Vassilakous letzter Radweg verursacht 7,4 Kilometer Stau

Vassilakous letzter Radweg verursacht 7,4 Kilometer Stau
Der Bau des Wiental-Radwegs führe vier Monate lang zu 8,5 Stunden Stau täglich, beklagt die Wirtschaftskammer.

Von Schloss Schönbrunn bis zum Stephansdom - dieser Distanz entspricht die Strecke jenes Staus, der ab September täglich um 19 Uhr entlang des Naschmarkts entstehen dürfte. Das ergeben Berechnungen der Wiener Wirtschaftkammer, die dem KURIER vorliegen.

Der Grund dafür sind die Bauarbeiten am Radweg an der Wienzeile entlang des Naschmarkts, den die ehemalige grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou noch kurz vor ihrem Polit-Abgang auf den Weg gebracht hat.

Die örtlichen Unternehmen und der betroffene 6. Bezirk hatten sich stets skeptisch gezeigt. Jetzt sollen die Berechnungen der Verkehrsexperten der Wirtschaftskammer gemeinsam mit dem ÖAMTC diese Befürchtungen untermauern.

Baustelle bis in Weihnachtszeit

Die Bauarbeiten werden von September bis Mitte Dezember - also bis in die Weihnachtszeit - laufen.

Insgesamt ist laut Studie an dem Straßenstück in dieser Zeit mit 8,5 Stunden Stau pro Werktag zu rechnen. Grund dafür ist die Verknappung auf nur noch eine Fahrspur. Wobei nicht nur an dem neuen Radweg, sondern auch an der Fahrbahn gearbeitet wird: Sie muss komplett erneuert werden.

14. August bis 1. September

In der Operngasse ist im Bereich Elisabethstraße-Nibelungengasse einer von drei Fahrstreifen gesperrt. Die Friedrichstraße ist ab der Nibelungengasse nur auf einer von zwei Spuren befahrbar.

1. September bis 13. Dezember

In der Friedrichstraße sind ab der verlängerten Operngasse nur zwei von drei Fahrstreifen frei. Auf der Linken Wienzeile müssen  Autofahrer zwischen Getreidemarkt und Köstlergasse mit einer statt zwei Spuren auskommen. In dieser Zeit  ist es ratsam, den Bereich großräumig zu umfahren.

Ab 14. Dezember

In der Linken Wienzeile werden dem Kfz-Verkehr – wie gewohnt – zwei Fahrstreifen zur Verfügung stehen. Der eigene Linksabbiegestreifen in die Begegnungszone Schleifmühlbrücke entfällt zwar, das Abbiegen wird aber weiterhin möglich sein.
 

Die erhöhte Verkehrsbelastung beginnt um 14 Uhr und endet um 22.30 Uhr. Betroffen ist also vor allem der Feierabendverkehr: Seine maximale Länge erreicht der Stau gegen 19 Uhr, da sind es 7,4 Kilometer.

Der Stau wird sich laut Studie auf alle Zubringer zur Linken Wienzeile - also etwa die 2er-Linie und die Operngasse - auswirken.

Ärger über Baustelle für Wiental-Radweg

Auch wirtschaftlich lassen sich die Auswirkungen des Staus beziffern: Die Wirtschaftskammer geht davon aus, dass die Verkehrbelastung an einem einzelnen Werktag rund 71.000 Euro an Kosten verursacht. Davon seien rund 68.000 Euro Zeitkosten und 3.000 Euro Energiemehrkosten, sagt Rainer Trefelik, Obmann der Sparte Handel in der Wiener Wirtschaftskammer.

Für die gesamte Bauzeiten bedeute das Kosten in der Höhe von 3,5 Millionen Euro.

Heftige Debatten im Vorfeld

Der Ärger über den Radweg hat die Bevölkerung im Vorfeld gespalten: Als Vassilakous Pläne vergangenen Sommer bekannt wurden, waren viele begeistert. Denn der radweg schließt eine langjährige Lücke im Basisnetz. Gastronomen aber äußerten Bedenken, dass ihre Schanigärten und Ladezonen verschwinden. Anrainer zeigten sich skeptisch, weil rund 70 Parkplätze verloren gehen.

