Sport und Häme: Die Stadtpolitik im Olympiarausch
Wir kommentieren die Meldungen nicht“, sagte Michael Häupl (SPÖ) gestern. „Dementieren werden wir sie aber auch nicht.“ Somit scheint fix: Der Bürgermeister und seine Grüne Stellvertreterin Maria Vassilakou wollen bei der Volksbefragung im März kommenden Jahres von den Wienern wissen, ob sich die Bundeshauptstadt für die Austragung der Olympischen Sommerspiele im Jahr 2024 oder 2028 bewerben soll.
Doch damit nicht genug: Auf die Frage, ob sich Wien auch um die Austragung eines Fußballspiels im Rahmen der Europameisterschaft 2020 bewerben könnte (die EURO wird erstmals in mehr als einem bzw. zwei Ländern ausgetragen) , meinte Häupl: „Wenn Aussicht auf Erfolg besteht, werden wir uns darum bemühen.“ Und dass Aussicht auf Erfolg besteht, davon ist Häupl überzeugt: Seit der EURO 2008 gebe es beste Kontakte zu UEFA-Präsident Michel Platini. Also dann.
Ringerln statt Pickerl
Derzeit verfüge Wien nicht einmal über eine Sportstätte, in der man Österreichische Meisterschaften austragen kann. Seit das Stadthallenbad zur skandalgebeutelten Dauerbaustelle geworden ist, fehle auch ein 50-Meter-Becken für Schwimmer.
„Ob Happel- oder Dusikastadion – fast alle Wiener Sportstätten sind extrem alt“, ergänzt Ines Anger-Koch, Sportsprecherin der ÖVP. „Die Stadt hat in den letzten Jahren versagt, sich als Sportstadt zu präsentieren. Deshalb ist fraglich, wie ernst die Bewerbung gemeint ist.“ Für Dominik Nepp (FPÖ) stellt der Vorstoß den plumpen Versuch dar, vom Parkpickerl-Dilemma abzulenken.
Kein Geld, kein Feuer
Finanzielle Bedenken hat auch das Österreichische Olympische Comité (ÖOC). Grundsätzlich sei man aber für eine Kandidatur: „London war ein Beispiel dafür, wie viel die Spiele bewegen können. Die Infrastrukturmaßnahmen haben einen langfristigen Effekt auf die Entwicklung des Breiten- und Spitzensports“, sagt Generalsekretär Peter Mennel.
Ähnlich argumentiert Sportminister Norbert Darabos: „Ich stehe einer Bewerbung grundsätzlich positiv gegenüber, weil es für den Sport infrastrukturell wichtige Impulse bringen könnte.“
Fakten
London 2012 Die rundum geglückten Spiele sind Maßstab für alle künftigen Bewerber.
Aktuelles in Zahlen 11.040 Sportler aus 204 Ländern waren dabei. 5,8 Milliarden Euro Umsatz machte das Internationale Olympische Komitee zusammen mit den Winterspielen 2010.7,6 Millionen Tickets wurden aufgelegt. 3000 Wohnungen entstanden aus dem olympischen Dorf.
Auf der Bühne der Olympischen Sommerspiele zeigen sich nicht nur die besten Sportler der Welt. In der um den gesamten Globus ausgestrahlten zweieinhalbwöchigen Werbesendung im TV präsentieren sich auch die Austragungsstädte in ihrem besten Licht. Mittlerweile geht man davon aus, dass Olympia Ansehen und Selbstverständnis eines ganzen Landes steigern kann.
1968 wurden die Spiele von Mexiko City erstmals live und in Farbe weltweit übertragen – und Olympia wurde zur perfekten Werbebühne für die Metropolen dieser Welt. Im vergangenen Sommer verfolgten fünf Milliarden Menschen, wie sich das alte London ein junges Image verpasste und mit den bisher besten Spielen der Geschichte sein Ansehen aufpolierte.
