Hetze: Islam-"Warnschilder" vor Wiener Moscheen aufgetaucht

Hetze: Islam-"Warnschilder" vor Wiener Moscheen aufgetaucht
Islamische Glaubensgemeinschaft ruft erneut dazu auf, die "Islam-Landkarte" vom Netz zu nehmen.

Vergangenen Donnerstag hat ÖVP-Integrationsministerin Susanne Raab die sogenannte "Islam-Landkarte" vorgestellt. Auf der online abrufbaren Karte sind Hunderte muslimische Einrichtungen in ganz Österreich, teils aber auch Privatadressen, eingezeichnet.

Laut Raab gehe es darum, "endlich Transparenz beim Politischen Islam zu schaffen und Licht in die Hinterzimmer des Islamismus zu bringen". Die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ), die Muslimische Jugend Österreich (MJÖ), aber auch die Bischofskonferenz, Diakonie oder SPÖ, Grüne und Neos sehen hingegen eine "nie da gewesene Grenzüberschreitung", eine "Kriminalisierung muslimischen Lebens" und eine "Stigmatisierung".

Die Karte stelle Muslime unter Generalverdacht und bringe sie in Gefahr, so die Kritik. So spricht etwa IGGÖ-Präsident Ümit Vural von einem "massiven Sicherheitsrisiko" für Muslime.

Befürchtungen bestätigt

Diese Einschätzung bestätigte sich auch relativ schnell. Kurz nach der Präsentation der Karte kam es zu rechtsradikalen Schmieraktionen in Salzburg und einem mutmaßlichen Schreckschussangriff auf zwei Wiener Musliminnen. Zudem sorgt nun das Auftauchen von "Warnschildern" vor islamischen Institutionen für Aufregung.

Am Dienstag tauchten vor mehreren Moscheen in Wien, unter anderem in Meidling und in der Leopoldstadt, selbst gebastelte "Warnschilder" auf, die unter richtigen Verkehrszeichen montiert wurden. "Achtung! Politischer Islam in deiner Nähe", ist neben der Skizze eines grimmig blickenden, bärtigen Mannes zu lesen. Darunter findet sich ein Verweis auf die Islam-Landkarte.

Zu den Schildern bekannt hat sich die rechtsextreme "Identitäre Bewegung". Wie die Landespolizeidirektion erklärt, wurden die Schilder am Mittwoch entfernt, teils physisch sichergesellt und dem Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) übergeben, das die Ermittlungen übernahm.

In sozialen Netzwerken wie Twitter kochte die Empörung noch am Mittwochvormittag über und muslimische Organisationen erneuerten ihre Forderung, die Islam-Landkarte offline zu stellen. "Muslimische Einrichtungen befinden sich aufgrund der pauschalen Verurteilung und dem Schüren von Misstrauen in akuter Gefahr", schrieb IGGÖ-Präsident Vural in einer Stellungnahme.

Vural weiter: "Ich rufe die politischen Verantwortungsträgerinnen energisch dazu auf, diesem unwürdigen Kapitel der Islampolitik unverzüglich ein Ende zu setzen und ihrer Verantwortung für den Schutz der österreichischen Bürgerinnen und Bürger nachzukommen!“ Die Islam-Landkarte schüre Hass und fördere Ausgrenzung. Die IGGÖ habe bei den Sicherheitsbehörden bereits um Schutz für ihre Einrichtungen angesucht.

Rücktritt Raabs gefordert

Auch die Wiener Kleinpartei "Soziales Österreich der Zukunft" (SÖZ) fordert umgehend Polizeischutz für alle Moscheen und muslimische Einrichtungen. Zudem müsse Raab zurücktreten. Sie befeuere antimuslimischen Rassismus und bringe Muslime regelrecht in Lebensgefahr.

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) verurteilte die Aktion am Rande einer Pressekonferenz scharf. Rechtsextreme Gruppierungen wie diese würden "darauf abzielen, Menschen zu stigmatisieren“, sagt er. Mindestens genauso ernst zu nehmen seien aber auch jene Dinge, die im politischen Vorfeld geschehen seien, meint der Bürgermeister im Bezug auf die Islam-Landkarte.

Er habe immer davor gewarnt, Schritte zu setzen, die Menschen auseinanderdividieren. Deshalb verurteile der Stadtchef "politische Entscheidungen, die solche radikale Maßnahmen unterstützen.“

Gleichzeitig betont Ludwig, dass er Drohungen gegen politisch Verantwortliche ebenso verurteile – egal, welcher Partei sie angehören. 

Raab distanziert sich

Ähnlich wie Ludwig äußert sich Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos). Er appelliert an Raab, „die Landkarte umgehend zu entfernen, sich zu distanzieren und zu entschuldigen“.  Es könne nicht sein, „dass Vereine willkürlich und ohne Evidenz und damit ihre Mitglieder zum Freiwild von rechtsextremen Aktivisten werden“. Ob Vereine staatsgefährdend sind, entscheide noch immer der Verfassungsschutz und nicht ein Uni-Institut im Auftrag der Ministerin.

Integrationsministerin Raab verurteilt die Aktion der Identitären ebenfalls: "Dass der legitime Kampf gegen den Politischen Islam von extremistischen Gruppierungen missbraucht wird, ist völlig inakzeptabel und klar zu verurteilen."

Auch die Dokumentationsstelle Politischer Islam und Religionspädagoge Ednan Aslan, der die Karte schon 2012 initiierte, distanzieren sich dezidiert von der Vereinnahmung durch Rechtsextreme.

Breite Kritik

Bereits unmittelbar nach der Veröffentlichung der Islam-Landkarte hatte die Universität Wien die Verwendung ihres Logos untersagt. Kritik kam zuletzt auch vom geschäftsführenden Vorsitzenden der Kommission Weltreligionen der Österreichischen Bischofskonferenz, Markus Ladstätter. Zuvor hatten sich der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka und ein Beauftragter des Europarats kritisch geäußert.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wiederum hatte sich hinter die Karte gestellt, die FPÖ sah sich in ihren Warnungen zur Migration aus muslimischen Ländern bestätigt. Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) wurde ebenso wie die beteiligten Wissenschaftler Mouhanad Khorchide und Ednan Aslan bedroht.

"Kein Schritt zurück"

Die Wiener ÖVP erneuerte am Mittwoch gar ihre Position: "Wir weichen keinen Schritt zurück im Kampf gegen den Politischen Islam in Wien“, erklärten Klubobmann Markus Wölbitsch und Integrationssprecherin Caroline Hungerländer. Die Morddrohungen gegen Politiker und Experten im Zuge der Präsentation der Islam-Landkarte seien schockierend, so Wölbitsch.

Bedenklich sei jedoch, dass nicht die Morddrohungen landauf und landab für Aufregung sorgen, sondern eine Landkarte, "deren Ziel Transparenz und Sichtbarmachung von islamischen Netzwerken und Vereinskonstruktionen ist, die gerade in Wien oftmals undurchsichtig agieren".

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