Warnstreik in Ottakring: Hacker staunt über Nebenjobs des ärztlichen Personals
Kommende Woche ist in der Klinik Ottakring ein Warnstreik in der Zentralen Notaufnahme geplant. Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) hat darum die Verantwortlichen im Spital um Details zur aktuellen Situation gebeten, wie er am Dienstag im Gemeinderat erläuterte. Zahlen zu den Nebenbeschäftigungen des ärztlichen Personals hat er bereits erhalten. Es stelle sich die Frage, warum hier so viel genehmigt worden sei, befand der Stadtrat. Das Streikkomitee reagierte mit Kritik.
Hacker erläuterte in der Fragestunde die Situation bei den Beschäftigten vor Ort. Bei den Dienstposten des Pflegepersonals gebe es "faktisch Vollbesetzung", teilte er mit. Beim administrativen Personal seien tatsächlich alle Stellen besetzt. Bei den Medizinern betrage der Deckungsgrad 88 Prozent. Allerdings: Von mehr als 20 Dienstposten für Oberärzte sind nur sechs mit Personen besetzt, die Vollzeit beschäftigt sind.
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Dies mache die Dienstplangestaltung "ein bissl komplizierter", mutmaßte Hacker. Es stelle sich die Frage, warum der ärztliche Direktor so viele Nebenbeschäftigungen seiner Mitarbeiter genehmigt habe. Er sei "vollkommen solidarisch" beim Kampf um bessere Arbeitsbedingungen. Wenn man vor Ort einen Mangel erkenne, werde es wohl aber auch Sinn machen, wenn man über die Nebenbeschäftigungen spreche.
Hacker stellte sogar in Aussicht, selbst einen Blick auf die Dienstpläne zu werfen. Solche hab er in seinem Leben schon viel gemacht: "Ich kann Dienstplan." Für sonderlich schlau halte er das aber nicht, wenn sich der Stadtrat persönlich drum kümmere, fügte er hinzu.
Spannend ist laut Hacker auch der Umstand, dass ein Sprecher des Streikkomitees bei der Ärztekammer sowie in einem nicht-städtischen Spital tätig ist - und derzeit gar nicht in der Klinik Ottakring. Wie ein Streikkomitee funktionieren solle, wenn die Person dort nicht beschäftigt sei, "hat sich mir noch nicht erschlossen", sagte Hacker. Es wundere ihn auch, warum niemand in Ottakring auf diesen Umstand hinweise.
Der Stadtrat erinnerte daran, dass es schon seit vergangenem Jahr einen Streikbeschluss in der Ärztekammer gebe. "Ein Teil der Kammer hat beschlossen, in einem persönlichen Kriegszustand mit dem Wiener Gesundheitsverbund zu ziehen", vermutete er. Ob man die Aktion noch abwenden könne, wisse er nicht. Es handle sich um keinen Streik im gewerkschaftlichen Sinn, erläuterte Hacker.
Mit der Personalvertretung gebe es "hervorragende Gespräche". Jedoch: "Die Ärztekammer möchte den Tohuwabohu haben." Dies werde man auch nicht verbieten können. Man müsse es zur Kenntnis nehmen, sagte Hacker.
Er ortete einen "Nervositätsmechanismus" in der Wiener Ärztekammer. Zuletzt hätten in einer Umfrage 50 Prozent der Ärzte der eigenen Vertretung das Misstrauen ausgesprochen, berichtete er. Momentan versuche man darum, Feindbilder aufzubauen, zeigte sich Hacker überzeugt.
In der ZNA Ottakring soll am 30. Juni zwischen 10.00 und 11.00 Uhr die Arbeit niedergelegt werden. Für die Dauer des Warnstreiks wird eine Rettungssperre für die Klinik Ottakring beantragt - die es nicht geben wird, wie Hacker heute bekräftigte. Die Akut- und Notfallversorgung soll während der Dauer des Warnstreiks aber jedenfalls sichergestellt sein, wurde zuletzt vom Streikkomitee betont.
Kritisiert werden die Arbeitsbedingungen im Gesundheitsbereich. Gefordert werden mindestens 20 Prozent mehr ärztliches Personal für die Abteilung oder auch eine "deutliche Anhebung" der ZNA-Zulage, "um die psychisch und physisch belastende Arbeit in einer Notaufnahme adäquat abzugelten", wie es kürzlich in einer Aussendung hieß.
Das von Hacker ins Visier genommene Streikkomitee rief am Nachmittag den Stadtrat zu "Sachlichkeit" auf: "Nach mehreren internen Gefährdungsanzeigen sahen wir uns in unserer Verzweiflung dazu gezwungen, diesen Warnstreik auszurufen", versicherte Aglaia Kotal, eine der Sprecherinnen des Streikkomitees in einer Reaktion.
Dass nun die Ärztinnen und Ärzte für den Personalmangel verantwortlich gemacht würden, sei nicht nur verletzend, sondern zeuge auch von Unkenntnis, beklagte sie: "Den Job in einer zentralen Notaufnahme in Vollzeit auszuüben, ist sowohl physisch als auch psychisch extrem herausfordernd. Die Arbeitsbedingungen sind nicht mit einer Normalstation vergleichbar."
Dass der ärztliche Deckungsgrad 88 Prozent betrage, verdeutliche genau das Problem. Dies bedeute, dass man niemals zu 100 Prozent besetzt sei, auch wenn niemand krank oder auf Urlaub sei, gab Kotal zu bedenken - die auch versicherte, keine Funktion in der Kammer auszuüben und selbst SPÖ-Bezirksrätin zu sein.
Severin Ehrengruber, der zweite Sprecher des Streikkomitees, äußert sich zu den persönlich gegen ihn gerichteten Vorwürfen des Stadtrats, wonach er nicht in Ottakring arbeite: "Ich befinde mich aktuell noch bis Herbst aufgrund einer Pflichtrotation im Rahmen meiner internistischen Ausbildung an einem anderen Krankenhaus." Er habe bis Mai noch in der Notaufnahme Ottakring gearbeitet und sei ab Herbst dort wieder beschäftigt. Zudem sei er gewählter Vertreter der Turnusärztinnen und -ärzte.
Dass nun versucht werde, die Ärztinnen und Ärzte persönlich zu desavouieren, sei nicht überraschend, aber substanzlos, hieß es in der Aussendung. An der Abteilung seien 27 Ärztinnen und Ärzte, im Streikkomitee zehn. Der Streikbeschluss sei einstimmig gefällt worden, hob Ehrengruber hervor: "Wir laden die Stadt Wien und die Generaldirektion des WiGev herzlich dazu ein, sich mit uns an einen Tisch zu setzen, anstatt uns zu desavouieren."
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