Werbeversprechen im Check: Leihscooter ersetzen kaum Autofahrten
Umweltfreundlich, nachhaltig und sauber – so stellen E-Scooter-Verleiher ihr Angebot gerne dar. Man schätze, "dass rund 24 Prozent der E-Roller-Fahrten weltweit ein Ersatz für Pkw-Fahrten sind", wirbt etwa der kalifornische Anbieter Lime.
In Paris ersetzten E-Scooter zehn Prozent der Fahrten in "umweltschädlichen Kraftfahrzeugen", heißt es weiters in einem Infoblatt – das Lime aufgesetzt hat, um "Mythen über E-Scooter" aufzuklären.
Der Scooterhype scheint vorbei zu sein
Allerdings gehören diese Werbeversprechen – zumindest was Wien betrifft – wohl eher ins Reich der Legenden. Das zeigt nun eine bisher unveröffentlichte Studie der Technischen Universität (TU) Wien, die dem KURIER vorliegt.
In Wien werden demnach vor allem Fahrten mit dem E-Scooter zurückgelegt, die an sich mit "nachhaltigeren Fortbewegungsarten" bewältigt worden wären. Ersetzt werden überwiegend Fußwege – und nicht Autofahrten.
"Das ist das Gegenteil von dem, was versprochen wird", sagt Barbara Laa vom Institut für Verkehrswissenschaften im KURIER-Gespräch. Sie hat für die Studie mit ihrem Kollegen Ulrich Leth rund 100 Leihscooter-Nutzer befragt, welche Alltagswege sie mit Rollern statt mit anderen Verkehrsmitteln bewältigen.
Bis zu 90 Prozent der Teilnehmer gaben an, nie eine Autofahrt durch eine E-Scooter-Fahrt zu ersetzen. Dem gegenüber stehen bis zu 34 Prozent Befragte, die "immer" oder "oft" einen Scooter mieten, statt zu Fuß zu gehen. Auch der Anteil der Leihscooter-Nutzer, die Bus- und Straßenbahnfahrten durch Rollerfahrten ersetzen, ist laut der Studie "erheblich".
Zwar sei die Stichprobe klein, räumt Laa ein. Dennoch zeige sie deutliche Muster.
Und zwar ähnliche, wie sie zuletzt das Beratungsunternehmen Nunatak auf Basis einer Umfrage in mehreren deutschen Städten fand. Demnach wären 65 Prozent der E-Scooter-Fahrer alternativ mit den Öffis ans Ziel gekommen, 49 Prozent zu Fuß und nur 21 Prozent mit dem Auto.
Höhere Emissionen
Dieses Muster führt laut den TU-Forschern "zu höheren -Emissionen und weiteren negativen Effekten auf die Umwelt". Zurückzuführen seien diese auf die Produktion der Roller, das Aufladen und den Umstand, dass die Anbieter die Gefährte abends Einsammeln und morgens wieder in der Stadt verteilen.
Woher die Diskrepanz zwischen den Werbeversprechen und den Ergebnissen der Studie komme?
Ein Faktor sind die Märkte, auf die sich die Aussagen beziehen. In den USA mit ihrem vergleichsweise dürftig ausgebauten Öffi-Netz und der starken Abhängigkeit vom Auto lösen die Anbieter ihre Beteuerungen wohl eher ein, erklärt Laa. Anders gesagt: "In Wien finden ohnehin schon weniger Autofahrten statt."
Potenzial am Stadtrand
Für Wien sehen die Forscher für Scooter-Verleiher dennoch das Potenzial, umweltschädliche Mobilität zurückzudrängen. Konkret müsse man in den Flächenbezirken ansetzen – wo der Weg zur nächsten Öffi-Station oft weit ist.
Die Idee: Statt sich ins Auto zu setzen, fährt man mit dem Leihscooter zur Haltestelle. Das Problem dabei: Bisher konzentrieren sich die Anbieter auf die Innenstadt. Laa begrüßt daher die neuen Regeln für Verleiher, die im April in Kraft treten.
Bessere Verteilung
Ab April verschärft Wien die Vorschriften für Roller-Verleiher. Eine der neuen Regeln: Die Stadt wird in drei Zonen – die Innenstadt, die Bezirke 2 bis 9 und 20, die Bezirke 10 bis 19 und die Bezirke 21 bis 23 – eingeteilt. In jeder darf ein Anbieter nur noch maximal 500 Scooter stationieren. Das Ziel: eine ausgewogenere Verteilung der Gefährte.
Strenges Abstellverbot
Wenn Gehsteige weniger als vier Meter breit sind, dürfen Scooter dort nicht mehr geparkt werden.
Geringeres Tempo
In bestimmten Gebieten – wie in Begegnungszonen und Fußgängerzonen mit Radfahrerlaubnis – müssen die Anbieter automatisch die Geschwindigkeit der E-Roller drosseln.
Lime betont auf Anfrage, sich ohnehin vor allem als "Ergänzung" zu den Öffis zu sehen: "Nur in Verbindung mit anderen Mobilitätsangeboten, Shared Mobility Services und dem öffentlichen Nahverkehr kann es uns gelingen, dass Menschen in den Städten auf den privaten Pkw verzichten."
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