Vassilakous letzter Radweg verursacht 7,4 Kilometer Stau

Aus dem Rathaus kam heftige Kritik von ÖVP und FPÖ. Sie kritisierten das Vorhaben unter anderem als "Autofahrer-Schikane" und mahnten Mitsprache ein. 

Vassilakou ließ daraufhin drei Alternativ-Strecken prüfen – darunter eine Route über die Rechte Wienzeile. Sie kamen für das grüne Verkehrsressort letztlich aber nicht in Frage.

Anrainer übergangen

Um die Bedenken an dem Lückenschluss zu zerstreuen, kündigte Vassilakou im heurigen April schließlich an, die Bürger mit einem Dialogformat einzubinden.

Allerdings: Wenige Tage nach der Einladung zu der Veranstaltung wurde der Lückenschluss in der „Fachkommission Verkehr“ – einem Expertengremium – einfach auf den Weg gebracht.

Die Wiener Wirtschaftskammer war und ist einer der lautstärksten Gegner. Kein Wunder, sind doch vom geplanten Ausbau 564 Betriebe betroffen, wie Trefelik sagt.

Ihnen drohen während der Bauarbeiten Staub, Lärm und Schmutzbelastung und Probleme bei der Belieferung mit Waren. Auch die Erreichbarkeit der Unternehmen sei - gerade im wichtigen Weihnachtsgeschäft - nicht gewährleistet.

"Parteipolitische Entscheidung"

Verärgert zeigt sich Trefelik vor allem darüber, dass der Radweg-Lückenschluss "um jeden Preis" dieses Jahr erfolgen muss. Üblicherweise baue man im Sommer – das ist aufgrund der U4-Renovierung aber nicht möglich.

"Ein Radweg ist per se nicht schlecht. Der Termin war aber eine parteipolitische Entscheidung der grünen Vizebürgermeisterin", sagt Trefelik. Vassilakou habe den Radweg unbedingt vor der Wien-Wahl 2020 bauen wollen, so der Vorwurf.

Weder Vassilakou-Nachfolgerin Birgit Hebein noch Baustellenkoordinator Peter Lenz wollten die Studie der Kammer kommentieren. Aber: „Natürlich ist ein Fahrstreifen weniger nicht unproblematisch,“ sagt Lenz. „Wir sind in enger Abstimmung mit der Polizei und versuchen, das Beste daraus zu machen.“

Doch nach der Fertigstellung des Radweges Ende des Jahres warten Probleme, beklagt die Wirtschaftskammer: Der Radweg grenze etwa direkt an Ladezonen, was nicht ungefährlich für die Radfahrer sei. Zudem würden Parkmöglichkeiten für Kunden wegfallen.

Letztere Kritik hat die Stadt erhört: In vier umliegenden Garagen parken Naschmarkt-Kunden seit 1. August eine Stunde gratis. Und: 95 Bewohner Mariahilfs erhalten vergünstigte Dauerparkplätze. Beide Aktionen sind aber begrenzt: bis 2021 bzw. 2020.

"Für die Zukunft lernen"

Für künftige Bauprojekte erhofft sich die Wirtschaftskammer eine bessere Zusammenarbeit mit der Stadtregierung - und eine genauere Evaluierung der Projekte. "Wir müssen für die Zukunft lernen", sagt Trefelik. So gebe es für die Zeit des Lückenschlusses des Wiental-Radwegs keine geeigneten Ausweichrouten und keinen geeigneten Umleitungsplan.

Grundsätzliche Kritik übt Trefelik an der Radfahr-Politik der Stadt: "Müssen wir Radwege wirklich so bauen, wie wir in den 1970er-Jahren die Autostraßen gebaut haben - nämlich einfach mit der Spitzhacke gerade durch die Stadt?"

Trefelik hatte sich im konkreten Fall im Vorfeld dafür ausgesprochen, den Radverkehr mit einer Querung auf die Rechte Wienzeile umzuleiten, um die aufwändigen Arbeiten an der Linken Wienzeile zu vermeiden.

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