Faktencheck: Was bringen Citymaut und Parkpickerl?
Pendler nicht schikanieren, sondern sie mit Anreizen zu einem Umstieg auf die Öffis bewegen: Mit dieser Forderung reagierte am Dienstag Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) auf Maria Vassilakous (Grüne) Vorstoß für eine Pendlermaut.
„Ich bin nicht fürs Bestrafen, sondern für Anreize. Wir haben ein sehr attraktives Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln in Wien, das man noch ausbauen kann, um die Pendler noch stärker zum Umsteigen zu bewegen. Für mich sind Sanktionsmaßnahmen nicht der richtige Weg“, sagt er im KURIER-Gespräch. Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) drohte gar damit, Wien die Zuschüsse des Bundes für den U-Bahnbau zu kürzen, sollte der Plan umgesetzt werden. Das Finanzministerium wiederum meldete rechtliche Bedenken an.
Wie berichtet, hat Vassilakou angekündigt, den Pendlerverkehr mithilfe einer Einfahrtsgebühr, die zu bestimmten Zeiten – etwa von 6 bis 10 Uhr – bei der Stadtgrenze eingehoben werden soll, drosseln zu wollen. Offen sind unter anderem Höhe der Maut, Art der Kontrolle und ob die bestehende Parkpickerl-Lösung erhalten bleiben würde. Der KURIER befragte Experten zu den möglichen Modellen.
Citymaut
Die Citymaut reguliere den Raum für den fließenden Verkehr, erklärt Stephan Rammler, Mobilitätsforscher von der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig. Besonders sinnvoll sei eine dynamische Lösung, bei der die Höhe der Gebühr an das Verkehrsaufkommen oder die lokale Luftqualität angepasst wird. „Ist wenig Verkehr, kann die Einfahrt auch kostenlos sein“, sagt Rammler.
Einem solchen dynamischen Modell, das alle Autofahrer trifft, kann auch Elmar Fürst vom Institut für Transportwirtschaft und Logistik der Wirtschaftsuni Wien etwas abgewinnen. „Eine reine Pendler-Maut halte ich dagegen für absolut unsinnig“, sagt er. „Dieser Vorschlag ist reiner Populismus.“
Ein Vorteil von Maut-Modellen ist laut Rammler der Umstand, dass damit bestimmte Technologien gefördert werden können. So könnten über Sonder-Konditionen umweltschonende Fahrzeuge wie E-Autos unterstützt werden. Nicht zu unterschätzen seien die Kosten für die Infrastruktur, die zur Kontrolle geschaffen werden müsse – etwa Kameras zum Auslesen der Kennzeichen.
Parkpickerl
Die Parkraumbewirtschaftung, wie das Wiener Parkpickerl-Modell im Beamtenjargon heißt, hat Rammler zufolge ein primäres Ziel: „Sie dient dazu, dem knappen urbanen Raum einen Preis zu geben.“ Auch hier plädiert der Experte dafür, den Preis an die ortsspezifische Kapazitäten anzupassen. Zwar seien mit der Parkraumbewirtschaftung auch weitere Effekte, wie etwa eine Reduktion von Auto-Fahrten innerhalb der Stadt und damit des CO2-Ausstoßes verbunden, räumt er ein. „Aber es ist nicht das wirksamste Mittel.“
Wie eine reine Pendler-Maut ist auch das Parkpickerl mit Sonderregeln für Stadtbewohner verbunden. Um für sie die Park-Situation zu verbessern, dürfen die Innenstadt-Bezirke rund 20 Prozent der Stellplätze für Anwohner reservieren.
Kombimodell
Da Parkpickerl und Citymaut unterschiedliche Ziele verfolgen, wäre aus Rammlers Sicht zur Entlastung der Städte auch eine Kombination sinnvoll. Derartige Vorhaben, betonen beide Experten, müssen aber immer mit Begleitmaßnahmen wie einen Ausbau der Park-&-Ride-Anlagen am Stadtrand und der Öffis einhergehen.
Dass eine Maut alleine die erhofften Lenkungsmaßnahmen bringt, bezweifelt Fürst. „In Umfragen geben die Leute an, das Auto selbst dann benutzen zu wollen, wenn es doppelt so viel kostet “, sagt er. „Dies liegt daran, dass die Vorteile des Autos so stark überwiegen, dass sie das derzeitige Öffi-Angebot nicht wettmachen kann.“
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