grünflächen“, sagt etwa die 15-jährige Tamara.
Freilich ging es beim Klimastreik aber um weit mehr. Mehr als 100 Organisationen – von der Arbeiterkammer über das Rote Kreuz und Vier Pfoten bis zu „Religions for Future“ –, hatten in Wien zur Teilnahme geladen. Rund 20.000 Menschen waren dem Aufruf laut Veranstalterangaben bis 14 Uhr gefolgt. Die Polizei zählte 5.500 Demonstranten.
Begleitet von Trommeln und Musik zogen die Menschen über die Praterstraße und den Ring zum Heldenplatz, um für konsequenten Klimaschutz und das Pariser Klimaziel der Begrenzung der Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad bis zum Jahr 2100 zu demonstrieren.
Ein Ziel, von dem wir uns sowohl global (aktuelle Prognose: plus 2,7 Grad) als auch in Österreich (plus 5 Grad) immer weiter entfernen. Einen „katastrophalen Weg“ nannte das UN-Chef António Guterres vergangene Woche.
Machen statt plaudern
Mit Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky fand sich beim Streik übrigens auch ein Vertreter der SPÖ ein, die sich in der Klimabewegung bisher nicht viele Freunde gemacht hat. Wie sich das ausgeht?
„Ich teile die Anliegen der Klimabewegung, denn es geht beim Klimaschutz weltweit darum, unsere Existenzgrundlagen zu schützen. Dazu muss auf den unterschiedlichsten Ebenen gehandelt werden. Es braucht eine Kraftanstrengung von uns allen, damit wir die Paris-Ziele erreichen: von der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft und natürlich der Politik“, sagt Czernohorszky.
Um Kritikerinnen wie die beiden „um die 60“-jährigen Ulrike und Barbara zu überzeugen, wird es aber mehr brauchen. „Es geht uns um eine lebenswerte Zukunft für unsere Kinder und Enkel“, sagen sie. Von schönen Worten haben sie genug: „Es geht um die Durchführung, nicht ums Plaudern.“
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