Wien-Wahl: Warum Neos-Chef Wiederkehr mit Ludwig regieren will

Wien-Wahl: Warum Neos-Chef Wiederkehr mit Ludwig regieren will
Eine Koalition mit der ÖVP schließt der Christoph Wiederkehr aus, eine mit der SPÖ gefiele ihm. Eine riskante Strategie.

Seit dem späten Donnerstagabend ist klar, warum Christoph Wiederkehr, Chef der Wiener Neos und deren Spitzenkandidat für die Wien-Wahl, dezidiert nicht mit Gernot Blümel, Finanzminister und Spitzenkandidat der ÖVP bei der Wien-Wahl, koalieren möchte.

Wiederkehr sucht die Nähe zum amtierenden Bürgermeister Michael Ludwig.

Das hat er in der "ZiB 2" im ORF am Donnerstag mehr als klar gemacht. Er stehe für eine Koalition mit der SPÖ zur Verfügung, sagte Wiederkehr. Nachsatz: „Wenn sich Ludwig traut.“ Schließlich würde Wiederkehr nicht seine „Werte an der Garderobe des Bürgermeisters abgeben.“

Rot-Pink in Wien, das ist eine Koalitionsvariante, die bisher nicht viel Beachtung gefunden hat. Für die Neos, die im Bund in der undankbaren Oppositionsrolle gefangen, böte sich in Wien damit endlich wieder eine Möglichkeit, auf Landesebene mitzuregieren.

Und auch für die SPÖ und Bürgermeister Michael Ludwig hätte das durchaus Vorteile. Für ihn wäre die Koalition mit den Pinken die wohl bequemste Variante. Ludwig, der am 11. Oktober ziemlich sicher Erster wird, wäre dann die für ihn zuletzt unkontrollierbarer gewordenen Grünen los.

Wien-Wahl: Warum Neos-Chef Wiederkehr mit Ludwig regieren will

Es kriselt zwischen Hebein und Ludwig

Mit den Neos hätte die Wiener SPÖ nicht nur einen eher berechenbaren Juniorpartner. Auch bei wichtigen Themen wie Bildung oder Klimaschutz gibt es durchaus Gemeinsamkeiten. Immerhin sind die Neos für grün-affine Wähler, die mit dem Pop-up-Populismus von Birgit Hebein nichts anfangen können, eine gute Alternative.

Apropos Grüne: Mit den Neos zu regieren, hätte für Ludwig noch einen Vorteil. Der SPÖ-Chef müsste im beliebten Match „Stadt gegen Bund“ keine Querschüsse der Grünen mehr befürchten, die ja im Bund mit der ÖVP koalieren.

Was heißt liberal?

Für die Neos ist die Strategie dennoch gefährlich: Die Pinken präsentieren sich gerne als moderne Alternative zur ÖVP. In konservativen Kreisen nimmt man ihnen das schon länger nicht mehr ab: Die Neos seien nicht wirklich (wirtschafts-)liberal, sondern höchstens linksliberal, ätzt man dort regelmäßig.

Die Koalitionsansage von Christoph Wiederkehr klingt da wie eine Bestätigung. Die ÖVP wird es wohl auskosten. Die Neos könnte es Wählerstimmen kosten. Vor allem jene, die die Kontrollarbeit der Partei schätzen, die sich vor allem gegen den roten Filz in der Stadt richtet, könnten enttäuscht sein.

Dann ist da noch ein Problem: Die Neos müssen in den nächsten sieben Wochen kräftig zulegen, damit eine Koalition mit der SPÖ überhaupt machbar ist. Denn rechnerisch ist Rot-Pink derzeit die unwahrscheinlichste aller Varianten.

Die Neos schwächeln

Für eine Mehrheit im Wiener Gemeinderat benötigen die künftigen Koalitionspartner rund 48 bis 49 Prozent der Stimmen, schätzen Experten. (Genauere Werte lassen sich wegen der komplizierten Wahlarithmetik vorab nicht nennen.) Die SPÖ liegt Umfragen zufolge derzeit bei

38 Prozent – Tendenz eher steigend. Auch mehr als 40 Prozent werden den Sozialdemokraten je nach Verlauf des Wahlkampfs noch zugetraut.

Die Neos hingegen schwächeln: Im Jahr 2015 kamen sie auf 6,2 Prozent. In aktuellen Umfragen liegen sie derzeit nicht deutlich höher. Für Rot-Pink wäre das zu wenig.

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