Wien: Neos wollen verbindliche Regeln für Wahlkampf ohne Fake News
Der Ort für den Termin war nicht zufällig gewählt: Dienstagfrüh forderten die Neos Wien vor dem Verfassungsgerichtshof in der Wiener Innenstadt "klare Regeln für einen fairen Wahlkampf".
Unterstützung holten sich die Pinken dabei von Ex-Neos Abgeordneter und der ehemaligen OGH-Präsidentin Irmgard Griss. "Die Person, die in der Österreichischen Politik für Haltung und Anstand steht", wie es Neos-Spitzenkandidat Christoph Wiederkehr formuliert.
Mit den anderen Parteien wollen sich die Neos innerhalb einer Woche auf ein "Fairnessabkommen" einigen. Möglich wäre das durch das Parteienförderungsgesetz, das ein solches Abkommen empfehle, meint Wiederkehr.
So wollen die Neos etwa eine Halbierung der Wahlkampfkosten-Obergrenze von sechs auf drei Millionen Euro. In Zeiten wie diesen, meint Wiederkehr, könne niemand nachvollziehen, warum es eine "Materialschlacht" geben soll. Das sei ein Mittel, um Vertrauen aufzubauen.
Tatsächlich sind die Wahlkampfkosten mit maximal sechs Millionen Euro pro Partei ganz schön üppig. Pro wahlberechtigtem Wiener oder wahlberechtigter Wienerin sind das 4,4 Euro. Auf Bundesebene beträgt die Grenze sieben Millionen Euro. Das sind knapp 1,1 Euro pro Wahlberechtigtem.
Freilich bräuchte es für die Halbierung der Wahlkampfkosten-Obergrenze einen Landtagsbeschluss. Ob die anderen Parteien mitspielen, ist zu einem Zeitpunkt, an dem die Budgets bereits stehen, fraglich. Zudem ist die Forderung der Neos nicht neu. Bisher stieß sie jedoch auf taube Ohren.
Die Pinken selbst haben für ihren Wahlkampf jedenfalls rund zwei Millionen Euro budgetiert. Rund 10.000 Euro davon wurden durch Spenden finanziert. Das ist nämlich ebenso ein Punkt des geforderten Fairnessabkommens: Transparenz. Alle Ausgaben, Einnahmen und Spenden im Wahlkampf müssten offen gelegt werden.
Wer die Wahlkampfkosten-Obergrenze überschreite oder schummle, müsste Strafzahlungen in vierfacher Höhe der Überschreitung zahlen, fordert Wiederkehr. Das sei durch den Stadtrechnungshof kontrollier- und sanktionierbar. Da der derzeit in dieser Sache aber keine Prüfkompetenz habe, braucht es auch dafür einen Landtagsbeschluss.
Faktenbasiert
Und zuletzt soll der Wiener Wahlkampf fair und faktenbasiert ablaufen. Dass die Neos selbst zuletzt für Social Media mit Videokamera unangekündigt bei nicht amstführenden Stadträten (die nicht im Büro waren) aufgetaucht sind und Mitarbeiter gegen deren Wunsch gefilmt haben, sei da kein Widerspruch.
"Bei einem fairen Wahlkampf geht es um Sachthemen", sagt Wiederkehr auf KURIER-Nachfrage. Da die nicht amtsführenden Stadträte den Steuerzahler eine Million Euro kosten würden, sei das zulässig. Zudem habe man die Mitarbeiter in dem Video unkenntlich gemacht. Überhaupt: Ein Politiker müsse für Fragen zur Verfügung stehen.
Eine wichtige Forderung jedenfalls: "Keine Fake News in Wien", so der Wunsch der Neos.
Ob alle Parteien das Abkommen unterzeichen, war Dienstagnachmittag ungewiss. Die FPÖ jedenfalls dürfte wohl nicht so rasch zum Stift greifen. "Wenn Politiker die Büros von anderen Parteien stürmen, dann sich von dieser Partei Fairnessangebote nicht ernst zu nehmen", hieß es in einer ersten Stellungnahme.
Erste Unterzeichner
Als erste Partei unterzeichnete jedenfalls Martha Bissmann, Spitzenkandidatin der Partei "SÖZ - Sozial & Ökologisches Österreich der Zukunft" das Fairnessabkommen. Ein Problem mit dem Wahlkampfbudget wird die Partei, die heuer erstmals antritt, auch nicht bekommen. Es seien maximal 50.000 Euro budgetiert, heißt es.
Auch das Bündnis Links will das Fairnessabkommen unterzeichnen. Was die Halbierung der Wahlkampfkosten-Obergrenze betrifft, erklärt Listenzweite Angelika Adensamer: "Wir finden es nicht richtig, dass Investitionen, etwa in Werbung, mehr Ausschlag geben als politische Inhalte". Das eigene Budget betrage 100.000 Euro.
Marco Pogo, Spitzenkandidat der Bierpartei hatte hingegen einen Gegenvorschlag für die Neos: Eine Wahlkampfkosten-Obergrenze von 500 Euro. Denn: Auch eine Obergrenze von drei Millionen Euro koste ihm als Kleinpartei ein müdes Lachen.
Beim Team HC Strache wiederum hieß es, man kenne das Abkommen noch nicht, habe aber nichts gegen einen fairen Wahlkampf.
Am Dienstagabend meldete sich dann auch die ÖVP Wien zu Wort: Man unterschreibe keine Wahlprogramme anderer Parteien, teilte man mit. Das sei ein durchsichtiges Manöver und Heischen nach Aufmerksamkeit.
Von den anderen Parteien gab es vorerst noch keine Rückmeldung.
Nicht das erste Fairnessabkommen
Ganz ungewöhnlich sind derartige Fairnessabkommen nicht. "Im Bundespräsidenten-Wahlkampf hatten wir ein Fairnessabkommen. Das haben alle Parteien unterschrie. Nur eine nicht", sagt Griss. Die Gesellschaft und auch die Politik brauche Regeln, Kontrolle und bei missachtung der Regeln Sanktionen, "die auch wehtun". "Nur so kann in der Stadt Vertrauen entstehen." Es brache einfach einen fairen Wahlkampf, der faire Bedingungen für alle Parteien schaffe.
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