SPÖ-Vizebürgemeisterin: "Da gibt es auch nichts zum Herumdiskutieren"
Kathrin Gaál gilt als enge Vertraute von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Sie verantwortet das Wohnbau- und Frauenressort.
KURIER: Fühlen Sie sich als Frau in Wien überall sicher?
Kathrin Gaál: Ja.
Verstehen Sie Frauen, die das nicht tun?
Ja. Sicherheit ist ein subjektives Gefühl. Da kann sich niemand anmaßen, zu sagen: „Du musst dich sicher fühlen.“ Das muss man auf jeden Fall ernst nehmen.
Wie wollen Sie dieses subjektive Sicherheitsgefühl wieder anheben?
Wir haben 2022 eine große Frauenbefragung gemacht. 15.500 Frauen haben teilgenommen und wir haben 77.000 Antworten zu ganz, ganz unterschiedlichen Themen bekommen. Da war das Thema Sicherheit dabei, wenn auch nur am Rande. Deutlich öfter ging es aber um Gewaltschutz, Gewalt in der Beziehung, in der Familie. Man hat die Solidarität untereinander gespürt und den Wunsch, ein Gewaltschutznetz weiter auszubauen. Das sehe ich als meine Aufgabe und dem komme ich jetzt schon seit Jahren nach.
Gerade vergangenes Jahr haben viele Femizide Österreich erschüttert. Wie könnte man die Situation verbessern?
Ich würde mir vor allem wünschen, dass der Kontakt mit der Frauenministerin ein intensiverer wäre – und zwar ohne politisches Kleingeld schlagen zu wollen, sondern um hier wirklich ernsthaft miteinander über die Bundesländergrenzen hinweg zu arbeiten. Wir haben uns als Frauenlandesrätinnen regelmäßige Treffen gewünscht, um miteinander Strategien zu entwickeln, zu erarbeiten. Es ist wichtig, dass beim Thema Gewaltschutz alle an einem Strang ziehen und konstruktiv zusammenarbeiten – Länder und Bund.
Die Forderung nach konstruktiver Arbeit ohne das angesprochene politische Kleingeld kommt immer von allen Parteien. Halten Sie sich selbst daran?
Wir in Wien führen in der Frauenpolitik Gespräche mit den Frauen-Sprecherinnen der Oppositionsparteien auf Augenhöhe. Wir haben ein gutes Klima und eine gute Gesprächsbasis. Wir stellen die Frauenpolitik und ganz besonders die Gewaltschutzpolitik auf eine gemeinsame Ebene.
Wie wird denn konkret gearbeitet?
Wir haben seit mehr als 20 Jahren in dieser Stadt ein Gewaltschutz-Jour-Fixe. Da kommen alle NGOs dieser Stadt, die mit Gewaltschutz befasst sind, die Polizei, die zuständigen Magistratsabteilungen und die Politik zusammen. Das findet zwei bis dreimal im Jahr zu aktuellen Themen statt. Im März haben wir ein außerordentliches Gewaltschutz-Jour-Fixe gehabt, bei dem auch Bürgermeister Michael Ludwig dabei war, weil es auch ihm sehr wichtig war, zu erfahren, was wir noch mehr tun können.
Und was wäre das?
Entstanden ist ein Drei-Punkte-Paket: Erstens, mehr Geld für die Präventions- und Täterarbeit. Wir investieren noch mehr in das Projekt Respekt, wo an Schulen gearbeitet wird. Und wir geben eine Studie in Auftrag. Das klingt vielleicht nicht so spannend, ist aber für die Prävention sehr wichtig. Es wird mit Opfern gesprochen, die einen Gewaltakt überlebt haben, damit wir wirklich wissen, was da vorher passiert ist. Wir wollen auch mit den Angehörigen sprechen, um hier in der Prävention dann vielleicht noch zusätzliche Maßnahmen setzen zu können.
Das Thema wird immer auch bei der Integrationsdebatte ins Treffen geführt. Das Argument, das man oft hört, ist: „Unsere Frauen müssen geschützt werden.“ Was sagen Sie denn dazu?
