Ärger um ÖVP-Anrufe bei Wählern

Geht man am 26. September in ein Wahllokal, darf ein Mund-Nasen-Schutz nicht fehlen. Die geltenden Corona-Schutzbestimmungen werden ausgehängt.
Neos orten unsaubere Wahlkampf-Methoden / Angst vor niedriger Wahlbeteiligung.

Christoph Wiederkehr hat einen neuen Lieblingsgegner. Der Chef der Wiener Neos hat es auf die Türkisen abgesehen. Nachdem Wiederkehr zuletzt eine Koalition mit der ÖVP dezidiert ausgeschlossen hat, werfen die Pinken den Türkisen jetzt sogar „illegale Wahlkampfmethoden“ vor.

Die Kritik: Die ÖVP rufe potenzielle Wähler an und biete diesen an, eine Wahlkarte zuzuschicken. „In Zeiten verschärften Datenschutzes ist es nicht nur eine Frage des Anstandes, dass man so etwas nicht macht“, sagt Neos-Landesgeschäftsführer Philipp Kern. Das sei „demokratiepolitisch ein Thema“, mit möglicherweise „strafrechtlicher Relevanz“. Denn: „Woher hat die ÖVP die Telefonnummern?“

Bei den Neos haben sich laut Kern mehrere Menschen gemeldet, die sich mehr als überrascht gezeigt haben sollen über den Anruf der ÖVP.

Briefwahl

Tatsächlich legt die ÖVP heuer einen starken Fokus auf die Briefwahl. Mit den freiwilligen Helfern, mit denen sie die Wähler mobilisiert, wird die Briefwahl extra beworben – weil sie in Zeiten von Corona die sicherste Art zu wählen sei.

Aber hat die ÖVP dabei unerlaubt auf Telefonnummern zugegriffen? Die Türkisen schließen das aus, dezidiert. Bei der ÖVP ist man verwundert: „Das sind Falschinformationen, mit denen die Neos um sich schlagen“, sagt ÖVP-Landesgeschäftsführerin Bernadette Arnoldner. „Wir rufen nur unsere Mitglieder an“, sagt ein Sprecher zum KURIER. „Zu 100 Prozent.“

Dass die ÖVP dort aber darum wirbt, die Briefwahl zu nutzen, streitet niemand ab. „Wir rufen an, sagen: Bitte geht wählen, bitte nutzt die Briefwahl“. Man verweise auf wien.gv.at, wo die Wahlkarte herunterzuladen ist. (Seit 14. Juli können Wahlkarten beantragt werden, ausgeschickt werden sie erst ab Mitte September.)

Massen-SMS

Für die Neos ist das Thema, das sie nun selbst aufbringen, nicht unheikel. Eine ähnliche Debatte gab es bei der Wien-Wahl 2015. Damals waren es die Neos, die auf zweifelhafte Weise Wähler kontaktierten: Sie verschickten im Namen der damaligen Landeschefin Beate Meinl-Reisinger Massen-SMS. Die Nummern hatte man von der Post erstanden. Die Datenschutzbehörde ermittelte. Die Argumentation der Neos damals: Alles „ganz legal“. Man habe nicht um Stimmen geworben, sondern nur zur Wahl aufgerufen. Wahlkampf-Chef der Neos war damals übrigens Peter Puller, der zuvor mit Dirty Campaigning (für die ÖVP) und danach (rund um Politberater Tal Silberstein) für Aufregung sorgte.

Der jüngste Konflikt ist nicht der erste seiner Art im Wahlkampf: Unlängst erregte Heinz-Christian Strache Aufsehen, als er Würstel an alle verteilen wollte, die eine Unterstützungserklärung für seine Partei unterschreiben. Derartige Gratis-Leistungen im Austausch anzubieten, ist übrigens legal, wie Juristen erklärten. Verbotener Stimmenkauf liege nur vor, wenn Leistungen für die Stimmabgabe beim Wahlgang selbst geboten werden.

All das zeigt, wie umkämpft die Wählerstimmen sind. Größter Feind der Parteien ist das Coronavirus, das zu einer niedrigen Wahlbeteiligung führen dürfte. Wegen der Ansteckungsgefahr sind Großevents im Wahlkampf nicht möglich. Hinzu kommt, dass viele Wähler Angst haben könnten, sich im Wahllokal zu infizieren. Das schadet vor allem jenen Parteien schaden, deren Anhänger zur älteren Bevölkerungsgruppe zählen. Allen voran ist das in Wien die SPÖ. Meinungsforscher rechnen damit, dass der Anteil an Briefwählern so hoch sein könnte wie nie.

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