Peter Hacker: "Es ist nicht mein Job, Dienstpläne zu zeichnen"
Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) denkt nicht daran, von den strengeren Wiener Corona-Regeln abzurücken. Für die personellen Engpässe in den Spitälern sieht er bei sich keine Verantwortung.
KURIER: Vor zwei Wochen hat Michael Ludwig die Verlängerung der Maskenpflicht verkündet und den Bund aufgefordert, sich den Wiener Maßnahmen anzugleichen. Wie überrascht waren Sie, dass es doch nicht so kam?
Peter Hacker: Das ist nicht nachvollziehbar, wenn man sich die entscheidenden Mess-Parameter für diese Pandemie anschaut. Viele Bürgermeister der großen Orte sind auch nicht mehr sehr glücklich mit der Situation. Es wäre einfach sehr vernünftig, österreichweit dieselben Spielregeln zu haben. Also etwa eine Maskenpflicht in den Öffis und in der Apotheke. Warum die Regierung justament so tut, als wäre die Pandemie schon abgeschafft, erschließt sich mir nicht wirklich.
Müsste im Sinne der bundesweiten Einheitlichkeit nicht eigentlich Wien seine Regeln lockern?
Wir werden sicher nicht runtergehen von unseren vorsichtigen Maßnahmen. Wir sind mit unserer Philosophie die letzten zweieinhalb Jahre sehr gut gefahren. Wir nehmen die Pandemie sehr ernst. Dazu gehört es auch, unattraktive Maßnahmen zu setzen. Mit einer Maskenpflicht verdient man sich natürlich keinen goldenen Diamanten im Haar, aber die Menschen akzeptieren auch, dass wir diese Maßnahmen setzen.
KURIER Talk mit Peter Hacker
Begründet hat Ludwig deren Beibehaltung mit einer Herbstwelle, die in der zweiten Oktoberhälfte ihren Höhepunkt erreichen werde. Mit einer 7-Tages-Inzidenz von 2.000 in Wien. Tatsächlich ist sie seit seinem Statement Mitte Oktober stetig gesunken und liegt jetzt bei 602. Müssten Sie nicht Ihre Modellrechner austauschen?
Nein, weil wir haben damals dazugesagt, dass es mehrere Unsicherheitsfaktoren gibt. Etwa das Wetter. Wir haben gesagt, dass es zu einem zweiten Höhepunkt der Welle kommt, wenn das Wetter kalt bleibt. Das war nicht der Fall.
Der Faktor Wetter wurde aber in der Aussendung Ludwigs nicht kommuniziert.
Von mir können Sie mehrere Pressestatements mit dem Hinweis darauf nachlesen. Außerdem kann man ja nicht sagen, dass das, was hinter uns liegt, wurscht war. Wir hatten über 700 Patienten mit einer Infektion im Spital. Das belastet das System enorm. Zum Glück lässt sich die Wiener Bevölkerung nach wie vor sehr intensiv testen. Das hat genau in dieser Welle dazu geführt, dass Wien im Bundesländer-Vergleich den niedrigsten Peak an Infektionen hatte.
Wie wird es nun weitergehen?
Wir gehen von einem weiteren Rückgang der Infektionen im November aus. Dann kommt die wirkliche Problemzone: Es tauchen neue Mutationen auf, die wohl die nächste Welle rund um den Jahreswechsel dominieren werden. Wir wissen noch nicht, ob sie noch ansteckender oder stärker krankmachend sind.
Themenwechsel: Aktuell fehlt es in Wiens Spitälern an allen Ecken und Enden an Personal, was die große Zahl an Gefährdungsanzeigen zeigt. Haben Sie dieses Problem angesichts der vollen Konzentration auf die Pandemie übersehen?
Im Gegenteil. Wir sind das einzige Bundesland, das einen Plan zur Intensivierung der Pflegekräfte-Ausbildung ausgearbeitet hat. Das Problem ist, dass es einige Jahre dauert, bis die dadurch Ausgebildeten am Arbeitsmarkt aufschlagen. Faktum ist auch: Wir haben einen Fachkräfte-Mangel, der weit über das Gesundheitswesen hinausgeht.
Im jüngsten Gesundheitsausschuss haben Sie betont, das Problem müsse jeder Primar auf seiner Ebene selbst lösen. Betreiben Sie hier nicht Kindesweglegung?
