Studie: Paketdienste verstopfen Straßen weniger, als gedacht

Studie: Paketdienste verstopfen Straßen weniger, als gedacht
Lieferdienste machen in Wien nur 0,8 Prozent des gesamten Verkehrsaufkommens aus. Dennoch gibt es Einsparungspotenziale.

Sich Kleidung, Bücher oder gar Lebensmittel nach Hause liefern zu lassen, ist bequem und boomt. Das freut naturgemäß die Paketdienste. Eben diese stehen aber immer wieder in der Kritik: Auslieferer würden - vor allem in den engen Innenstädten - die Straßen verstopfen und das Verkehrchaos verschlimmern, heißt es.

In Wien entspricht diese Wahrnehmung aber nicht den Tatsachen. Das ist zumindest das überraschende Ergebnis einer Studie zum Thema City-Logistik, die die Wirtschaftsuniversität Wien (WU) im Auftrag der österreichischen Post durchgeführt hat. Heute, Mittwoch, wurden die Resultate präsentiert. 

Demnach machen Kurier-, Express- und Paketdienste in der Bundeshauptstadt lediglich einen Anteil von 0,8 Prozent am Gesamtverkehr aus. Der Anteil der Handwerker und Techniker sei mit etwa sechs Prozent rund sieben Mal so groß. Basis der Untersuchung sind Verkehrszählungen, die an ausgewählten Wiener Straßen mithilfe von Videoaufnahmen durchgeführt wurden.

Studie: Paketdienste verstopfen Straßen weniger, als gedacht

„Jeder weiß, dass der Online-Handel zunimmt“, erklärte Sebastian Kummer, Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik an der WU. Der Reflex sei, daraus zu schließen, dass das vor allem für Städte Probleme bringe. „Beim Verkehr ist es wie beim Fußball: Alle reden mit.“

Aber: "Die Studie zeigt eindeutig, dass Kurier-, Express- und Paketdienste deutlich weniger zum Gesamtverkehr beitragen, als immer wieder behauptet wird", sagte Peter Umundum, Vorstand des Bereichs Paket und Logistik bei der österreichischen Post.

Onlineshopping "nicht per se schlecht"

„Das Argument, dass Onlinebestellungen per se schlecht sind, ist falsch“, sagt Kummer mit Verweis auf eine Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) aus dem Jahr 2013. Für die USA konnte darin gezeigt werden, dass traditionelles Einkaufen doppelt so viele Co2-Emissionen nach sich ziehen kann wie Onlineshopping.

Die Ergebnisse seien mit Einschränkungen auf Wien übertragbar, sagt Kummer: „Natürlich kommt es darauf an, ob ich mit dem Auto an den Stadtrand fahre oder in der näheren Umgebung einkaufe.“

Der Anteil von Paketdiensten am Gesamtverkehr liege in Linz und Graz auf einem ähnlichen Niveau wie in Wien, schätzt Kummer. Selbst wenn der Onlinehandel stark wachse, sei in den nächsten zehn Jahren nicht mit einer Zunahme zu rechnen.

Transporter-Anteil gering

Insgesamt entfallen laut der Untersuchung 13,5 Prozent des Gesamtverkehrs auf Lieferwagen. Den Löwenanteil von 86,5 Prozent machen Pkw aus. 

Dieses Verhältnis spiegelt sich auch bei den abgestellten Fahrzeugen wieder: "Der größte Teil der Parkflächen wird durch Pkw belegt, während Lieferwagen einen vergleichsweise geringeren Anteil darstellen", schreiben die Studienautoren.

Das weniger überraschende Resultat der Untersuchung: In der Gruppe der Lieferwagen gibt es - abhängig von der Branche - große Unterschiede im Parkverhalten. Paketdienste stellen ihre Transporter kurz, oft unter zehn Minuten, ab. Handwerker blockieren Parkplätze deutlich länger - mitunter mehrere Stunden lang.

Ärger über Parken in zweiter Spur

„Der Ärger über Paketdienste kommt zu einem guten Teil daher, dass sie in zweiter Reihe parken“, sagt Institutsvorstand Kummer. Dieses Problem sei nur mit einem besseren Parkraumanagement in dem Griff zu bekommen.

Ein erster Schritt in diese Richtung sei die umstrittene neue Regelung für das Anrainer-Parken. Zur Erinnerung: Im Dezember 2018 öffnete die Stadt die Anrainerzonen für Handwerker und soziale Dienste - der KURIER berichtete.

 

Zusätzlich brauche es mehr Ladezonen und langfristig elektronische Informationssysteme, über die freie Parkplätze angezeigt und gebucht werden können.

Einsparungspotenzial bei Pkw

Um die Verkehrssituation in Wien "wirksam zu entlasten", brauche es vor allem "Maßnahmen im Pkw-Bereich", schlussfolgern die Experten von der Wirtschaftsuniversität. Diese seien aufgrund des hohen Pkw-Anteils am Gesamtverkehr nämlich deutlich wirksamer, als verkehrspolitische Schritte im gewerblichen Verkehr.

Aber die Studie ortet auch Hebel, um den gewerblichen Verkehr zu reduzieren: Lieferwagen höher auslasten (also Fahrten zusammenfassen) und (E-)Lastenräder einsetzen. 

Wobei Paketdienste beide Maßnahmen bereits ohnehin umsetzen würden, wie die Autoren betonen. Vor allem in anderen Branchen könnten so noch Fahrten eingespart werden. 

E-Transporter als Chance

Was die Reduktion von Co2-Emissionen anbelangt, liegt laut der Studie auch in der Paket- und Kurier-Branche noch Potenzial brach. „Wenn allein in Wien sämtliche Einsparungspotenziale bei der Paketzustellung ausgeschöpft werden, entspricht dies dem jährlichen Stromverbrauch von ca. 4.000 österreichischen Haushalten“, sagt Sebastian Kummer, Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik an der Wirtschaftsuniversität.  

Um das zu erreichen, müssten in Wien sämtliche Paketdienste ihre konventionell betriebenen Transporter mit elektrisch betriebenen Fahrzeugen ersetzen. Rüstet nur die Post ihre Paket-Flotte um, können jährlich so viel Co2-Emissionen eingespart werden, wie knapp drei ausgelastete Flüge von Wien nach New York und zurück verursachen. 

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