Die Wiener Frauenhäuser gibt es mittlerweile seit 45 Jahren. Das heißt, dieses Thema ist immer schon präsent in allen Gesellschaftsschichten, und da nehme ich keine einzige aus. Die Familie mit Migrationshintergrund nicht, genauso wie alle anderen nicht. Keine Form der Gewalt ist nur irgendwie zu tolerieren, zu erklären, zu akzeptieren. Da müssen wir einfach gemeinsam aufstehen und den betroffenen Frauen rasch und unkompliziert Hilfe bieten.
Wenn viele Menschen aus patriarchalen Strukturen nach Österreich kommen, wird das etwas im Zusammenleben ändern?
Für mich ist ganz klar, dass Frauenrechte zu akzeptieren sind. Da gibt es auch nichts zum Herumdiskutieren.
Wohnraum in Wien wird immer knapper – und gleichzeitig wächst aber die Bevölkerung. Was ist die Lösung?
Die Lösung ist einfach und trotzdem komplex: weiter am sozialen Wohnbau arbeiten, weiter geförderte Wohnungen errichten. Das Wiener Wohnbaumodell ist international hoch anerkannt und an dem werden wir immer weiterarbeiten. Was der Wohnfonds Wien schon seit vielen Jahren macht, ist die Grundstücksbevorratung. Dort gibt es eine Grundstücksreserve von rund 3 Millionen Quadratmetern, die für den geförderten Wohnbau reserviert sind.
Kathrin Gaál: Die 48-Jährige ist seit 2018 amtsführende Stadträtin für Wohnen, Wohnbau, Stadterneuerung und Frauen. Seit 2020 ist sie zudem Wiener Vizebürgermeisterin und Landeshauptmann-Stellvertreterin.
Nur Neubauten zu errichten, ist nicht die Lösung, weil der Platz nicht unendlich ist. Wie schaut die Stadt der Zukunft aus?
Die Stadt der Zukunft schaut gut aus. Wir werden weiterhin Neubau errichten. Das ist wichtig und richtig. Aber wir investieren auch sehr stark in die Sanierung. Es ist eine Mischung aus allem – aus Neubau, Sanierung und Nachverdichtung. Wir haben zum Beispiel jetzt bei Wiener Wohnen mehr als 800 neue Dachgeschoß-Gemeindewohnungen fertig oder in Umsetzung.
Und das Bauen in die Höhe?
Man muss natürlich auf den Bodenverbrauch achten. Wien steht da relativ gut da. In keinem anderen Bundesland ist der Bodenverbrauch pro Kopf auch nur annähernd so niedrig wie in Wien. Wien hat ein Hochhauskonzept, in dem geregelt ist, wo wie hoch gebaut werden darf, und an dem orientiert man sich natürlich.
Die gestiegenen Wohnkosten belasten viele Wienerinnen und Wiener. Wie will man da gegensteuern?
Wien hat in den vergangenen Jahren, die für alle sehr herausfordernd waren, sehr viel getan. Wir waren eines der ersten Bundesländer, das den sogenannten Energiebonus auf den Weg gebracht hat. Wir haben einen Wohnbonus. Wir hatten einen extra Bonus für unsere Mieterinnen und Mieter im Gemeindebau. Wir haben aber nicht nur auf Einmalzahlungen gesetzt. Wir haben im Gemeindebau die Mietanpassungen für die nächsten zwei Jahre ausgesetzt, die auch nicht nachgeholt werden. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass der Bund hier aktiv wird, nämlich für alle Mieterinnen und Mieter. Das war leider nicht so und deshalb haben wir es dort gemacht, wo wir es machen können. Wir haben etwa die Wohnbeihilfe auf 151 Millionen aufgestockt und den Kreis der Bezieherinnen und Bezieher erweitert.
Kürzlich wurden in einem Stadtrechnungshofbericht Verzögerungen bei Gemeindebau-Sanierungen kritisiert. Woran hakt es?
Es geht um eine Gemeindebau-Sanierung, die ganz sicher kein Ruhmesblatt ist, wo aber auch mehrere Komponenten mit hineinspielen. Also ganz so einfach ist es nicht. Wir können da im Gegenzug zig andere Sanierungen und auch Neubauten gegenüberstellen, wo es sehr gut und sehr rasch funktioniert.
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