Wien-Wahl: Grätzel-Sprechstunde beim Finanzminister
Etwas abseits vom Trubel stehen zwei ältere Männer vor dem Einkaufszentrum „The Mall“ in Wien-Mitte. Sie politisieren über den Herrn, der inmitten einer türkisen Sitzgruppe steht. „Das mit der Finanz“, sagt einer der Männer, „war ihm zu schwer. Jetzt will er Bürgermeister werden.“
Die Rede ist von Gernot Blümel, Finanzminister und Spitzenkandidat für die ÖVP bei der Gemeinderatswahl am 11. Oktober. Dass Blümel neuer Wiener Bürgermeister wird, ist so gut wie ausgeschlossen.
Was der Finanzminister zuletzt nicht mehr ausgeschlossen hat, ist, dass er bei einem entsprechenden Wahlergebnis ins Rathaus wechseln würde. Damit er das schafft, geht er jetzt unter die Leute.
Für Dienstag um 17 Uhr lud Blümel zum Auftakt seiner Grätzel-Gespräche in seinen Heimatbezirk Landstraße. „Der schönste Bezirk Wiens“, wie Blümel sagt.
„Reden wir über Wien“ nennt sich die Wahl-Veranstaltung. Dafür bauen die Stadt-Türkisen in den Grätzeln eine (natürlich) türkise Sitzgruppe aus Holz auf.
Darin sollen die potenziellen Wähler auf den türkisen Sitzpolstern (sie dienen dem Abstandhalten) Platz nehmen.
„Und mittendrin der Gernot“, sagt Peter L. Eppinger, Ex-Ö3-Moderator, sogenannter „Sprecher der türkisen Bewegung“ und nun auch Kandidat. Eppinger moderiert das Event, lädt Menschen ein, Platz zu nehmen, und drängt sich geschickt vor jene, die eher unliebsame Fragen stellen.
Laptop und Kaffee
„Haben Sie wirklich keinen Laptop?“, will ein Mann von Blümel wissen und schießt gleich noch nach: „Muss das wirklich sein? 86-mal keine Erinnerung?“ Der Mann spricht Blümel auf seinen Auftritt im Ibiza-Untersuchungsausschuss an.
Blümel (in türkisen Socken) gibt darauf auch diesmal keine wirkliche Antwort. Mit anderen spricht er da schon lieber. Das sehr nett, ganz Politiker und neuerdings auch teilweise im Dialekt.
Was die Menschen mit einem Finanzminister im Wahlkampf reden wollen? Junge Menschen über die Schule (sie filmen das auch für TikTok mit), Ältere über die Arbeit. Manche wollen sich auch bedanken.
So wie der Chef des Café Daylounge gegenüber der Mall. Er habe die Corona-Krise in seinem Lokal mit dem Kurzarbeitsmodell gemeistert – und auch den Fixkostenzuschuss schon überwiesen bekommen.
Dafür serviert er dem Minister einen großen Braunen über die Straße. „Ich hab gehört, dass er ihn so mag.“
Fast. Blümel trinkt seinen Kaffee verlängert schwarz. „Schwarz und bitter wie die ÖVP – haben wir früher gesagt. Aber so sind wir ja nicht mehr“, sagt Blümel.
Punkt 18.30 Uhr war – wie geplant – Schluss mit Reden. Der Finanzminister hat einen straffen Zeitplan.
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