Wien: Abschied von der Citymaut?
Seit die Bundesgrünen zurück im Nationalrat sind und auf eine Regierungsbeteiligung schielen, mehren sich die Signale: Die Öko-Partei kann auch pragmatisch, versucht Parteichef Werner Kogler zu demonstrieren. Ausgerechnet Birgit Hebein, Chefin der als links geltenden Wiener Landesgruppe, ließ den Worten am gestrigen Donnerstag Taten folgen: Die Vizebürgermeisterin lud da zu einem Verkehrsgipfel im Rathaus.
Eingeladen waren Vertreter aller im Gemeinderat vertretenen Parteien sowie aus den Bezirken und die Sozialpartner. Im Vorfeld war nicht klar, welche Ideen Hebein dort präsentieren würde. Manche fürchteten, sie würde den umstrittenen Plan von der Citymaut, mit dem schon ihre Vorgängerin Maria Vassilakou die SPÖ ärgerte, wieder aus der Schublade holen.
Nach dem Gipfel war klar:
Konkrete Maßnahmen gibt es vorerst nicht. Hebein verkündete im Anschluss nur soviel: Unter den Teilnehmern bestehe Konsens, dass die Parkraumbewirtschaftung „gesamtheitlich“ reformiert werden soll. Unstrittig sei auch der Öffi-Ausbau. Über konkrete Ideen und Vorschläge, die zur Sprache gekommen sind, sei Stillschweigen vereinbart worden.
Lösungspaket in ein paar Monaten
„Der nächste Schritt ist eine Zusammenführung dieser Vorschläge“, sagt Hebein. NGOs, Mobilitätsklubs und Vertreter aus dem Umland sollen dazu an den Tisch geholt werden. Bis ein Lösungspaket geschnürt ist, werde es noch einige Monate dauern. Dass der Verkehrsgipfel ohne konkretes Ergebnis zu Ende ging, überrascht zwar nicht ganz. Das Rathaus hatte bereits im Vorfeld ankündigt, dass es sich lediglich um eine Auftaktveranstaltung handle. Und dennoch ist der Ausgang bemerkenswert.
Mit ihrem konsensualen Vorgehen hebt sich Hebein stark von ihrer Vorgängerin ab. In Wien, wo sie nach der Nationalratswahl gestärkt (und die SPÖ geschwächt) ist, könnte ihr das weitere Sympathiepunkte einbringen. Und es könnte zur Beruhigung der türkisen Skeptiker im Bund beitragen.
Bei allem Pragmatismus darf eines nicht in Vergessenheit geraten: Zu tun gibt es in Sachen Verkehr in Wien weiterhin genug. Der KURIER beleuchtet die fünf wichtigsten Streitthemen.
1. Citymaut: Nur ein Schreckgespenst?
Die Idee einer Citymaut geistert seit mehr als einem Jahr durch Wien. Geweckt hat das Schreckgespenst die grüne Ex-Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou. Eine Gebühr, die morgens an der Stadtgrenze eingehoben wird, solle die Pendlerströme nach Wien reduzieren, forderte sie. Allerdings: Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) erteilte dem Vorstoß prompt eine Absage. Und: Das ÖVP-geführte Finanzministerium meldete rechtliche Bedenken an – unter anderem, weil die Maut Wiener und Pendlern ungleich behandeln würde.
So kam es gar nicht erst dazu, dass Details diskutiert wurden – etwa die Höhe der Gebühr und die Kontrolle. Die Kosten für die nötige Infrastruktur – etwa Kameras zum Auslesen der Kennzeichen – sind laut Experten nicht zu unterschätzen. Das alles hielt Vassilakous Nachfolgerin Birgit Hebein bisher nicht davon ab, weiter laut über die Citymaut zu sinnieren.
Mehr als Lippenbekenntnisse gab es von ihr allerdings nicht. Und es sieht auch nicht danach aus, dass sich das ändern wird: Beim Verkehrsgipfel wurde das Thema nur gestreift.
2. Parken: Mehreres liegt, nichts pickt
„Unübersichtlich“ ist jenes Adjektiv, das die Parkpickerl-Lösung am besten beschreibt. Die Kurzversion: In 19 von 23 Bezirken muss man fürs Parken bezahlen; Anrainer mittels Dauerplakette, alle anderen mit Parkschein. Die Langversion: Das Parkpickerl gilt nicht im ganzen Bezirk; die Kurzpark-Dauer ist unterschiedlich lang; und es gibt Überlappungszonen sowie Anrainerparkplätze.
Die Ursache für diesen Fleckerlteppich ist, dass das Parkpickerl Bezirkskompetenz ist. Alternativen dazu kursieren mehrere: Der Donaustädter Bezirkschef Ernst Nevrivy (SPÖ) verlangt Gratisparken für Wiener. ÖVP und Neos fordern ein Drei-Zonen-Modell mit abgestuften Tarifen.
Und Bürgermeister Ludwig denkt laut über Parkpickerl mit individuellem Gültigkeitsbereich oder für konkrete Grätzel nach. Welches Modell kommt, ist unklar.
3. Innenstadt: Bezirk kocht eigenes Süppchen
Im Wiener Zentrum ist – auch auf den Straßen – viel los. Stau, wenige Parkplätze und Touristenbusse sind die Probleme, die in den engen Gassen auf Autofahrer warten. Um das Chaos zu beseitigen, stellte Maria Vassilakou im Februar 2018 Fahrverbote im Zentrum in Aussicht. Zum Ärger von Bezirksvorsteher Markus Figl (ÖVP). Er holte zum Gegenschlag aus und beauftragte ein „umfassendes Verkehrskonzept“.
Man komme Zufahrtsbeschränkungen damit einen Schritt näher, hieß es. Von einer Maut über versenkbare Poller bis hin zu einem Fahrverbot nach italienischem Vorbild (zona traffico limitato, eine Art Fußgängerzone) sei alles möglich.
Allerdings: Konkrete Ergebnisse liegen eineinhalb Jahre später nicht vor – und zeichnen sich auch nicht ab. Eine Bürgerversammlung dazu habe es bereits gegeben, verkündete Figl zuletzt. Die Zeit drängt jedenfalls: Denn Figl will das Thema vor dem Wahlkampf für die Wien-Wahl abschließen. Sollte das doch nicht gelingen, hat der Bezirkschef jedenfalls eines geschafft: Er hat langfristig vermieden, dass ihm das grüne Verkehrsressort hineinfunkt.
4. Öffis: Außen vor
Der öffentliche Verkehr in Wien gilt zwar als Vorzeigemodell. Aber auch hier gibt es Baustellen. Die Außenbezirke sind stark benachteiligt, stellte unlängst eine Studie fest: wegen langer Wartezeiten, weiten Wegen zu den Stationen und fehlender Querverbindungen.
Ein S-Bahn-Ring oder ein Ausbau der U-Bahn zur Stadtgrenze könnte das ändern. Ob diese Maßnahmen kommen, ist offen. Dass die Öffis ausgebaut werden sollen, ist für die Teilnehmer des Runden Tischs aber unstrittig.
5. Spaltpilz Fahrrad
Der Radverkehrsanteil kommt in Wien nicht über sieben Prozent hinaus – und liegt damit unter dem erklärten Ziel der Grünen von zehn Prozent. Vassilakou versuchte das mit umstrittenen Radweg-Projekten wie jenem an der Linken Wienzeile zu ändern. Die erklärte Radfahrerin Hebein hält sich mit solchen Vorhaben (noch) zurück.
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