Vom IS mit Mord Bedrohter findet seine Adresse auf Islam-Landkarte
Für die Betroffenen und ihre Familien waren es dramatische Wochen und Monate: Einige heimische Funktionäre der muslimischen Glaubensgemeinschaft wurden 2017 zur Zielscheibe von Mordaufrufen durch die islamistische Terrororganisation IS. Sie seien „vom Glauben abgefallen“ und hätten sich schuldig gemacht, „zur Religion der Demokratie“ aufzurufen. Deshalb müssten sie getötet werden, verlautbarte das IS-Magazin „Rumiyah“ damals.
Die auf diese Weise Bedrohten lebten danach ein Leben im Ausnahmezustand. Sie mussten sich einem Sicherheitsprogramm des Verfassungsschutzes unterwerfen und erhielten vorübergehend sogar Polizeischutz.
Nachdem in den vergangenen Jahren wieder einigermaßen Ruhe eingekehrt war, kommt jetzt die Angst zurück: Die Adresse eines der Funktionäre taucht nun als Sitz eines Vereins auf der umstrittenen Islam-Landkarte der Dokumentationsstelle Politischer Islam auf, die seit Kurzem wieder online ist.
Nach allem, was er durchmachen musste, fürchtet der damals mit Mord Bedrohte erneut um sein Leben. „Welchen Wert hat es, diese Information zu veröffentlichen? Dabei handelt es sich um nichts weiter, als um eine Serviceleistung für Extremisten jeglicher Couleur“, empört sich M. (Name geändert).
Vereinsregister
Zwar könne man die persönlichen Daten auch im Vereinsregister finden, dies sei aber mit einem wesentlich höheren Aufwand verbunden. „Auf der Homepage bekommt hingegen jeder meine Adresse auf dem Servierteller präsentiert“, kritisiert M. Ebenso, dass alle verzeichneten Institutionen ohne Unterschied in die Nähe des politischen Islam gerückt würden.
Anhand eines Vergleichs will M. vor Augen führen, wie problematisch die Islam-Landkarte ist: „Man stelle sich vor, die Identitären holen sich die Adressen aller jüdischen Unternehmen aus dem Firmenbuch und machen daraus ein Online-Verzeichnis mit allen Namen und Adressen. Das wäre ein unglaublicher Skandal.“
Für M. ist in keiner Weise nachvollziehbar, wie die Islam-Landkarte dem Kampf gegen den tatsächlichen Extremismus dienen soll. „Extremisten, die einen Anschlag planen, werden wohl kaum einen Verein gründen“, sagt er. Er sieht in der Landkarte vielmehr das Ansinnen der türkisen ÖVP, gegen jegliche zivilgesellschaftlich organisierte muslimische Arbeit vorzugehen. „Nach dem Motto: ,Willst du in diese Richtung etwas machen, dann wirst du unter Beobachtung gestellt. Also lass es lieber gleich sein‘.“ Daher sei es kein Wunder, dass muslimische Vereine überlegen würden, sich von sich aus aufzulösen und als Plattform ihre Arbeit weiterzuführen, um so unbehelligt zu bleiben.
Im Integrationsministerium betont man, dass man für die Karte nur öffentlich zugängliche Daten verwendet habe, und verweist auf den Religionspädagogen Ednan Aslan von der Uni Wien, der das Projekt umgesetzt habe. „Wir haben die Informationen aus dem Vereinsregister, insofern ist dies vom Datenschutz her kein Problem“, betont dieser gegenüber dem KURIER.
Inzwischen habe man zudem bei den auf der Landkarte aufgelisteten Institutionen heikle Informationen wie Telefonnummern oder Türnummern entfernt.
Daten sperrbar
Er verweist aber auch darauf, dass der im konkreten Fall Betroffene eine Sperrung seiner Daten im Vereinsregister veranlassen könne, sollte er Sicherheitsbedenken haben. Und weiter: „Wenn ich einen Fehler gemacht habe, lösche ich den Eintrag sofort“, betont Aslan.
M. reagiert skeptisch auf das Angebot: „Andere, die weniger prominent sind, haben diese Möglichkeit vielleicht nicht. Es bleibt dabei: Die Karte ist eine ungerechtfertigte Selektion islamischer Institutionen.“
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