Milliarden-Spektakel
15 Milliarden Euro betrugen die Gesamtkosten der Spiele. Der Großteil davon wurde in die Infrastruktur investiert. So kosteten die neuen Wettkampfstätten 8,3 Milliarden Euro. Für den Olympia-Park wurde ein brach liegendes Industriegelände zu einem Freizeitpark umgestaltet; das olympische Dorf wurde nach den Spielen zum wertvollen Wohnraum; das Eisenbahnnetz wurde ausgebaut, um die altehrwürdige U-Bahn zu entlasten; um 76,6 Millionen Euro wurde vom Vorarlberger Unternehmen Doppelmayr eine Gondelbahn über die Themse gebaut, die die Stadtteile Greenwich und Docklands verbindet.
Olympische Spiele sind ein gigantisches Renovierungsprojekt einer ganzen Stadt. München profitierte von den Spielen 1972 enorm. Die Stadt bekam eine U-Bahn, eine Sportinfrastruktur und einen Olympiapark, der immer noch genützt wird. Erfolgreiche Stadtrenovierung erfolgte auch in Barcelona 1992, als sich die schmuddelige Hafenstadt zur modernen Kulturmetropole wandelte. „Die Stadt ist aufgeblüht und profitiert immer noch davon“, sagt der Leipziger Hans-Jörg Stiehler, der die Auswirkungen von Olympischen Spielen untersucht hat, im Berliner Tagesspiegel. Sydney brachten die Spiele 2000 einen Werbewert von vier Milliarden Euro.
Montreal allerdings ist ein Beispiel dafür, dass die Spiele mehr Fluch als Segen sein können. Kanada ließ die Stadt 1976 mit den Kosten alleine, „und sie bezahlen immer noch dafür“, sagt Stiehler. In Athen (2004) wurde eine U-Bahn gebaut, die man sich nicht leisten konnte. Die Stimmung war schlecht, die Spiele wurden zum Chaos, der Werbewert war gering.
2016 wird Rio versuchen, sein Image als Zentrum der Kriminalität zu korrigieren. Bereits jetzt reißen die Olympia-Macher unter Protesten von Menschenrechtsorganisationen gnadenlos die Favelas ab, die Wohnviertel der Ärmsten. Um Platz zu machen für ein neues Rio. Ob es einmal besser sein wird als das alte Rio, wird sich frühestens 2016 zeigen.
KURIER: Herr Stadtrat, warum sollen die Olympischen Spiele nach Wien kommen?
C. Oxonitsch: Die Diskussion darüber taucht immer wieder auf. Ich persönlich finde sie durchaus interessant. Vor einer Bewerbung sollte aber die Bevölkerung gefragt werden. Wobei derzeit noch nicht fix ist, ob dies bei der kommenden Volksbefragung der Fall sein wird. Es handelt sich nur um eine Überlegung. Der Vorteil wäre aber, dass man dann zum Thema Olympia nicht wieder eine eigene Befragung durchführen müsste.
Welchen Sinn macht eine Kandidatur, zumal es derzeit in Wien keinerlei geeignete Sportstätten gibt?
Olympiafit ist eine Stadt erst dann, wenn sie die Spiele bereits ausgetragen hat. In London zum Beispiel gab es vor Olympia überhaupt kein 50-Meter-Becken für die Schwimmer. Und auch ansonsten gab es keine Bewerbe in alten Sportstätten.
Olympia ist wunderschön und der Gedanke an Spiele in Wien verlockend, ABER ... ... völlig unrealistisch ist es, dass Wien einmal tatsächlich Olympische Sommerspiele austragen könnte.
Wer das Vergnügen hatte, die Spiele in London 2012 zu erleben, weiß, welche Dimensionen Olympia hat. Olympia ist gigantisch groß, gigantisch teuer, gigantisch aufwendig.
Allein der Olympiapark in London, auf dem nur ein Teil (!) der Bewerbe stattgefunden hat, erstreckt sich über eine Fläche von 250 Hektar. Das entspricht fast der Hälfte des Wiener Praters. Dieser müsste wohl für Olympia gerodet werden, um adäquate Sportstätten zu errichten – und ein olympisches Dorf mit 20.000 Schlafplätzen für Athleten und Betreuer. Abreißen müsste man das 1931 erbaute denkmalgeschützte Ernst-Happel-Stadion, um an seiner Stelle eine moderne 80.000er-Leichtathletik-Arena zu bauen – die im Anschluss daran zirka 362 Tage im Jahr leer stehen würde.
