Warum Wien derzeit die höchsten Infektionszahlen hat
Es scheint wieder die Zeit für Wiener Sonderwege angebrochen zu sein: Ab 11 Uhr berät Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Donnerstag mit seinen Experten, ob Wien den vom Bund vorgegebenen Pfad der Lockerungen bei den Corona-Maßnahmen mitgeht oder im Alleingang strengere Regeln beibehält.
Letzteres ist sehr wahrscheinlich, hatte Ludwig am Wochenende doch kundgetan, keine Freude mit den vom Bund verkündeten Öffnungsschritten zu haben.
Das überrascht wenig. Denn Wien liegt aktuell mit einer 7-Tage-Inzidenz von mehr als 3.100 bereits vor allen anderen Bundesländern. Und das, obwohl die Bundeshauptstadt noch vor wenigen Wochen, während der Delta-Welle, mit bemerkenswert niedrigen Infektionszahlen als bundesweiter Corona-Musterschüler galt.
Einmal mehr stellt sich die Frage: Warum kann sich das Blatt in so kurzer Zeit wenden?
Die Innsbrucker Virologin Dorothee von Laer verweist Gespräch mit dem KURIER darauf, dass die Infektionsrate in Großstädten grundsätzlich immer höher sei, als in weniger dicht besiedelten Gebieten. In der Stadt sei schlichtweg die Wahrscheinlichkeit höher, auf einen Infizierten zu treffen.
Streng durch den Herbst
Dass Wien dennoch so gut durch die Delta-Welle im vergangenen Herbst gekommen sei, erklärt sie mit den deutlich strengeren Regeln, die dort über etliche Monate hinweg gegolten hätten. Begonnen mit der von Ludwig verhängten Testpflicht für Gastro- oder Bäder-Besuche, die in Wien ab Ferienbeginn bereits Kinder ab sechs Jahren betraf.
„Auch wenn wir noch im grünen Bereich sind: Die Erfahrung aus anderen Ländern zeigt, dass wir die Situation in den Spitälern nicht aus den Augen lassen dürfen“, sagt die Expertin.
Insofern wäre es durchaus sinnvoll, wenn Wien strengere Regeln beibehalten würde. Umgekehrt zeigt sich von Laer überrascht, dass der Bund seine Lockerungsschritte an fixe Termine und nicht an bestimmte Inzidenzzahlen gekoppelt habe.
In der Stadtregierung argumentiert man hingegen, dass Wien aktuell im Vergleich zu den anderen Bundesländern nur scheinbar so hohe Infektionszahlen habe. „In Wien erfolgen derzeit 70 Prozent aller österreichweit durchgeführten PCR-Tests“, betont ein Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Daher würde man hier Äpfel mit Birnen vergleichen. Folgt man dieser Lesart, könnte das bedeuten, dass in den anderen Bundesländern deutlich mehr Infektionen unentdeckt bleiben.
Was für die These des Hacker-Büros spricht: Bei der Auslastung der Normalstationen stand Wien zuletzt relativ gut da. Laut Covid-Prognose-Konsortium lag sie am 26. Jänner bei 40 Prozent. Günstiger standen zu diesem Zeitpunkt nur Niederösterreich (30 Prozent) und die Steiermark (20 Prozent) da. Die Prognosen, die bis 9. Februar reichen, gehen – bei bundesweit steigender Auslastung – in eine ähnliche Richtung.
Zuletzt war, wie berichtet, spekuliert worden, ob Ludwig Teile der vom Bund verkündeten Lockerungsschritte umsetzt (etwa die spätere Sperrstunde) oder sie im Gesamten nach hinten verschiebt. Am heutigen Nachmittag wird Klarheit herrschen.
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