Verkehr in Wien: Weniger Autos, trotzdem mobil
Für die einen steht es für Mobilität und Wohlstand, für die anderen für Lärm und Umweltschmutz: das Auto. Eine gemütliche Plauderei kann rasch zur hitzigen Debatte geraten, sobald es um Verkehr und Klimaschutz geht. Doch wie viele Autos gibt es aktuell in der Stadt und wie entwickelt sich der Bestand? Die Landesstatistik Wien hat für den KURIER aktuelle Daten zum Thema ausgewertet.
Wie werden die Wege in Wien zurückgelegt? Grundsätzlich gehen Wienerinnen und Wiener viel zu Fuß, auch die öffentlichen Verkehrsmittel werden häufig genützt: 2019 wurden 38 Prozent der Wege mit den Öffis zurückgelegt, 28 Prozent zu Fuß, 27 Prozent mit dem Auto und sieben Prozent mit dem Fahrrad. Während Corona, also ab 2020, gingen mehr Menschen zu Fuß (35 Prozent), dafür wurden nur 30 Prozent der Wege mit den Öffis zurückgelegt, da viele Menschen U-Bahn und Bim eher gemieden haben. Der Anteil an Wegen mit Fahrrad und Auto blieb in etwa gleich.
Wer einen privaten Pkw besitzt, legt damit laut Verkehrsclub Österreich (VCÖ) pro Jahr im Schnitt 10.900 Kilometer zurück. "Viele haben das Auto praktisch nur noch, um Verwandte außerhalb Wiens zu besuchen. Mit guten Car-Sharing-Angeboten könnte man hier viele überzeugen, auf ein Auto zu verzichten", fügt VCÖ-Sprecher Christian Gratzer hinzu.
Steigt oder sinkt die Zahl der Autos in der Stadt? Von 2012 bis 2022 ist die Zahl der privaten Autos in Wien um sieben Prozent gestiegen. Das heißt, in absoluten Zahlen gibt es mehr Autos als vor zehn Jahren. Da die Bevölkerung aber schneller wuchs, als die Zahl der Autos stieg, sank gleichzeitig die Pkw-Dichte: 2012 kamen auf 100 erwachsene Wiener 41 Privatautos, heute sind es 38.
Vergleicht man Wien mit anderen Bundesländern, muss man auf Daten der Statistik Austria zurückgreifen, die private und Firmen-Pkw nicht trennt. Dennoch kann man Vergleiche ziehen: Im Schnitt kommen in Österreich 57 Autos auf 100 Einwohner. Die höchste Pkw-Dichte hat das Burgenland (68), die niedrigste hat Wien (38), gefolgt von Vorarlberg und Tirol (beide 55).
Für den streitbaren Verkehrsplaner Hermann Knoflacher gibt es immer noch viel zu viele Autos in der Stadt. Mit seiner Holzkonstruktion namens "Gehzeug" demonstrierte er bereits in den 1970er-Jahren, wie viel Platz Autos im öffentlichen Raum einnehmen. Er kritisiert: "Die Bedingungen für Autofahrer sind noch zu gut. Wir wollen, dass die Motorisierung zurückgeht, errichten in der Stadt aber neue Gebäude mit Parkplätzen." So ziehe man erst wieder Verkehr an.
In welchen Bezirken gibt es die meisten Autos? Am höchsten ist die Auto-Dichte in der Inneren Stadt (57 Pkw auf 100 Bewohner), gefolgt von Liesing (50) und Hietzing (48). Die wenigsten Autos gibt es in Rudolfsheim-Fünfhaus, Margareten und Neubau (alle 29). Ebenso sind die stärksten und schwersten Autos im 1. Bezirk gemeldet. Autos haben in Wien im Schnitt 116 PS, die City liegt mit 141 PS merkbar darüber.
Das teure Auto, immer noch ein Statussymbol? Freilich sind die Zahlen teils auf die Stadtrand-Lage und teils auf die Einkommen in den Bezirken zurückzuführen. Der hohe Wert an Selbstständigen im 1. Bezirk verzerre das Bild aber etwas. "In der Stadt sowie bei Jungen gilt ein Auto außerdem kaum noch als Statussymbol", erklärt Gratzer. "Keines zu haben, wird auch nicht mehr als Verzicht gesehen. Im Gegenteil: Man spart Zeit und Geld und nimmt lieber die Öffis."
Welche Rolle spielt der Anteil der E-Autos? Noch eine sehr kleine: Nur 0,5 Prozent des privaten Autobestands in Wien sind E-Autos. Bei Firmen-Pkw liegt der Anteil höher, nämlich bei acht Prozent. Gratzer sieht bei E-Autos den Vorteil, dass sie keine Schadstoffe erzeugen; Reifenabrieb und somit Feinstaub gebe es freilich trotzdem. Für Knoflacher sind E-Autos keine Alternative: „Herstellung und Entsorgung belasten die Umwelt ebenso, und sie nehmen uns weiter Platz in der Stadt weg.“
Soll man den Verkehr rasch weiter reduzieren? Die Stadt will die Pkw-Dichte bis 2030 auf 25 Autos je 100 Einwohner senken. Außerdem sollen 100 Prozent der neu zugelassenen Autos E-Autos sein. "Zu wenig ambitioniert – aber wichtig, dass wir zumindest das erreichen", konstatiert Knoflacher. Er plädiert für eine autofreie Stadt: "Wer einen Pkw möchte, soll sich einen Garagenplatz in der Peripherie finanzieren und öffentlich in die Stadt fahren." Gratzer sieht Mobilitäts-Abos als Zukunftsmodell: Je nach Strecke wählt man zwischen Öffis, Rad oder Carsharing-Auto.
Einig sind sich aber beide: Ohne Autos wäre die Stadt leiser, sauberer und grüner.
Und sicher ist jedenfalls: Die Debatte wird weiter emotional geführt werden.
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