Totalumbau im Innenministerium: Reaktion auf dynamische Lage
Cyber-Kriminalität und Terror statt Bankraub und Einbruch: Die Kriminalität ist im Wandel und die Polizeistruktur hinkt dieser Entwicklung hinterher.
Dass eine groß angelegte Polizeireform im Innenministerium (BMI) längst überfällig ist, daran zweifelt fast niemand. Die Frage ist nur, wie die „Reorganisation der Zentralleitung im BMI“ bereits mit 1. Mai genau umgesetzt wird. Die letzte Zentralstellenreform liegt 19 Jahre zurück. In groben Zügen erfolgt der Umbau nun so, wie der KURIER im November erstmals berichtet hat.
Für die meisten Debatten wird wohl der Einzug der Bundespolizeidirektion sorgen. Dabei handelt es sich um eine neue Führungs- und Managementebene für die neun mächtigen Landespolizeidirektionen und ihre Kommandanten. Kritik, dass dies den Führungsapparat nur unnötig aufblähe, weist BMI-Generalsekretär Helmut Tomac entschieden zurück.
Nur ein Ansprechpartner
Unterstellt wird die Bundespolizeidirektion dem Generaldirektor für öffentliche Sicherheit (Sektion 2). „Bisher hatte jede Landespolizei mehrere hierarchische Ansprechstellen im Ministerium. In Zukunft gibt es eine Zentrale“, erklärt Tomac.
Ein praktisches Beispiel: Benötigt ein Bundesland eine neue Polizeiinspektion, mussten bisher diverse Sektionen, Bauabteilungen und die Generaldirektion eingeschaltet werden. In Zukunft gibt es mit der Bundespolizeidirektion nur noch einen Ansprechpartner. Dasselbe gilt auch umgekehrt bei Aufträgen aus dem Ministerium.
Führungsköpfe
Als Favorit für den Posten des Bundespolizeidirektors gilt der stellvertretende Kabinettschef im Innenministerium, Michael Takacs. Neben der Schlüsselposition werden für die neue Zentralstellenreform etwa 40 Führungspositionen ausgeschrieben.
Noch laufen die Verhandlungen mit dem bei Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) angesiedelten Ministerium für den Öffentlichen Dienst (BMKÖS) betreffend der Anforderungskriterien. Die Ausschreibungen für die Planstellen sollen im März erfolgen. Was den Bundespolizeidirektor anbelangt, wird aller Voraussicht nach ein abgeschlossenes Hochschulstudium oder eine Offizierslaufbahn bei der Polizei Voraussetzung sein, beides zusammen eher nicht. Takacs hat ein Master-Studium an der Fachhochschule Wiener Neustadt absolviert.
Von derzeit 260 Geschäftsbereichen in der Zentralstelle des BMI werden zehn eingespart und 20 neu geschaffen, so Tomac. Man reagiere damit auf die „dynamische Lage“. Die markantesten Neuerungen: Operatives Grenz- und Fremdenpolizeimanagement, Lagezentrum für den Krisen- und Katastrophenschutz, Abteilung für Polizeiliche Sondereinsätze, Büro für den Bereich Drohnen, Stelle für Historische Angelegenheiten (Mauthausen) usw.
Eine der größten Herausforderungen stellt wohl die Personalsuche für die „Direktion für Digital Services“ dar. Die Abwehr von täglich bis zu 1.000 Cyberangriffen sei nur die Spitze des Eisberges, die das Kompetenzzentrum für Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) im Ministerium zu stemmen hat.
Gerade was gutes IT-Personal anbelangt, sei der Markt „leergefischt“. „Das Personal ist einer der größten Budgetposten. Wir brauchen ein lukratives Gehaltsschema, um am freien Markt Kräfte zu finden“, sagt IKT-Leiter Markus Popolari. In der Privatwirtschaft gäbe es viele besser dotierte Jobs.
Lagezentrum unter der Erde
Zur Reform gehört auch die Neuaufstellung des Krisenmanagements. Dafür wird ein Lagezentrum zwölf Meter unter der Erde im Bereich des Innenministeriums in der Herrengasse gebaut. Bei künftigen Krisen sollen darin alle Fäden zusammenlaufen. Baubeginn ist Ende des Jahres, die Fertigstellung für 2024 geplant.
Dem Bundesministerium für Inneres gehören 37.700 Mitarbeiter an. 1.896 davon sind in der Zentralstelle. Die Polizeireform wurde 2021 mit dem Umbau des BVT zur Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) begonnen. Um auf die steigende Blackout-Gefahr zu reagieren, wurde ebenfalls im Vorjahr eine Abteilung für Netz- und Informationssystemsicherheit (NIS) eingerichtet.
Was zukünftige Herausforderungen anbelangt, sollen mit der Reform auch neue Aufgabenbereiche abgedeckt werden. Dazu gehören Themen wie die mobile Polizeikommunikation (elektronische Kennzeichenerfassung), ein elektr. Erfassungssystem für Volksbegehren (E-Government), ein Notruf-Kompetenzzentrum sowie eine Joint Coordination Platform für das Fremdenwesen.
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