Zusätzlich bräuchte Wien eine 20.000er-Halle für die Schwimmer, zwei 10.000er-Hallen für die Basket- und Handballer, eine 5000er-Halle für die Wasserballer, ein 15.000er-Stadion für die Hockeyspieler, ein Velodrom (womit bestimmt nicht das Ferry-Dusika-Hallenstadion gemeint ist), einen Meerzugang für die Segler, einen zweiten Flughafen, usw. Die Liste ließe sich lange fortsetzen.
Im Moment allerdings verfügt Wien nicht einmal über eine einzige Sporthalle von internationalem Niveau und das 50-Meter-Becken in der Stadthalle ist trocken und eine Ruine.
Doch die selbst ernannte Sportstadt Wien ist nicht nur im sportlichen Vergleich ein Dorf mit 1,7 Millionen Einwohnern. Olympia ist so groß geworden, dass dem Unternehmen nur noch Megastädte gewachsen sind. In Peking (Olympia 2008) leben 20 Millionen Einwohner – fast drei Mal so viel wie in Österreich. Im Großraum London (2012) sind es 14 Millionen, in Rio de Janeiro (2016) fast 12 Millionen. Favorit auf die Spiele 2020 ist übrigens Tokio. Die größte Stadt der Welt.
Der Nebel lichtet sich. Es werden laufend neue Details rund um die große, rot-grüne Volksbefragung publik, die fix Anfang März stattfinden soll (7. bis 9.3.2013). Recherchen des KURIER ergaben nun, dass nicht nur Fragen zu Parkpickerl und Olympia gestellt werden (siehe Artikel oben) , sondern, dass die Wiener auch über das Thema Solarenergie abstimmen werden dürften.
Immerhin wurden heuer vier sogenannte Bürgersolarkraftwerke verkauft – eines davon wurde in der Donaustadt bereits gebaut und eröffnet. Im nächsten Jahr sollen die nächsten Kraftwerke, an denen sich die Wiener beteiligen können, ans Netz gehen. Der damit produzierte Strom versorgt immerhin 800 Haushalte. Denkbar wären somit gleich mehrere konkrete Fragen: Eine No-na-Frage, bei der die Wiener von Bürgermeister Michael Häupl und seiner Grünen Stellvertreterin, Maria Vassilakou , über die Vorzüge der Sonnenenergie informiert und gefragt werden, ob sie sich weitere Solarkraftwerke mit Bürgerbeteiligung vorstellen könnten. Wer könnte etwas dagegen haben...
Solarzellen versus Parkplätze
Wahrscheinlicher wäre aber eine Frage, die auf eine Solarverpflichtung bei Neubauten abzielen würde. Wer ein neues Haus in Wien errichtet, muss Solarzellen montieren. Die SPÖ hatte hier stets Bedenken geäußert, da die Errichtungskosten und somit auch die Kosten für Mieter deutlich steigen könnten. Möglich also, dass die Grünen die Frage einbringen: Sind Sie für eine Solarverpflichtung, wenn im Gegenzug die Stellplatzverordnung aufgelockert wird. Klartext: Solarzellen versus Parkplätze . Ähnliche Ideen hatte der Grüne Chefplaner Christoph Chorherr schon einmal skizziert.
Offen bleibt, wie die weiteren Fragen aussehen. Wie berichtet, wird der Fragenkatalog im Gemeinderat am Freitag beschlossen. „Am Ende werden es wohl vier oder fünf Fragen sein“, ist im Rathaus zu hören. Im Hintergrund dürften SPÖ und Grüne den Fragenpoker dazu nutzen, politische Tauschgeschäfte zu dealen. Noch ist ja die Reform des verzerrenden Wahlrechts ausständig. „Es spießt sich etwa bei der Frage, ob ein Wahlrecht von EU-Bürgern auf Gemeindeebene möglich ist“, sagt ein Grüner Verhandler.
Indes ist klar: Das Pickerl in Währing kommt vorerst nicht – obwohl SPÖ und Grüne die Einführung dank Mandatsmehrheit beschließen wollten. Doch ÖVP-Bezirksboss Karl Homole machte dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung. Er hat einen rot-grünen Beschlussantrag, der am Donnerstag im Bezirk abgestimmt werden sollte, nicht zugelassen.
Kommentare