Historischer Wert: Wien, die Zwei-Millionen-Einwohner-Metropole
Als im Jahr 1910 mit 2,08 Millionen mehr Menschen als jemals zuvor oder danach Wien ihre Heimat nannten, hieß der Bürgermeister – zumindest bis zu seinem Tod im März – Karl Lueger, der Kaiser hieß Franz Joseph und beide wussten noch nicht, dass sich die Donaumonarchie unaufhaltsam ihrem Ende näherte.
Heute gibt es keinen Kaiser mehr, der Bürgermeister heißt Michael Ludwig – und Wien ist erstmals nach mehr als 100 Jahren wieder Heimat für mehr als zwei Millionen Menschen. Das geht aus den vorläufigen Daten des Bevölkerungsmonitorings der Landesstatistik hervor, wie dem KURIER auf Anfrage bestätigt wurde.
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„Die aktuelle Schätzung geht davon aus, dass Wiens Bevölkerung zwischen dem 1. Jänner und dem 30. September dieses Jahres um über 19.500 Menschen gewachsen ist. Das würde bedeuten, dass der Bevölkerungsstand Anfang Oktober bei knapp über zwei Millionen lag“, sagt Landesstatistiker Ramon Bauer.
Ob sich diese Schätzung bestätigt, wird sich im November zeigen, wenn die Statistik Austria den vorläufigen Bevölkerungsstand zum 1. Oktober bekannt gibt.
Bevölkerungsschub durch Studierende
Dass Wien in diesem Jahr die Zwei-Millionen-Marke überschreiten wird, war absehbar. Und auch, dass es genau jetzt im Herbst passiert, kommt für den Fachmann nicht überraschend: „Das Wiener Bevölkerungswachstum ist traditionell im September und Oktober am stärksten, wenn sich zahlreiche Studentinnen und Studenten – zusätzlich zu den anderen Zuwanderinnen und Zuwanderern – in Wien wohnhaft melden“, erklärt Bauer.
Denn das Wachstum Wiens basiert in erster Linie auf Migration. Zwar ist auch die Geburtenbilanz seit 2004 wieder positiv, im Vergleich zur Wanderungsbilanz jedoch im Verhältnis unbedeutend.
Wuchs die Bevölkerung zwischen 2013 und 2022 durch die Bilanz aus Geburten und Sterbefällen pro Jahr im Schnitt um 2.850 Menschen, zogen im selben Zeitraum jährlich im Schnitt 21.129 Menschen nach Wien – und zwar überwiegend aus dem Ausland.
Zuwanderung macht Wien auch jünger
39 Prozent der Wienerinnen und Wiener wurden im Ausland geboren, was die Stadt zu einer der diversesten Europas macht – und verjüngt. Galt Wien in den 70er-Jahren noch als eine der ältesten Städte der Welt, sank das Durchschnittsalter durch die vorwiegend junge Zuwanderung von 41,8 Jahren 1971 auf 41,2 Jahre 2022.
Das klingt nicht nach viel, weil aber alle anderen Bundesländer im Schnitt altern, ist Wien dadurch seit 2015 das jüngste.
Im Rathaus freut man sich über dieses demographische Comeback, sei eine wachsende doch auch immer eine prosperierende Stadt. Dass sich Wien trotz des Wachstums durch weitgehend hohe Lebensqualität auszeichnet, wertet man zugleich als Ergebnis umsichtiger Politik.
Gelang doch die Trendwende von der farblosen Randregion der 80er-Jahre hin zum „Wirtschafts-, Ideen- und Innovationsmotor Mitteleuropas“, freut man sich in der politischen Schaltzentrale.
Wachstum hält an
„Wien hat sich in den letzten Jahrzehnten durch eine zukunftsorientierte Politik zu einer jungen, attraktiven und weltoffenen Metropole entwickelt“, sagt auch Peter Hanke – neben Finanzen und Arbeit als SPÖ-Stadtrat auch für Statistik zuständig – zum KURIER. „Dass dieser ,Wiener Weg’ erfolgreich ist, zeigen nicht nur die Zuzugszahlen, sondern auch alljährlich unabhängige Rankings, in denen Wien bereits mehrmals als lebenswerteste Stadt der Welt ausgezeichnet wurde.“
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Klar ist aber auch, dass die Herausforderungen, insbesondere in den Bereichen Wohnen, Dekarbonisierung und Klimawandelanpassung, nicht geringer werden – während die Stadt weiter wächst. Statistiker Bauer geht davon aus, dass der Bevölkerungsstand zu Jahresende bereits „deutlich über der Zwei-Millionen-Marke“ liegen wird.
Es ist also wohl nur eine Frage der Zeit, bis Wien Kern-Paris (aktuell rund 2,15 Millionen Einwohner) überholt und zur viertgrößten Stadt der EU wird – nach Berlin, Madrid und Rom.
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