Viktoria Spielmann: Kritischer Geist gegen Türkis-Grün
Den perfekten Ort zu wählen, um Viktoria Spielmann zu fotografieren, ist gar nicht so einfach. Einen Termin dafür zu finden auch nicht.
Kein Wunder. Die grüne Zukunftshoffnung – darf man das zu einer 32-Jährigen noch sagen? – ist vielfältig engagiert. Da wäre ihre Stelle in der frauenpolitischen Abteilung des AMS. Oder ihr Politikwissenschaft-Studium. Weiters: die alternativ-grüne Gewerkschaft, der Betriebsrat, die Arbeiterkammer. Und seit zwei Wochen: der 6. Platz auf der grünen Liste für die Wien-Wahl im Herbst.
Ins Rathaus einziehen wird Spielmann damit so gut wie fix. Sie ist das erfolgreichste neue Gesicht auf der Liste (nach Quereinsteigerin Judith Pühringer, die allerdings von vornherein ein sicheres Ticket hatte). Ein guter Rang wurde Spielmann zwar immer zugetraut. Dass die Basis sie auf Platz 6 wählte, sei aber doch ein „deutliches Zeichen“ gewesen, sagen Parteikollegen.
Ein Zeichen wofür eigentlich? Wer ist Spielmann? Und wofür steht sie?
Außerhalb der Twitter-Blase ist die 32-Jährige spätestens seit dem grünen Bundeskongress im Jänner bekannt. Dort stimmte sie gegen die türkis-grüne Koalition im Bund. Ihre Gründe dafür erklärte sie in einem ellenlangen Facebook-Posting. Ausufernde Texte auf Social Media sind ihre Spezialität.
"Differenziert"
„Mir ist einfach wichtig, Kritik differenziert darzulegen“, sagt Spielmann im Gespräch mit dem KURIER. Ob sich ihre Einstellung zur Koalition geändert habe? Da fällt die Antwort dann doch kurz aus: „Nein.“
Im Nachsatz schlägt die Tirolerin aber leicht versöhnliche Töne an: „Es bleibt zwar ein Widerspruch, rechte Politik bekämpfen zu wollen und gleichzeitig mit Kurz zu koalieren. Ich bin den Grünen dennoch dankbar, dass Türkis-Blau nicht Wirklichkeit geworden ist.“ In Wien sei eine Zusammenarbeit mit der ÖVP nicht denkbar: „Ich will die progressive Mehrheit hier ausbauen.“
Intern hat Spielmann mit ihrem Vorpreschen gepunktet: In Wien kämen „kritische Geister mit gutem Draht ins linke Lager“ an, erzählen Insider. „Ich habe ein klares Profil. Das schätzen viele“, sagt Spielmann selbst.
Studentenpolitikerin
Das Interview findet in ihrer Arbeitspause statt – in einem Café unweit der Universität Wien. Spielmanns ursprünglicher Vorschlag für das Treffen war die Arbeiterkammer. Der Grund: „Das ist aktueller.“
Schließlich ist sie doch bereit, dorthin zu kommen, wo ihre Polit-Karriere begann: 2012 sucht die grüne Studentenfraktion GRAS nach den Wirren um Janine Wulz und das Studentencafé „Rosa“ eine Spitzenkandidatin für die Hochschülerschaftswahl. Spielmann studiert in Innsbruck und ist – angetrieben von der Kürzung der Familienbeihilfe – in der ÖH aktiv. Spielmann wird gefragt – und sagt zu. Sie zieht nach Wien. Wenige Monate später ist sie ÖH-Chefin.
Innsbruck ist Spielmann zu dieser Zeit längst zu klein: „Gegen das Katholisch-Konservative in Tirol hatte ich schon immer was.“ Die aktive linke und antifaschistische Szene, die Kulturinitiativen in Wien ziehen sie an. „Hier kann ich mich verwirklichen.“
Dass das gerade für Frauen schwierig sein kann, hat Spielmann in ihrem Elternhaus erlebt. Der Vater bringt das Geld heim, die Mutter ist Hausfrau: „Ich habe von klein auf gesehen, welche Probleme eine klassische Rollenverteilung mit sich bringt“. Naheliegend, dass sich Spielmann für Feminismus und Gleichstellung einsetzt. Ein Ausdruck dessen: ihr Twitter-Name „Vicky Spielfrau“.
Straßenkämpferin
Gegen „Ungerechtigkeiten“ zu kämpfen, sich durchzusetzen, zu verhandeln – das habe sie in der ÖH gelernt, sagt sie. Für die Qualitäten schätzt sie auch ihre Partei: Spielmann gilt als wild, laut, ungeduldig. Aber auch als integrative Figur, die die Flügel verbindet.
Dass sie ihre Worte als Mandatarin künftig vorsichtiger wählen muss, dürfte ihr klar sein. Auf Twitter nannte sie sich bis vor Kurzem noch „Straßenkämpferin“, nun hat sie den Begriff gelöscht. Als Vorbereitung auf den Wahlkampf will sie das nicht verstanden wissen: „Ich habe mir genauer überlegt, was meine Selbstbeschreibung ist. Zahmer bin ich nicht geworden.“
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