Nein. Worum es geht: Eine Gefährdungsanzeige ist ein Instrument der Personalvertretung und keines, das für Führungskräfte gedacht ist. Ein Primararzt ist – bei allem Respekt – im mittleren Management. Er hat keine Gefährdungsanzeige zu verwenden, er ist Chef. Wenn er ein Problem hat, hat er es selbst zu lösen oder sich an die Spitalsdirektion zu wenden.
Ist es nicht eine Spitzfindigkeit, wer letztlich auf die personellen Engpässe hinweist?
Nein. Wir beide gehen zurecht davon aus, dass Menschen, die für das Management Geld bekommen, dies auch tun. Primarärzte sind nicht dazu da, zuzusehen, was auf ihrer Abteilung passiert, sondern um sie zu leiten. Dazu gehört auch, Probleme zu lösen. Und die meisten tun das auch. Es ist nicht der Job des Stadtrates, Dienstpläne zu zeichnen – für welche Abteilung auch immer.
Aber wie soll dann das akute Personalproblem gelöst werden?
Wenn man mit der Lupe hineinschaut, ist das natürlich immer ein riesiges Problem. Fakt ist: In unseren Spitälern werden jeden Tag zehntausende Patienten fantastisch behandelt.
Fakt ist auch: Aktuell sind zahllose Stationen gesperrt.
Ich will die Situation nicht schönreden. Wie jede Branche haben wir einen Fachkräftemangel. Daher ist jetzt gutes Management gefragt. Zu sagen, ich bin der Käfer, der am Rücken liegt und jemand anderes soll mein Problem lösen – das wird nicht funktionieren. Ich verlange, dass die Führungskräfte ihr Personal jetzt gut motivieren. Hier gibt es große Unterschiede: Es gibt Abteilungen, wo es überhaupt kein Personalproblem gibt. In anderen rennen alle davon, bleiben aber im selben Spital. Da muss sich die Abteilung überlegen, was falsch läuft.
Zur Behebung des Mangels an Kinder- und Jugendpsychiatern soll künftig ein Arzt vier statt zwei Jungmediziner ausbilden. Leidet darunter nicht die Qualität, wie die Ärztekammer befürchtet?
Das halte ich für einen Mumpitz. Wenn es in Deutschland möglich ist, nach dem Schlüssel 1:4 auszubilden, dann muss das bei uns auch möglich sein.
In der jüngsten Konferenz der Gesundheitslandesräte wurde angekündigt, die Finanzierung des Gesundheitssystems neu aufzustellen. Seit Jahrzehnten scheitert man daran. Warum soll es jetzt klappen?
Bisher hörte man das nur in theoretischen Diskussionen von Alpbach bis Schladming. Jetzt haben wir beschlossen, dass dies im Zuge des Finanzausgleichs umgesetzt wird.
Worum geht es im Detail?
Es geht um die Entlastung der Spitäler. Mittlerweile findet der ambulante Sektor überwiegend dort statt. In Wien etwa haben wir 4,8 Milliarden Euro an Spitalskosten. Eine Milliarde davon ist der Aufwand für den gesamten ambulanten Sektor – ausgenommen die stationären Patienten, die in die Ambulanz kommen. Diesen Beitrag müsste eigentlich die Krankenkasse leisten. Sie hat aber das Geld dafür nicht. Daher haben wir beschlossen, dass es künftig eine direkte Abgangsdeckung der Krankenkassen durch den Bund und den gesamten ambulanten Bereich braucht. Das gehört in eine gemeinsame Planungsgruppe.
Werdegang
Geboren 1963, startete Peter Hacker schon früh eine Karriere bei der Stadt Wien. Ab 1985 war er in dem vom damaligen Bürgermeister Helmut Zilk (SPÖ) geschaffenen Bürgerdienst tätig. Von 1992 bis 2003 war er Drogenkoordinator der Stadt Wien, von 2001 bis 2018 Geschäftsführer des Fonds Soziales Wien. Ab 2015 war er auch als Wiener Flüchtlingskoordinator tätig
Politik
2018 wurde er vom neuen Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) als Stadtrat für Gesundheit und Soziales in die Stadtregierung geholt. 2019 bis 2021 war er Chef der SPÖ Alsergrund
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