Schon damals wurde an der Stubentorbrücke – mit Nähe zum heutigen Bahnhof Wien Mitte – die Central-Markthalle eröffnet. Man wollte der Stadt, die stark an Bevölkerung zulegte, die Versorgung mit Nahrungsmitteln erleichtern – und gleichzeitig landwirtschaftlichen Produzenten die Möglichkeit geben, ihre Ware zu verkaufen.
Doch schon drei Jahre später wurde beschlossen, die Markthalle in einen Großmarkt umzubauen. Das mit dem Kleinhandel hatte nicht funktioniert.
Wieder drei Jahre später – am 1. August 1871 – wurde die sogenannte Zedlitzhalle im 1. Bezirk eröffnet. Sie sollte den Markt an der Seilerstätte ersetzen. Die Zedlitz-Markthalle galt als geradezu modern: 2.114 Quadratmeter groß, eine frei sichtbare Dachkonstruktion aus Stahl und Glas, Platz für 18 Marktstände.
Nur: Die Wienerinnen und Wiener mochten auch diese Markthalle nicht. Und zwar weder die Händler, noch die Kunden. Die Stadt hatte damals versucht, mit billigeren Preisen Käufer für die Flächen anzulocken, aber der Versuch scheiterte.
1902 wurde die Zedlitz-Markthalle aufgelassen, 1965 schließlich abgerissen. Und sie war nicht die einzige Markthalle, die ein solches oder ähnliches Schicksal erlitt.
Im 6. Bezirk gab es einst die Esterhazy-Markthalle, im 1. Bezirk die Stadiongassen-Markthalle, auf der Wieden die Phorusmarkthalle, im 7. Bezirk die Burggassen-Markthalle und im 9. Bezirk die Markthalle bei der Nußdorfer Straße.
Alle wurden sie von Architekt Friedrich Paul geplant. Und alle diese Markthallen gibt es heute nicht mehr. "Die Bevölkerung hat sie nicht angenommen", sagt Marktamt-Sprecher Alexander Hengl.
Dass die Stadt 2002 unter Konsumentenstadträtin Renate Brauner (SPÖ) die denkmalgeschützte Nußdorfer Markthalle verkauft hat, dürfte heute so mancher und manchem in der Stadtregierung Zähneknirschen bereiten. 2002 zog in die historische Halle ein Supermarkt ein.
Bis jetzt hat Wien also – abgesehen vom überdachten Meiselmarkt – keine echte Markthalle. Ändern könnte sich das noch heuer.
Wie berichtet, plant die für die Märkte zuständige Stadträtin Ulli Sima gemeinsam mit dem Mariahilfer Bezirksvorsteher Markus Rumelhart (beide SPÖ) auf dem Naschmarkt-Parkplatz eine überdachte, offene Markthalle nach dem Vorbild des Londoner Borough Markets.
Das Projekt will man rasch umsetzen: Bis spätestens Juli soll nun die dafür vorgesehene Bürgerbeteiligung starten, wie es aus Simas Büro zum KURIER heißt.
Sima geht damit ein Thema an, dem sich auch die Opposition regelmäßig angenommen hat. 2014 gab es mehrere Versuche, die 1979 eröffnete und 2008 geschlossene Landstraßer Markthalle an der Invalidenstraße zu revitalisieren – der Investor fehlte.
2018 plädierte Sima gemeinsam mit dem grünen Märktesprecher Rüdiger Maresch für eine Markthalle am Nordbahnhofgelände – daraus wurde nichts. Und die ÖVP war im jüngsten Wahlkampf für eine Zwischennutzung der Stadthalle als Markthalle.
Wie also ist das Projekt einer offenen Markthalle am Naschmarkt-Vorplatz zu bewerten? Durchaus positiv, sagt WU-Professorin Monika Koller. Eine solche Markthalle entspreche heute dem "Zeitgeist", sagt sie. Der Konsum erfolge emotionaler, für die, die im Grätzel wohnen, könne so eine offene Markthalle mit Gastro- und Handelsständen sogar zum "zweiten Wohnzimmer" werden. Und für die Touristen ein Grund für einen Besuch.
Die Chancen stehen also gar nicht so schlecht, dass die Naschmarkt-Markthalle nicht das gleiche Schicksal erleiden muss wie so viele ihrer Vorgängerinnen.
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